In den USA entfalten Nahrungsergänzungsmittel oft ungeahnte Effekte – dank illegaler Zusätze. Aufsichtsbehörden sind machtlos. Kaum wurden Präparate verboten, erscheinen diese unter neuen Namen erneut - eine Sisyphusarbeit. Apotheker kritisieren jetzt Fehler im System.
Nahrungsergänzungsmittel bewegen sich im Graubereich zwischen Lebensmitteln und Medikamenten. Europaweit greift die Richtlinie 2002/46/EG, wobei Deutschland Details im Lebensmittel- und Futtergesetzbuch (LFGB) festgelegt hat. Gesundheitsbezogene Angaben gelten als unzulässig und wettbewerbswidrig, falls Kriterien der Health-Claims-Verordnung nicht erfüllt werden. Hersteller aus den USA unterliegen ähnlichen Zwängen. Grund genug, Gesetze nach eigenem Gutdünken auszulegen.
Um eine gute Wirksamkeit vorzutäuschen, versetzen sie Schlankheitspülverchen mit Sibutramin. „Rein pflanzliche“ Präparate gegen Stimmungstiefs enthalten teilweise Antidepressiva. Und in Nahrungsergänzungsmitteln zur Leistungssteigerung fanden Apotheker anabole Steroide. Bleiben noch „natürliche“ Potenzpräparate mit Sildenafil. Die US Food and Drug Administration (FDA) zeigt sich mehr oder minder überfordert: Zwei von drei Produkten enthielten nach ihrem Rückruf erneut illegale Substanzen, berichtet Pieter A. Cohen von der Harvard Medical School, Boston.
Dazu ein paar Zahlen: Zwischen Januar 2009 und Dezember 2012 kassierte die FDA 274 unterschiedliche Nahrungsergänzungsmittel ein. Cohen nahm 27 Produkte in seine Studie auf. Er zog rund drei Jahre nach entsprechenden Verkaufsverboten Proben im Einzelhandel. Bei Analysen gemäß FDA-Protokoll fanden Wissenschaftler in 66,7 Prozent aller Fälle mindestens ein künstlich zugesetztes Pharmakon. Nach Indikationen geordnet, standen Mischungen zur Leistungssteigerung an erster Stelle (85 Prozent), gefolgt von Diätpülverchen (67 Prozent) und Pillen zur Verbesserung der sexuellen Leistung (20 Prozent). „Unseres Wissens ist dies die erste Studie, um festzustellen, ob Verfälschungen in Nahrungsergänzungsmitteln enthalten bleiben, nachdem diese von der FDA zurückgerufen worden sind“, so Cohen. Er kritisiert, Überwachungsmaßnahmen seien zu ineffektiv.
Steve Mister vom Council for Responsible Nutrition (CRN), einem Herstellerverband, lässt diese Kritik nicht unbeantwortet. Er spricht von „Einzelfällen“, die meisten der von der FDA abgemahnten Nahrungsergänzungsmittel seien dauerhaft verschwunden. Apotheker aus den USA schenken seinen Worten wenig Glauben. Tatsache ist, dass die FDA zwar Produkte verbietet, aber keine Produktionsanlagen schließt. Firmen verkaufen schon nach kurzer Zeit Nahrungsmittel mit illegalem Zusatz unter neuen Namen.