SCHLAFAPNOE-KLARTEXT | Was können Hausärzte tun, um schlafbezogene Atemstörungen zu diagnostizieren? Und wie berät man Schlafapnoetiker zur Fahrtauglichkeit? Ihr habt gefragt, unser Experte Dr. Lennart Knaack lieferte Antworten.
In der aktuellen Fragerunde in unserem DocCheck CME ging es um das Thema Schlafapnoe. Das Gespräch mit dem Experten fand auch dieses Mal wieder als Live-Stream statt. Mats Klas hat das Ganze moderiert und eure Fragen an unseren Experten Dr. med. Lennart Knaack gestellt. Was unser Experte zu sagen hatte, könnt ihr hier nachlesen.
Ja, die sollten in jedem Fall individuell angepasst werden. Was zu vermeiden ist, ist das Anwenden einer Over-the-counter Boil-and-Bite-Schiene, die der Patient selbst anpasst. Das funktioniert nicht, habe ich selbst probiert. Ein Zahnarzt, der sich kompetent fühlt, sollte den Parodontose-Status, das Kiefergelenk und den Zahnhalteapparat untersuchen und dann muss ein guter Abdruck gemacht werden. Die Schienen sollten in jedem Fall verstellbar sein. Es gibt auch die Möglichkeit, die Schienen zu titrieren. Das sollte man auf keinen Fall den Patienten komplett überlassen. Man sollte den Patienten vorgeben, das im Millimeter-Bereich anzupassen. Die Bettpartnerin oder der -partner berichtet dann oft, der Patient oder die Patientin schnarcht weniger, aber es ist sehr wichtig, dass kontrolliert wird, dass es funktioniert.
Es gibt auch Nebenwirkungen. Am Anfang ist es so, dass man eventuell mehr Speichelfluss hat. Das gibt sich dann aber nach einer gewissen Zeit. Wir nehmen diese Schienen auch häufig für Patienten, die reisen. Die haben die Maske für den Heimbedarf und wenn sie verreisen, nehmen sie Schienen mit. Das kontrollieren wir dann auch. Wir müssen aber darauf hinweisen, dass die Krankenkasse nur eins bezahlt.
Das sehen wir immer wieder, dass Patienten sagen, wenn der Druck über 10 mbar ist, muss ich auf BIPAP gehen. Das ist falsch. Wir haben auch Patienten, die werden mit CPAP-Drücken von 15, 16 mbar behandelt und kommen damit klar. BIPAP-Therapie ist für Patienten mit Komorbiditäten gedacht, wo sie einen gewissen ventilatorischen Effekt haben bzw. Auswascheffekte für CO2 bei COPD oder bei neuromuskulären Erkrankungen. Oder eben auch, wenn Patienten bei der Einstellung Probleme haben. Aber ich würde erst mit CPAP oder APAP beginnen.
Es ist schon ein gewisser Risikofaktor durch das Zurückfallen des Unterkiefers. Aber das Schlafapnoe-Syndrom ist nicht allein durch die Reklination des Unterkiefers bedingt. Mir ist jetzt keine Studie bekannt, die zeigt, dass das Mundatmen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit dazu führt. Da würde ich noch nach anderen Symptomen gehen, insbesondere beim Mundatmen, wenn das unterbrochene Schnarchen auftritt, das explosionsartige Atmen. Das sind Sachen, die wesentlich mehr von den Bettpartnern angegeben werden. Das kontinuierliche Schnarchen ist eigentlich eher ein Zeichen dafür, dass auch bei Mundatmung die Atemwege noch offen sind.
Übrigens ein wichtiger Aspekt: Bei einem Schlafapnoe-Syndrom kann man durch eine Nasenoperation zur Verbesserung der Nasenatmung eigentlich nie die Schlafapnoe behandeln. Man kann die Therapie für die Maske verbessern, aber man muss schon in untere Bereiche reingehen. Diese Widerstandserhöhung der Nase im Schlaf macht dann nur einen Bruchteil aus. Da ist der Widerstand durch die Muskelerschlaffung des Schlunds deutlich wichtiger.
