Bislang lässt sich die Hämophilie A nur durch regelmäßige Substitution des fehlenden Gerinnungsfaktors behandeln. Eine Gentherapie könnte eine Alternative bieten, wie aktuelle Daten zeigen.
Die Hämophilie A ist die häufigste schwere Form der Bluterkrankheit. Sie betrifft nahezu ausschließlich das männliche Geschlecht. Die Behandlung erfolgt durch regelmäßige intravenöse oder subkutane Substitution des fehlenden Gerinnungsfaktors. Nun wurde eine Studie zu einer Gentherapie unter Beteiligung des Universitätsklinikums Bonn (UKB) im New England Journal of Medicine veröffentlicht. Die Therapie hat das Potential, das Leben der Hämophilie-Patienten grundsätzlich zu verändern.
Bei Patienten mit einer Hämophilie A fehlt der Gerinnungsfaktor VIII und muss von außen zugeführt werden, damit das Blut gerinnen kann und die Patienten nicht fortwährend bluten. Viele Patienten leiden an durch Blutungen hervorgerufenen schweren Gelenkschäden; oft ist die Lebensqualität der Patienten durch diese Begleiterkrankungen stark eingeschränkt.
Im NEJM wurden nun die Zweijahresdaten der ersten Gentherapie der Hämophilie A veröffentlicht. Die Patienten wiesen anschließend im Median eine Faktor VIII-Aktivität von etwa 12 % auf und lagen damit nur noch im Bereich einer leichten Hämophilie A. Die jährliche Blutungsrate sank um 84,5 %.
Das Bonner Hämophiliezentrum am UKB schloss im Juli 2019 den ersten Patienten in Deutschland ein. Dieser Patient weist nach inzwischen mehr als dreieinhalb Jahren seit seiner Gentherapie immer noch eine fast normwertige Faktor-VIII-Aktivität von 60 % auf – deutlich besser als der Median der Patienten in der Studie.
Ein Grund dafür könnte die vergleichsweise frühe Umstellung von einem systemischen (Prednisolon) auf ein mehr lokal wirkendes Corticosteroid (Budenosid) sein, das dann über weitere sechs Monate zur Immunsuppression gegeben wurde. Im Gegensatz zu einer lokalen Therapie kann die systemische hochdosierte Cortisontherapie über längere Zeiträume zu erheblichen Nebenwirkungen wie Gewichtszunahme, Osteoporose und Diabetes führen.
Der Patient ist sehr froh über diesen guten Verlauf der Gentherapie: Selbst eine unfallbedingte Fraktur im Hüftgelenk ist bei ihm ohne Blutung und ohne Komplikationen ausgeheilt. Besuche beim Zahnarzt sind seit der Gentherapie für den Patienten ohne vorbereitende Maßnahmen möglich.
Prof. Johannes Oldenburg, Direktor des Instituts für Experimentelle Hämatologie und Transfusionsmedizin am UKB stellt dazu fest: „Der Patient und das gesamte Studienteam freuen sich sehr über den guten Verlauf dieser Gentherapie der Hämophilie A. Die Immunsuppression, die bei 80 bis 90 % der Patienten notwendig ist, kann sicher noch weiter verbessert werden. Unsere Erfahrungen sind ein erster Schritt in diese Richtung.“
Dieser Artikel beruht auf einer Pressemitteilung des Universitätsklinikums Bonn. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Dorrell Tibbs, unsplash