Gerne verordnet von Ärzten, heißgeliebt bei Patienten – die Rede ist von Metamizol. In den letzten Jahren zeigen sich beim vermeintlichen Darling aber einige Schattenseiten. Zeit für einen Refresher.
Es ist eines der Medikamente, das in fast jeder Apotheke mit am häufigsten abgegeben wird: Metamizol-Natrium – ein Wirkstoff gegen akute und chronische Schmerzen und Fieber. Daher kennt auch jeder, der im Gesundheitsbereich arbeitet, Patienten, die Metamizol mehrfach täglich in hoher Dosierung über Jahre hinweg einnehmen und das obwohl bereits die Packungsgröße suggeriert, dass das nicht die Regel sein sollte. Die N3-Packung zählt nämlich nur 50 Tabletten, was aber in der Regel bei den Patienten nur deshalb für Unmut sorgt, weil sie mehr Rezeptgebühren zuzahlen müssen als bei anderen Schmerzmedikamenten, wenn sie 100 Stück verordnet bekommen. Doch es gibt bessere Gründe dafür, die Einnahmemenge und die Dauer zu begrenzen, was uns das BfArM in regelmäßigen Abständen wissen lässt. Denn das Schmerzmittel ist nicht ganz so ungefährlich, wie uns die Verordnungszahlen glauben machen.
Die Zahl der im ambulanten Bereich zulasten der gesetzlichen Krankenversicherungen verordneten Tagesdosen an Metamizol hat sich seit 2010 innerhalb von zehn Jahren von etwa 123 auf 259 Millionen erhöht, Tendenz weiter steigend. Warum ist das so? Im Gegensatz zu nicht-selektiven NSAR verursacht Metamizol weniger Magen- und Zwölffingerdarmgeschwüre, was eine zusätzliche Gabe von Magenschutzmedikamenten unnötig macht. Zudem ist kein erhöhtes Blutungsrisiko zu bedenken, was den Einsatz bei älteren Menschen, die Thrombozytenaggregationshemmer einnehmen, sinnvoll erscheinen lässt. Zudem gab es bei Metamizol bis vor Kurzem kaum Bedenken hinsichtlich der Leber- und Nierentoxizität oder besonders hervorzuhebende negative kardiovaskuläre Effekte. Für die Krankenkassen ist eine Verordnung auch deshalb wünschenswert, weil sie kostengünstig ist – jede Kasse hat hier bestimmte Rabattverträge und spart dank der N3-Größe mit 50 Tabletten Geld, da der Patient hier viel selbst zahlt. Damit wird das Risiko einer Agranulozytose, das in anderen Ländern dazu geführt hat, das Medikament vom Markt zu nehmen, in Kauf genommen.
Die Störung der Bildung von Granulozyten im Knochenmark tritt auch eher selten auf, die Inzidenz der Agranulozytose erhöht sich jedoch parallel zur Verordnungsmenge. In älterer Literatur wird vor ca. 30 Jahren die Inzidenz noch mit unter zehn Fällen pro Jahr angegeben. Im Jahr 2010 wurde bereits durchschnittlich von etwa 30 und im Jahr 2012 von etwa 50 Fällen pro Jahr berichtet, im Jahr 2020 waren es bereits 65, von denen 24 Prozent tödlich endeten. Viele Jahre war das hepatotoxische Risiko bei einer Metamizoleinnahme nahezu unbekannt, in den vergangenen Jahren mehrten sich aber Hinweise darauf, dass es doch nicht ganz unkritisch zu sein scheint.
Eine Studie aus dem Jahr 2021 zeigt deutlich, dass der Wirkstoff verglichen mit Paracetamol, bei dem in den Apotheken immer auf das Risiko für die Leber bei der Einnahme hoher Dosen über längere Zeiträume hingewiesen werden sollte, sogar problematischer ist. Nachdem vermehrt über Fälle von DILI (arzneimittelbedingtem Leberschaden/Drug Induced Liver Injury) nach Anwendung von Metamizol berichtet wurde, kümmerte sich auch der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) darum. Er sah eine Kausalität zwischen dem Auftreten arzneimittelbedingten Leberschäden und der Einnahme von Metamizol, was dazu führte, dass die Gebrauchsinformationen dahingehend ergänzt wurden.
Ebenfalls genügte dem PRAC die gewichtete kumulative Evidenz, um das Vorhandensein eines Risikos einer pharmakokinetischen Wechselwirkung von Metamizol mit CYP2B6- und CYP3A4-Substraten mittels Enzyminduktion zu unterstützen. In der Produktinformation von metamizolhaltigen Arzneimitteln wurde daher die bereits enthaltene Wechselwirkung mit Bupropion und Ciclosporin um andere CYP2B6- und CYP3A4-Substrate ergänzt. Hierzu gab es ausreichend dokumentierte Fälle eines signifikant verringerten therapeutischen Spiegels und/oder eines Mangels an Wirksamkeit.
Die Indikationen für die Verordnung von Metamizol sind ausschließlich zur Behandlung von starken Schmerzen (z. B. akute Schmerzen nach Verletzungen oder Operationen), Schmerzen bei Koliken und Tumorschmerzen sowie sonstigen Schmerzen, falls andere analgetische Maßnahmen nicht geeignet sind. Des Weiteren ist Metamizol ebenfalls zugelassen zur Behandlung von hohem Fieber, das auf andere Maßnahmen nicht anspricht. Der Wirkstoff darf nicht angewendet werden bei leichten oder mittelstarken Schmerzen oder zur Therapie von Fieber, wenn nicht vorher andere Antipyretika angewendet wurden und keine ausreichende Wirksamkeit gezeigt haben. Sonstige Einsätze erfolgen allesamt als Off-Label-Use.
Da die Verordnungszahlen trotz dieser Ergänzungen zu bekannten schwerwiegenden Nebenwirkungen weiterhin ansteigen, sollten Apotheken ein offenes Auge und Ohr für ihre Kunden haben. Die Anzeichen dieser Nebenwirkungen sollte man parat haben, um schnell Hinweise geben zu können, wann sich die Patienten an ihren Arzt wenden müssen. Da wären:
Das BfArM berichtet, dass eine Agranulozytose in der Vergangenheit in zwei Dritteln der Fälle innerhalb von sechs Wochen nach Behandlungsbeginn, in etwa einem Drittel innerhalb von sieben Tagen und bei elf Prozent bereits nach der ersten oder zweiten Anwendung aufgetreten sei. Im Median trat sie 13 Tage nach Beginn der Metamizoleinnahme auf, bei 34,7 Prozent der Fälle schon nach sieben Tagen. Bei Patienten, die bereits in der Vergangenheit Metamizol erhalten hatten, war der Zeitraum noch kürzer. 16 Prozent der Fälle endeten tödlich.
Es ist sicherlich sinnvoll, Patienten, die erstmalig Metamizol verordnet bekommen, auf die Symptome hinzuweisen, bei denen sie ihren Arzt aufsuchen sollten. Auch die erst in den vergangenen Jahren bekannt gewordene Möglichkeit eines DILI ist gerade bei Langzeitanwendern zu bedenken. Die Symptome sind hier oft asymptomatisch und reichen von Müdigkeit über Fieber, Hautausschläge und abdominelle Beschwerden bis zum eher wegweisenden Ikterus. Das Absetzen von Metamizol führt glücklicherweise meist zur Normalisierung der Leberwerte und nur im Einzelfall kann sich ein Leberversagen mit Notwendigkeit einer Transplantation entwickeln. Hierzu hat das BfArM bereits im Dezember 2020 einen Rote-Hand-Brief versendet.
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