Das ist eine spannende Sache. Wenn sie mit einer CPAP-Therapie die Atemwege nicht freibekommen, kann es tatsächlich sinnvoll sein, die Kollapsneigung der Atemwege durch eine kombinierende Therapie mit einer Unterkiefer-Protrusionsschiene weiter zu stabilisieren. Das heißt, den Kollaps zu verringern, so dass die CPAP-Therapie in dem Druckbereich, der mir zur Verfügung steht, also bis 19 mbar, funktioniert. Das gibt es kasuistisch immer. Man muss aber sehen – und das ist ganz wichtig – warum die Therapie mit der Maske nicht funktioniert. Ist der Therapiedruck falsch oder zu hoch eingestellt, zum Beispiel weil man gleich eine Nasen-Mund-Maske nimmt. Oder ist der Patient intolerant, dann werde ich möglicherweise, wenn ich ihm zusätzlich ein Gerät gebe, keinen Erfolg haben. Aber es gibt Fälle, in denen man das kombinieren kann und wo das auch sinnvoll ist.
Das ist zum Beispiel bei einem sehr übergewichtigen Patienten, der einen hohen Druck braucht, also einen hohen PCRIT hat, der Fall. Da muss ich die mechanische Vorlast reduzieren und dann setze ich eine Unterkiefer-Protrusionsschiene ein, die stabilisiert dann zumindest den Musculus genioglossus und macht dann überhaupt erst die Therapie möglich.
Es gilt immer noch, dass die Polysomnographie – das ist ja die Messung ohne EEG – eine Schlafapnoe oder eine obstruktive schlafbezogene Störung gut diagnostizieren kann. Im gesetzlich Versichertenbereich ist es so, dass die Patienten oft auch direkt auf CPAP eingestellt werden im Schlaflabor und keine diagnostische Nacht mehr brauchen.
Die leichte schlafbezogene Störung, und leider sehen wir das immer wieder, kann nicht mit einer Polygraphie ausgeschlossen werden, weil wir dafür eine EEG-Messung brauchen, um den Zusammenhang zwischen möglicherweise Atemfluss-behindernden Schnarchgeräuschen oder auch ohne Schnarchgeräusche und Weck-Reaktionen festzustellen. Und so steht es auch noch in den Leitlinien.
Wir haben bei der Fahrtauglichkeit bestimmte Fragebögen, wie die Epworth Sleepiness Scale. Das ist ein acht Fragen umfassender Fragebogen. Wenn man da über zehn Punkte hat, dann ist das mit einer erhöhten Schläfrigkeit verbunden und als Risiko zu werten. Dieser Fragebogen hat aber auch Limitationen, wie bei allen introspektiven Schlaf-Fragebögen. Es ist sinnvoll, den Patienten, wenn er klinische Symptome hat, darauf hinzuweisen, dass das einen Einfluss hat auf seine Fahrtauglichkeit und dass er möglicherweise ein erhöhtes Sekundenschlaf-Risiko hat.
Sie dürfen den Patienten das Fahren aber nicht verbieten, da sind Sie gar nicht befugt zu. Was Sie aber machen müssen: aufklären, dokumentieren, und das gegebenenfalls auch mit Zeugen aufschreiben, dass jemand darauf hingewiesen wird, dass er ein erhöhtes Unfallrisiko hat. Dann haben Sie keine rechtlichen Probleme. Wir haben immer wieder Fälle, wo danach gefragt wird. Man muss den Patienten so aufklären, dass Sekundenschlaf auch definiert ist als ein Phänomen, was das erste Mal auftreten und dann tödlich sein kann – auch wenn man keine Vorsymptome gehabt hat. Das ist wichtig.
