Zeig mir deinen Körper und ich sag dir dein Onko-Risiko! Könnt ihr bald mit nur einem Blick auf eure Patienten Aussagen über bestimmte Krebsrisiken treffen? Eine Studie deutet darauf hin.
Seit jeher kann die Figur Aufschluss über Risiken für bestimmte Krankheiten geben. Insbesondere der Body-Maß-Index und der Körperfettanteil werden dazu gegenwärtig als Indikatoren der Früherkennung genutzt. Doch es geht genauer.
„Genauer“ heißt in diesem Fall vor allem: umfänglicher. Forscher der Universität Regensburg haben gemeinsam mit der International Agency for Research on Cancer mathematisch die Körperformen aus den sechs anthropometrischen Merkmalen Größe, Gewicht, Body-Mass-Index (BMI), Taillenumfang, Hüftumfang und Verhältnis von Taille zu Hüfte (WHR) abgeleitet. Dazu nutzten sie ein statistisches Verfahren, die so genannte Hauptkomponentenanalyse.
„Die Herleitung und Definition von unterschiedlichen Körperformen ist ein neuer und vielversprechender Ansatz. In Bezug auf die Körperzusammensetzung und die Körperfettverteilung sind sie offensichtlich aussagekräftiger als die klassischen anthropometrischen Maße wie der Body-Mass-Index oder die Körpergröße allein und erlauben daher ein besseres Verständnis und eine genauere Beurteilung des Risikos für Krebserkrankungen“, erklärt Studienautorin Dr. Anja Sedlmeier vom Lehrstuhl für Epidemiologie und Präventivmedizin der Universität Regensburg.
Insgesamt kommen die Forscher mit ihrer Analyse auf vier unterschiedliche Körperformen. Diese bieten den großen Vorteil, die heterogene Ausprägung von Übergewicht und Adipositas und ihre gesundheitlichen Folgen im Vergleich zu einzelnen anthropometrischen Merkmalen aufgrund ihrer Kombination besser erfassen zu können als bisher.
Personentyp 1: Adipös und übermäßiger Körperfettanteil bei normaler Körpergröße (hoher BMI). Gleichmäßig verteiltes Gewicht, hoher Taillen- und Hüftumfang sowie WHR.
Personentyp 2: Überdurchschnittlich große und gerade gebaute Personen mit geringem WHR.
Personentyp 3: Verhältnismäßig große Personen mit Ansatz zum Übergewicht. Diese zeigen trotz eines hohen WHR, keinen erhöhten BMI auf.
Personentyp 4: Athletischer Körperbau. Bei normaler Körpergröße weisen die Personen einen muskulösen Körperbau und einen niedrigen WHR auf. Der BMI ist aufgrund der Muskelmasse erhöht.
Als Grundlage für die Analysen dienten Daten der European Prospective Investigation into Cancer and Nutrition Studie (EPIC). Die Untersuchung umfasste über 340.000 Männer und Frauen aus neun europäischen Ländern, die zum Zeitpunkt der Datenerhebung (1990–2000) zwischen 35 und 65 Jahre alt waren.
Fast 5 Millionen Lebensjahre und 47.000 Krebsfälle später – sprich nach einem medianen Nachbeobachtungszeitraum von 15,3 Jahren – machten die Forscher für alle vier Personen- und Figurentypen charakteristische Risiken aus.
Neu abgeleitete Körperformen aus den sechs anthropometrischen Merkmalen Größe, Gewicht, Body-Mass-Index (BMI), Taillenumfang, Hüftumfang und Taille-Hüft-Verhältnis (WHR) und ihr Zusammenhang mit Krebserkrankungen in verschiedenen Organen. Credit: Universität Regensburg.
Was die Häufigkeiten der Krebsarten betrifft, waren zudem Alter und Geschlecht sekundär – sofern eine Gesamtauswertungen anhand der Phänotypen vorgenommen wurde. Lediglich bei einzelnen Krebsarten konnten Korrelationen zum Alter der Studienteilnehmer konstatiert werden. Für Personengruppe 1 waren die Gefahren für Bauchspeicheldrüsen- und Schilddrüsenkrebs in der jüngeren im Vergleich zur älteren Altersgruppe stärker (jeweils über oder unter 52 Jahren).
Bei Personengruppe 2 war die Gefahr für Gallenblasenkrebs in der jüngeren im Vergleich zur älteren Altersgruppe stärker, während das Risiko für Gehirn- und ZNS-, Brust- (prämenopausal) und Schilddrüsenkrebs weniger stark war. Bei Personengruppe 3 war Speiseröhren- (Adeno- und SCC), Kehlkopf-, Magen- (Kardia) und Schilddrüsenkrebs in der jüngeren im Vergleich zur älteren Altersgruppe stärker vertreten. Bei Personengruppe 4 wurde in der jüngeren Altersgruppe ein positiver Zusammenhang mit Leberkrebs beobachtet, während dieser Zusammenhang in der älteren Altersgruppe umgekehrt war.
„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass die derzeitige Krebsbelastung im Zusammenhang mit Übergewicht und Körpergröße auf der Grundlage der klassischen anthropometrischen Merkmale wahrscheinlich unterschätzt wird und die abgeleiteten Körperformen neue Einblicke in die Krebsentstehung und -diagnose ermöglichen“, resümiert Dr. Sedlmeier.
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