Jeder 6. Mensch weltweit ist unfruchtbar. Das geht aus einem aktuellen WHO-Bericht hervor. Was die Gesundheitsorganisation dagegen tun will, lest ihr hier.
17,5 % der Menschheit leidet an Unfruchtbarkeit, heißt es in einem aktuellen Bericht der WHO. Unterschiede in den Regionen und Ländern gebe es dabei nicht. Viel eher sind die Raten in Ländern mit hohem, mittlerem und niedrigem Einkommen vergleichbar, was auf eine weltweite enorme gesundheitliche Herausforderung hinweist. Die Lebenszeitprävalenz betrug 17,8 % in Ländern mit hohem Einkommen und 16,5 % in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen.
Die detaillierten Ergebnisse sind in einem aktuellen Bericht der WHO erschienen – mögliche Lösungsansätze und Unterstützung für Betroffene inklusive. „Der Bericht enthüllt eine wichtige Wahrheit: Unfruchtbarkeit diskriminiert nicht“, sagte Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus, Generaldirektor der WHO. „Der schiere Anteil der betroffenen Menschen zeigt die Notwendigkeit, den Zugang zur Fruchtbarkeitsversorgung zu erweitern und sicherzustellen, dass dieses Thema in der Gesundheitsforschung und -politik nicht länger an den Rand gedrängt wird, damit sichere, wirksame und erschwingliche Wege zur Erlangung der Elternschaft für diejenigen zur Verfügung stehen, die danach streben.”
Die dringende Notwendigkeit, den Zugang zu medizinisch hochwertiger Fruchtbarkeitsversorgung in einem für alle Bevölkerungsgruppen bezahlbaren Rahmen zu gewährleisten, wurde derweil auch im Bundesgesundheitsministerium erkannt.
Am 31. März konstituierte sich die „Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin“. Das Gremium, das sich aus Medizinern, Psychologen, Soziologen, Gesundheitswissenschaftlern, Ethikern und Rechtswissenschaftlern zusammensetzt, soll aufgeteilt in zwei Arbeitsgruppen die Möglichkeiten der Regulierungen für den Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches (Arbeitsgruppe 1) sowie Möglichkeiten zur Legalisierung der Eizellspende und der altruistischen Leihmutterschaft (Arbeitsgruppe 2) prüfen.
„Ethische Fragen in der Medizin müssen mit dem Fortschritt der Wissenschaft immer wieder neu gestellt und beantwortet werden. Deswegen haben wir eine Kommission berufen, die sich ergebnisoffen mit reproduktiver Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin befassen wird“, erklärt Bundesgesundheitsminister Lauterbach.
Die WHO stellt in ihrem aktuellen Arbeit die Belastungen, Stigmatisierung und finanzielle Schwierigkeiten in den Mittelpunkt und deutet auf die gesundheitlichen wie gesellschaftlichen Auswirkungen hin. Sie drücken sich inbesondere in einer Beeinträchtigung des geistigen und psychosozialen Wohlbefindens aus.
Trotz des Ausmaßes des Problems sind Lösungen für die Prävention, Diagnose und Behandlung von Unfruchtbarkeit – einschließlich assistierter Reproduktionstechnologie wie In-Vitro-Fertilisation (IVF) – nach wie vor unterfinanziert und für viele aufgrund hoher Kosten und begrenzter Verfügbarkeit nicht zugänglich.
In Deutschland, wie auch in den meisten Ländern, werden Fruchtbarkeitsbehandlungen größtenteils aus eigener Tasche finanziert – was oft zu verheerenden finanziellen Kosten führt. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen unter bestimmten Bedingungen die Hälfte der Kosten für drei Behandlungen für Verheiratete.
Menschen in den ärmsten Ländern geben im Vergleich zu Menschen in wohlhabenderen Ländern einen größeren Anteil ihres Einkommens für Fruchtbarkeitsbehandlungen aus. Hohe Kosten hindern Menschen häufig daran, Unfruchtbarkeitsbehandlungen in Anspruch zu nehmen, oder können sie als Folge der Inanspruchnahme von Pflege in die Armut katapultieren.
Der neue Bericht der WHO zeigt auch, dass es in vielen Ländern und Regionen an Daten mangelt. Die braucht es aber, um bei der Quantifizierung der Unfruchtbarkeit zu helfen, sowie um herauszufinden, wer Fruchtbarkeitsbehandlung benötigt und wie Risiken verringert werden können.
Dass die Datenlage in Deutschland derweil besser dasteht, ist verschiedenen Institutionen wie dem IVF-Register zu verdanken. Die Betroffenheit von Unfruchtbarkeit bzw. die Inanspruchnahme künstlicher Befruchtung in Deutschland kann daher recht genau quantifiziert werden: Laut IVF-Register wurden zwischen 1997 und 2020 rund 364.000 Kinder mittels In-Vitro-Fertilisation gezeugt und geboren. Um die Problematik in Gänze zu erfassen, muss die Zahl derer Paare aufgerechnet werden, bei denen es Trotz der Versuche nicht zu einer Geburt kommt sowie derer, die aus Kosten- oder anderweitigen Gründen keine künstliche Befruchtung in Anspruch nehmen.
Ein weiterer Aspekt, bei dem auch weitere ärztliche Arbeit gefragt ist, ist die Aufklärung. Laut dem Kinderwunschzentrum Dortmund glauben lediglich 54 % der Teilnehmer einer Befragung des Allenbach-Instituts, dass die Fruchtbarkeit der Frau erst ab dem 40. Lebensjahr abnimmt. Tatsächlich sinkt die Wahrscheinlichkeit, schwanger zu werden, mindestens ab dem 30. Lebensjahr. Zudem hätten nur 52 % der kinderlosen Paare mit aktuell unerfülltem Kinderwunsch haben deswegen bisher einen Arzt konsultiert.
Dass die Unfruchtbarkeit eines Sechstels der Menschheit folglich nicht zwangsläufig ein gesellschaftliches wie auch gesundheitliches Problem darstellt, bedarf es politischer Weichenstellung und ärztlicher Begleitung.
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