Die meisten Patienten sagen, ich merke das doch. Wenn jemand 30, 40 Atemaussetzer im Schlaf hat und er ist nicht schläfrig, dann messen wir immer wieder mit objektiven Verfahren wie zum Beispiel dem Pupillen-Unruhe-Index, dass doch eine erhebliche objektivierbare Schläfrigkeit vorliegt. Menschen passen sich an, haben Coping-Strategien. Wenn ich zehn Kaffee trinke, bin ich nicht so schläfrig. Dann meine ich, ich kann auch fahren – aber ich habe ein saumäßig schlechtes Reaktionsvermögen.
Es gibt Patienten, die sind rank und schlank und haben einen BMI von 23 oder 22, dann ist es sinnlos. Aber bei einem BMI von etwa 26, 27 – tatsächlich schon in diesem Bereich – wäre es sinnvoll, fünf Kilo abzunehmen. Es gibt CT-gesteuerte Studien, die zeigen, dass sich das parapharyngealen Fettgewebe reduziert und sich damit, wenn die Atemwege im Schlaf passiver werden, der Umgebungsdruck verringert. Wir haben immer wieder Patienten, die auch in diesen geringen Bereichen sinnvoll durch ein Abnehmen von fünf bis zehn Kilogramm nicht mehr schnarchen, keine Atemaussetzer mehr haben.
Wir wissen, dass die Hypoxie bei einer schweren Schlafapnoe tatsächlich eine Polyglobulie hervorrufen kann. Auch bei Vorhofflimmern gibt es einen Zusammenhang. Es gibt Studien, die zeigen, dass das Auftreten von Vorflimmern über zwölf Jahre signifikant erhöht ist bei dem Auftreten einer mittelschweren bis schweren Schlafapnoe. Sehr beeindruckend ist auch die Rezidivrate. Wenn sie ein intermittierendes Vorflimmern haben und wir machen ein Schlafapnoe-Screening, finden wir oft Patienten. Wenn die Schlafapnoe mit der Maske therapiert wird, dann geht die Rezidivrate zurück.
Die Zahl derjenigen, die einen auffälligen Befund in ihrer Smartwatch haben, dann ein Schlaflabor gehen und sagen, da stimmt irgendwas nicht – und dann ist da tatsächlich was – die steigt. Das ist klar. Denn je mehr Smartwatches ich habe, desto eher wird unruhiger Schlaf gemessen. Aber Vorsicht, eine Smartwatch misst keinen Schlaf. Die misst indirekt über Bewegungsmuster, über Herzfrequenz-Variabilität, über Sauerstoff und Puls-Schwankungen einen unruhigen Schlaf oder einen Schlaf mit besonderen Charakteristika. Um den Schlaf wirklich zu messen ist die arterielle Tonometrie klar überlegen. Ich würde also jemandem, der sagt, ich fühle mich hundemüde, ich schnarche, aber meine Smart-Watch sagt nichts, dem würde ich dringend davon abraten, sich auf seine Smartwatch zu verlassen. Das kann schief gehen!
Es gibt einen Fragebogen, den ich allen Kollegen empfehle, ist der STOP-Bang-Fragebogen. Der fragt zum Beispiel nach Schnarchen, lautem und unterbrochenem Schnarchen. Das findet sich nämlich bei über 95 % der Schlafapnoe-Patienten. Dann Tagesschläfrigkeit: Das ist nicht die normale Schläfrigkeit, die wir abends haben, wenn wir schon lange wach sind, sondern Tagesschläfrigkeit ist so definiert, dass ich bei ausreichender Zeit, die ich schlafe, trotzdem nach kurzer Zeit wieder Schläfrigkeit empfinde – also Einschlafneigung habe. Fettleibigkeit ist ein Risikofaktor, Bluthochdruck und insbesondere fehlende Absenkung des Blutdrucks in der Nacht. Diese Faktoren zusammen ergeben eine riesige Trefferquote. Wer das einfach testen will in der Praxis, sollte diesen STOP-Bang-Fragebogen benutzen, wenn er sich unsicher ist. Damit hat man eine hohe Trefferquote.