Sport ist gut und wirkt präventiv gegen Herzkrankheiten – stimmt so nicht ganz! Denn wer intensiv Sport betreibt, erhöht womöglich sein Risiko für atherosklerotische Plaques. Wie viel Sport ist noch gesund?
Bereits mehrere Studien konnten zeigen, dass Menschen, die ihr Leben lang intensiv Ausdauersport betreiben, mehr Koronarkalk aufweisen. Eine aktuelle Studie, vorgestellt auf dem ACC Kongress 2023 in New Orleans, bestätigt nun dieses überraschende Phänomen. Auf Sport verzichten sollte man deshalb aber nicht.
Lebenslanger intensiver Ausdauersport scheint nach der aktuellen Datenlage keinen Schutz vor einer Verkalkung der Gefäße zu bieten. Ganz im Gegenteil führte in der Studie ein hohes Sportpensum im Vergleich zu moderater regelmäßiger Aktivität zu einem höheren Auftreten atherosklerotischer Plaques. Der Autor der Studie, Dr. Ruben de Bosscher aus Leuven in Belgien, hat die Ergebnisse der Master@Heart-Studie beim ACC-Kongress vorgestellt; zeitgleich sind sie im European Heart Journal publiziert worden.
Die Datenauswertung der Studie zeigte, dass lebenslange Ausdauersportler eine durchweg höhere koronare Plaquebelastung hatten, einschließlich mehr Plaques in einem proximalen Segment und mehr Plaques mit einer 50%-igen Stenose. Wirft man einen Blick in die Literatur, haben bereits frühere Studien auf dieses Paradox aufmerksam gemacht. Es ist allerdings auch bekannt, dass Leistungssportler im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung eine höhere Lebenserwartung haben. Zudem steht außer Frage, dass körperliche Aktivität viele positive Effekte für die Gesundheit mit sich bringt.
Trotzdem weisen Menschen mit lebenslangen intensiven Trainingseinheiten in Studien vermehrt atherosklerotische Plaques auf. Eine Hypothese, um dieses Phänomen zu erklären, besagt, dass intensive Ausdauersportler zwar mehr Plaques haben, davon aber viele kalzifiziert und stabil sind und sie damit ein geringeres kardiovaskuläres Risiko bergen. Frühere Studien haben die höhere Prävalenz von koronaren atherosklerotischen Plaques bei hochtrainierten Ausdauersportlern im Vergleich zu Nichtsportlern dokumentiert. Bereits 2008 zeigten Forscher, dass 108 männliche Marathonläufer einen höheren Kalzium-Score-Wert hatten als eine gesunde Kontrollgruppe. In der aktuellen Studie von de Bosscher et al. hat sich diese Annahme allerdings nicht bestätigen lassen. In der Studie verglichen die Forscher drei Gruppen:
Die dritte Gruppe war aber, was ihre tägliches Sportpensum betraf, ebenfalls überdurchschnittlich aktiv. Eine Besonderheit der Studie war, dass ausschließlich Männer eingeschlossen wurden, welche keinerlei kardiovaskuläre Risikofaktoren aufweisen durften. Einfach ausgedrückt wurden in der Master@Heart-Studie die Koronarien von herzgesunden Ausdauerathleten mit denen von herzgesunden, sportlich aktiven Menschen verglichen. In diesem Vergleich wiesen die Athleten im Koronar-CT eine höhere Plaque-Last auf. Auch war es für die Masterathleten wahrscheinlicher, dass mindestens eine koronare Plaque vorlag (OR: 1,86, 95%-KI: 1,17–2,94), das galt auch für nicht kalzifizierte Plaques (OR: 1,95, 95%-KI: 1,12–3,40), und gemischte Plaques (OR: 1,78; 95%-KI: 1,06–2,99).
Im Hinblick auf die Zusammensetzung der Plaques zeigte sich, dass die lebenslangen Ausdauersportler ähnlich viele kalzifizierte Plaques aufwiesen wie die Probanden der anderen beiden Gruppen. Die Studienergebnisse unterstützen damit die Hypothese nicht, dass hochtrainierte Ausdauerathleten im Vergleich zu Nicht-Athleten eine günstigere Plaque-Zusammensetzung haben. Keinen signifikanten Unterschied gab es auch im Hinblick auf den Kalziumscore (CAC), wenngleich sich auch hier tendenzielle höhere Werte bei den Athleten nachweisen ließen.
Die Häufigkeit soggenannter vulnerabler Plaques, definiert durch ≥ 2 Risikofeatures, war bei den Masterathleten allerdings signifikant geringer als in der Kontrollgruppe (1 % vs. 6 % waren betroffen, OR: 0,11; 95%-KI: 0,01–0,98). Dies könnte das vermeintliche Paradox doch noch erklären, dass Leistungssportler im Allgemeinen trotzdem als „herzgesünder“ gelten.
Der Studienautor de Bosscher glaubt aber eher an eine andere Theorie, wie der Kardiologe beim Kongress erklärte: Seiner Ansicht nach könnte hinsichtlich der herzgesundheitsfördernden Wirkung von Sport eine J-Kurve vorliegen. Dies bedeutet, wer gar kein Sport treibt, hat das höchste Atherosklerose-Risiko, bei körperlicher moderater Aktivität von bis zu drei Stunden pro Woche ist das Risiko am niedrigsten und mit steigender Intensität kommt es wieder zu einem leichten Anstieg des Risikos.
Den in Studien gezeigten Überlebensvorteil von Ausdauersportlern erklärt er sich damit, dass diese in den Untersuchungen mit der Allgemeinbevölkerung verglichen wurden und das Aktivitätslevel bei vielen Menschen eben gering bis nicht vorhanden ist. Wenn die Überlebensarten solcher Athleten mit denen von sportlich aktiven Menschen verglichen würden, hätten die sportlich aktiven womöglich das niedrigere Sterberisiko, spekulierte der Kardiologie. Ob diese Annahme stimmt, müssen aber erst weitere Studien zeigen. Es wäre wünschenswert, dass das zu untersuchende Patientenkollektiv dann nicht nur auf männliche Teilnehmer beschränkt wird.
Auch wenn noch Klärungsbedarf besteht, ist die Botschaft von de Bosscher et al klar: Niemand ist immun gegen eine koronare Atherosklerose – nicht einmal hochtrainierte Ausdauersportler. Aber auch nur moderate Bewegung kann viel bewirken, um das kardiovaskuläre Risiko zu optimieren. „Das Schlimmste, was Sie tun können, ist gar nichts zu tun“, resümiert der Kardiologe.
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