Cannabis-Legalisierung die zweite – bis Ende des Jahres soll es laut Ampel-Koalition so weit sein. Die neue Kontrollinstanz: Deutsche Vereinskultur. Ob das so klappt?
Ob Prag, Amsterdam oder New York: Wer in den internationalen Metropolen durch die Straßen schlendert, der flaniert mittlerweile vielerorts durch Cannabis-Wolken. Damit verglichen ist der Sündenpfuhl Berlin derzeit noch das reinste Abstinenzler-Ghetto, von München oder Heilbronn gar nicht zu reden. Das könnte sich ändern. Insgesamt fünf Minister der Ampel-Koalition haben in den letzten Monaten über dem im Koalitionsvertrag vereinbarten Gesetzentwurf für eine Cannabis-Legalisierung gebrütet. Ganz fertig ist er immer noch nicht, Ende April soll es so weit sein. Die Eckpunkte haben Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (B90/Die Grünen) heute in Berlin aber schon einmal vorgestellt.
Das Ganze hatte einen Vorlauf: Es gab bereits Eckpunkte vom letzten Herbst, in denen ein kommerzielles Vertriebsnetz für Cannabis angekündigt wurde. Damals waren unter anderem die Apotheken als legale Abgabestellen für kommerziell produzierte Cannabis-Produkte im Gespräch gewesen. Diese Eckpunkte, so Lauterbach, habe man dann in „sehr guten Gesprächen“ mit der EU-Kommission erörtert. Um schließlich festzustellen, dass sie mit europäischen Recht nicht ohne Weiteres vereinbar sind. Es folgten ein Rückzug und jetzt die neuen Eckpunkte, die Cannabis (zunächst) aus der kommerziellen Ecke heraus- und in die deutsche Vereinswelt hineinkatapultieren.
Konkret: Noch in diesem Jahr sollen „nicht-gewinnorientierte Vereinigungen“, in der Presse teils „Cannabis Social Clubs“ genannt, entstehen dürfen, die Cannabis unter gesetzlich definierten Rahmenbedingungen anbauen und an Mitglieder – aber nur an diese – abgeben dürfen. Zu den Rahmenbedingungen gehört eine maximale Mitgliederzahl von 500 pro Club, ein Mindestalter von 18 Jahren und eine maximale Abgabe von geerntetem Cannabis (Blüten) von 25 g pro Mitglied und Tag bzw. 50 g pro Mitglied und Monat.
Werden Pflanzprodukte zum Eigenanbau abgegeben, dann dürfen es maximal 7 Samen oder 5 Stecklinge pro Monat pro Mitglied sein. Für Vereinsmitglieder zwischen 18 und 21 Jahren gilt eine reduzierte Abgabegrenze von 30 g pro Monat, außerdem soll es bei dieser Altersklasse noch zu klärende Obergrenzen für den THC-Gehalt geben. Letzteres wird dann voraussichtlich die Auswahl an Sorten einschränken, die den ganz jungen Erwachsenen angeboten werden dürfen. Zuhause schließlich dürfen zwar 7 Samen oder 5 Stecklinge herangezogen werden, es dürfen aber maximal 3 weibliche Pflanzen pro Mitglied blühen, die zudem „vor dem Zugriff durch Kinder und Jugendliche zu schützen“ sind.
Neben dieser nicht-kommerziellen Schiene, die der schnellen Legalisierung von Cannabis dienen und die, so Lauterbach und Özdemir mit Nachdruck, den Schwarzmarkt mit Cannabis-Produkten eindämmen soll, haben die Eckpunkte eine zweite Säule. Mit der zweiten Säule soll am ursprünglichen Ampel-Zielgebäude eines geregelten, kommerziellen Cannabis-Markts, der der EU-Kommission nicht schmeckte, weitergebaut werden, und zwar im Rahmen von Modellprojekten.
Details zu diesen Modellprojekten sollen nach der Sommerpause veröffentlicht werden. Kommunen oder ganze Regionen sollen sich bewerben können – Cem Özdemir nannte beispielhaft eine Bewerbung der Region Franken auf Initiative des bayerischen Ministerpräsidenten. In den Modellregionen soll Cannabis auf Probe und wissenschaftlich begleitet kommerziell – also ohne Cannabis-Vereine mit ihren obligaten Mitgliedschaften und Kleingärtnerei-Konnotationen – abgegeben werden. Die Projekte sind auf fünf Jahre angelegt, und sie sollen langfristig dazu beitragen, die europäische Gesetzgebung weiterzuentwickeln, um dann – irgendwann – einen regulären kommerziellen Cannabis-Markt zu ermöglichen, der nicht gleich von europäischen Gerichten wieder einkassiert wird.
Sowohl Lauterbach als auch Özdemir legten bei der Vorstellung der Eckpunkte viel Wert darauf, dass es nicht darum gehe, neue Probleme zu schaffen, sondern ein existierendes Problem zu lösen. Lauterbach formulierte es so: „Die bisherige Cannabis-Kontrollpolitik ist gescheitert. Beschaffungskriminalität und Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz haben stetig zugenommen. Unser Ziel ist ganz klar mehr Sicherheit beim Cannabis-Konsum. Wir wollen vor toxischen Beimengungen schützen. Wir wollen die Jugend besser schützen. Wir wollen den Schwarzmarkt bekämpfen und die Drogenkriminalität zurückdrängen.“
Was den Jugendschutz angeht, ändere sich an den derzeitigen Verboten nichts, betonte der Minister. Unter 18 Jahren sei auch weiterhin in Sachen Cannabis gar nichts erlaubt. Werde ein Konsum bei Minderjährigen festgestellt, dann werde es verbindliche Präventionsprogramme geben: „Wir sehen immer klarer, welche negativen Konsequenzen der Cannabis-Konsum bei Kindern und Jugendlichen hat“, so Lauterbach. Dies betreffe die schulische Leistungsfähigkeit, aber auch das Risiko für Depressionen, Psychosen und Angststörungen.
Lauterbach ging auch auf die Frage ein, was das deutsche Vorgehen von dem in anderen Ländern, insbesondere im Nachbarland Niederlande, unterscheide: „Wir haben uns beim niederländischen Modell eher daran orientiert, wie man es nicht machen sollte.“ Legalisierte, quasi öffentliche Konsumräume soll es in Deutschland nicht geben, auch nicht im Kontext der Cannabis-Clubs. Konsumiert werden soll im Privaten oder privat in der Öffentlichkeit, letzteres aber nicht in der Nähe von Schulen oder KiTas.
Entscheidender Unterschied zu den Niederlanden sei, dass es im Rahmen der offiziell anzumeldenden Cannabis-Clubs einen qualitätskontrollierten Anbau gebe. „In den Niederlanden wird aus meiner Sicht etwas gemacht, das die Nachteile kombiniert“, so Lauterbach. „Es gibt einen üblen Schwarzmarkt, viel Kriminalität, unsichere Produkte, aber gemeinsamen Konsum. Wir wollen dagegen vom Schwarzmarkt weg.“
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