Mit embryonalen Stammzellen der Maus wurde der Aufbau eines Neuralrohrs rekonstruiert. Dafür wurden die Stammzellen in ein dreidimensionales Gel eingesetzt. Anschließend wurde diesem Kulturmedium Retinolsäure zugesetzt. Das Ergebnis: Die Bildung eines lokalen Signalzentrums.
Das zentrale Nervensystem bei Wirbeltieren entwickelt sich aus dem Neuralrohr, welches die Basis für die Differenzierung in Rückenmark und Gehirn darstellt. Prof. Dr. Elly M. Tanaka und ihre Arbeitsgruppe am DFG-Forschungszentrum für Regenerative Therapien Dresden – Exzellenzcluster der TU Dresden (CRTD) – konnten erstmals in vitro ein dreidimensionales Stück Rückenmark aus embryonalen Stammzellen der Maus einwachsen lassen. Es konnte eine korrekte räumliche Anordnung von Motorneuronen, Interneuronen und dorsalen Interneuronen neben den Zellen der Grundplatte gezeigt werden.
Am CRTD erforscht Elly Tanaka mit ihrer Arbeitsgruppe seit Jahren die vielfältige Regenerationsfähigkeit von Axolotln auf molekularer Ebene. Die mexikanischen Schwanzlurche sind unter anderem in der Lage, nach einer Verletzung ihr Rückenmark voll funktionsfähig zu regenerieren. Die Wiederherstellung des Rückenmarks im Axolotl erfolgt in einer dreidimensionalen Struktur, die einem embryonalen Rückenmark gleicht. Alle Zellen im regenerierten Rückenmark wissen aufgrund ihrer Position im Gewebe, welche Funktionen sie nach der Regeneration im Tier übernehmen sollen. „Unsere Erkenntnisse über die Regenerationsfähigkeit des Axolotls haben wir in dieser Studie auf das Säugetier Maus angewandt“, erläutert Tanaka.
Vereinzelte embryonale Stammzellen der Maus wurden in einem dreidimensionalen Gel eingebettet und wuchsen in einem neuronalen Differenzierungsmedium, was zur klonalen Ausbildung neuroepithelialer Zysten führte. Diese siedelten sich im Mittel- und Hinterhirn entlang der neuronalen Achse an. „Unser Ziel war es jedoch, Rückenmark in vitro zu generieren“, berichtet Dr. Andrea Meinhardt, Postdoc am CRTD. „Dazu haben wir bereits am zweiten Tag der dreidimensionalen Zell-Kultivierung Retinolsäure dem Kulturmedium zugesetzt.“ Diese Behandlung führte einerseits dazu, dass die neuralen Zysten in das Rückenmark verschoben wurden und zum anderen zur Bildung eines lokalen Signalzentrums, das für die Entwicklung der verschiedenen Zelltypen des Rückenmarks verantwortlich ist.
„Wir konnten hiermit das erste Mal in vitro den Aufbau eines typischen embryonalen Neuralrohrs rekonstruieren“, so Meinhardt. „Mit dieser Studie sind wir der Idee ein dreidimensionales Rückenmarksstück für die Transplantation beim Menschen zu konstruieren, einen winzigen Schritt näher gekommen“, sagt Tanaka. Originalpublikation: 3D Reconstitution of the Patterned Neural Tube from Embryonic Stem Cells Andrea Meinhardt et al.; Stem Cell Reports, doi: 10.1016/j.stemcr.2014.09.020; 2014