Bewegung regt den Stoffwechsel an und wirkt entzündungshemmend. Doch was, wenn ein Mangel an Bewegung krank macht? Forscher untersuchten jetzt den Einfluss von Wandern auf Typ-2-Diabetes – und wurden überrascht.
Bei den meisten Menschen mit Diabetes ist die Krankheit durch den Lebensstil bedingt: Eine unausgewogene Ernährung, Übergewicht und Bewegungsmangel gelten als Hauptrisikofaktoren. Körperliche Aktivität kann den Betroffenen helfen, doch viele Betroffene finden keinen Zugang zu Bewegung.
Forscher der Deutschen Sporthochschule Köln wollten daher wissen, wie man Menschen mit Diabetes motivieren kann, Bewegung besser in den Alltag zu integrieren. „Viele Betroffene haben nicht von klein auf gelernt, sich zu bewegen, oder schlechte Erfahrungen gemacht. Oft löst schon das Wort ‚Sport‘ ein Warnsignal aus. Daher ist es besser, zunächst von mehr Bewegung zu sprechen“, erklärt Wissenschaftlerin Frederike Meuffels.
In einer Studie untersuchten Meuffels und ihr Team erstmals Menschen mit Typ-2-Diabetes, die für ein Pilotprojekt pilgerten und bei einer fünftägigen Wanderung auf dem Jakobsweg begleitet wurden. Die Idee war es, über das gemeinsame Wandern einen Zugang zu körperlicher Aktivität zu schaffen und diabetesbedingte Ängste abzubauen. „Wandern ist ein besonderes Naturerlebnis, bei dem nicht unbedingt die sportliche Herausforderung im Vordergrund stehen muss. Man kann es unterschiedlich anstrengend gestalten“, erklärt Meuffels. Weiterhin kann Wandern eine geeignete Einstiegssportart sein, weil es ohne großen Aufwand für die meisten Menschen direkt umsetzbar ist.
Für ihre Pilotstudie begleiteten die Forscher 23 Menschen mit Typ-2-Diabetes auf dem Jakobsweg. Pro Tag legten die Teilnehmer eine Strecke von etwa 25 km zurück. Die neun Frauen und 14 Männer waren im Durchschnitt 66 Jahre alt und seit etwa 15 Jahren an Diabetes erkrankt. Die Mehrheit nahm Medikamente. Zehn der Teilnehmer waren insulinpflichtig, was eine besondere Herausforderung darstellte. Bei ihnen kann es bei längerer oder intensiverer körperlicher Aktivität notwendig sein, die gewohnte Insulindosis oder das Essverhalten anzupassen. „Zucker wird bei Bewegung weitestgehend insulinunabhängig in die Muskeln aufgenommen. Das ist das Tolle daran: Man muss gegebenenfalls weniger Insulin spritzen“, beschreibt Meuffels.
Um den Verlauf der Zuckerkonzentration zu verfolgen, wurden regelmäßig Messungen mit Sensoren zur kontinuierlichen Glukosemessung durchgeführt. Außerdem füllten die Teilnehmer Fragebögen zur Bewertung ihrer Lebensqualität und zum Diabetes-Distress aus. „Jeden Abend gab es eine Tagesbesprechung und die Teilnehmenden konnten sich für den nächsten Tag in eine von drei Wandergruppen einteilen: etwas langsameres Tempo, mittleres Tempo und schnelles Tempo“, beschreibt Meuffels. Dies schien zusätzlich zu motivieren: Alle Teilnehmer schafften die vorgegebene Strecke – ohne gesundheitliche Zwischenfälle. Um einer Unterzuckerung vorzubeugen, reduzierten die Teilnehmer in Absprache mit dem Fachpersonal während der Touren die Menge an Insulin, die sie sich standardmäßig zuführen.
Nach Auswertung der Daten zeigte sich: Wandern ist für Menschen mit Typ-2-Diabetes eine gute Einstiegssportart, steigert das Wohlbefinden und die Lebensqualität und führt bei den Betroffenen zu keiner außergewöhnlichen Belastung im Diabetesmanagement. „Unser zentrales Ergebnis ist also: Eine solche Wandertour ist mit Diabetes gut möglich. Besonders gefreut hat uns, dass sich das Wohlbefinden und die Lebensqualität signifikant verbessert haben und der Diabetes-Distress nicht zugenommen hat“, resümiert Meuffels. Sie vermutet, dass die Gruppendynamik und die individuell anpassbare Geschwindigkeit dazu beigetragen haben, dass alle Teilnehmer ihr Ziel erreicht haben. Sie hofft nun, dass ihre Studie weitere Betroffene zu mehr Bewegung motiviert.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Deutschen Sporthochschule Köln. Hier findet ihr die Originalpublikation.
Bildquelle: Wojciech Then, unsplash