Eine neu entdeckte Klasse von Fettmolekülen, sogenannte FAHFAs, soll vor Diabetes und Entzündungen schützen. Da der menschliche Körper sie selbst herstellen kann, könnten die entsprechenden Stoffwechselwege Angriffspunkte für neue Medikamente sein.
Wer zu viel Fett im Körper hat, riskiert Krankheiten wie Diabetes Typ-2 oder Arterienverkalkung. Doch Fett- und Fettsäuremoleküle im Blut müssen nicht immer schädlich sein. Das ist hinlänglich bekannt. Während LDL das Risiko einer Arteriosklerose erhöht, kann HDL die Gefäße vor gefährlichen Ablagerungen schützen. Auch Omega-3-Fettsäuren zählen zu den „guten Fetten“ und sollen das Herz-Kreislauf-System unterstützen sowie einen positiven Einfluss auf Entzündungsvorgänge im Körper ausüben. Der menschliche Körper kann Omega-3-Fettsäuren allerdings nicht selbst produzieren und ist auf ihre Zufuhr aus der Nahrung angewiesen. Wissenschaftler des Salk Institutes und des Beth Israel Deaconess Medical Centers in Boston, USA, haben nun eine völlig neue Fettklasse entdeckt, die sich in die kurze Liste der „guten Fette“ einreihen darf. Denn offenbar hat diese bisher unbeschriebene Fett-Klasse gesundheitsfördernde Eigenschaften.
Auf die heiße Spur hatte die Forscher ein Mausstamm gebracht, der trotz Übergewicht und erhöhter Blutfettwerte nicht an einem Diabetes Typ-2 erkrankte. „Wir hatten diesen Mausstamm genetisch so verändert, dass er größere Mengen eines Zuckertransporters mit dem Namen Glut4 in seinen Fettzellen produziert. Denn wir wussten bereits, dass Menschen mit einer geringen Aktivität dieses Transporters häufiger an Diabetes erkranken“, erklärt Studienleiterin Barbara Kahn. Als die Forscher untersuchten, wie dieser Zuckertransporter vor einem Diabetes schützen kann, entdeckten sie, dass ihre Mäuse mehr Fettsäuren produzierten, die sich offenbar positiv auf ihre Insulinaktivität auswirkten. Um herauszufinden, um welche Art von Fettsäuren es sich handelte, analysierten die Forscher die Substanzen in einem hochauflösenden Massenspektrometer. „Bei den meisten Lipiden gab es keinen Unterschied zwischen normalen Mäusen und unseren Diabetes-resistenten Tieren. Nur eine Lipidklasse war bei den Diabetes-resistenten Mäusen 16-fach erhöht“, berichtet Coautor Alan Saghatelian. Nach ihrer Struktur nannten sie die neu entdeckten Fette „fatty acid hydroxy fatty acids“ oder kurz FAHFAs. „Wahrscheinlich wurde diese Fettklasse bisher noch nicht entdeckt, weil sie in Zellen und Gewebe nur in sehr geringen Konzentrationen vorkommt“, schreiben die Forscher. Denn dazu seien nur modernste Massenspektrometer in der Lage.
Als die Forscher Mäuse mit FAHFAs fütterten, machten sie eine weitere, interessante Entdeckung: Die Blutzuckerkonzentration der Tiere nahm ab, während die Insulinkonzentration zunahm. Das ließ die Forscher vermuten, dass ihre neu entdeckten Lipide möglicherweise auch einen therapeutischen Effekt haben könnten. In einem nächsten Schritt prüften sie, ob FAHFAs auch beim Menschen vorkommen. Ihre Analysen zeigten: Bei Menschen mit einer Insulinresistenz, einer Vorstufe des Typ-2 Diabetes, ist im Fettgewebe und im Blut weniger FAHFA vorhanden als bei gesunden Menschen. „Das legt den Verdacht nahe, dass die Fettmoleküle auch beim Menschen eine wichtige Rolle bei der Entstehung eines Diabetes spielen könnten“, so die Wissenschaftler. Und nicht nur da. Wir konnten zeigen, dass die Lipide über mehrere Mechanismen ihre Wirkung entfalten. Wenn der Blutzuckerspiegel nach einer Mahlzeit ansteigt, stimulieren die Lipide rasch die Ausschüttung von Hormonen, die wiederum den Pankreas dazu veranlassen, Insulin zu produzieren“, so Kahn, und weiter: „Außerdem stimulieren die neuartigen Fettmoleküle direkt die Aufnahme von Zucker in Zellen und reduzieren Entzündungsreaktionen im Fettgewebe und im gesamten Körper.“ Großes, therapeutisches Potential sprechen die Wissenschaftler ihren Lipiden daher zu und denken dabei neben Diabetes auch an entzündliche Erkrankungen wie Morbus Crohn oder rheumatoide Arthritis.
Die Forscher konnten zeigen, dass FAHFAs in geringen Mengen in zahlreichen Gemüse- und Obstsorten, wie auch in anderen Lebensmitteln vorkommen. Doch anders als beispielsweise die Omega-3-Fettsäuren kann der menschliche Körper FAHFAs auch selbst herstellen und verstoffwechseln. Hier sehen die Wissenschaftler mögliche therapeutische Angriffspunkte: „Neue Medikamente könnten genau auf diese Stoffwechselwege einwirken und so das Vorkommen von FAHFAs im Körper beeinflussen“, schreiben sie. In weiteren Versuchen konnten sie den zellulären Rezeptor ausfindig machen, an den FAHFAs binden. GPR120 kontrolliert offenbar, wieviel Zucker in Fettzellen aufgenommen wird. Über eine Erhöhung der FAHFA-Konzentration ließe sich der Rezeptor GPR120 möglicherweise aktivieren und so einen Typ-2 Diabetes behandeln oder verhindern, vermuten die Forscher.
„Mit unserer Arbeit können wir hoffentlich dazu beitragen, neuartige Therapeutika zu entwickeln, die dem Körper helfen, den Blutzuckerspiegel besser zu regulieren“, schreiben die Wissenschaftler. Doch auch als diagnostischer Marker könnten die neuen Lipide zum Einsatz kommen, weil ihre Konzentration im Blut bereits vor dem Ausbruch eines Diabetes abfällt. Kahn und seine Kollegen planen bereits: „Als nächstes wollen wir testen, ob wir durch eine Erhöhung der FAHFA-Konzentration vor der Entstehung eines Typ-2 Diabetes das Risiko dafür reduzieren oder den Ausbruch der Krankheit sogar verhindern können.“