Symptomatische Patienten mit bikuspider Aortenklappe profitieren vom Aortenklappenersatz. Aber wann ist der optimale Zeitpunkt dafür?
Eine bikuspide Aortenklappe ist der häufigste angeborene Herzklappenfehler, bei dem die Aortenklappe anstelle von drei Taschen nur zwei Taschen besitzt. Dieser Herzklappenfehler kommt bei ca. 1–2 % der Bevölkerung vor und tritt häufiger bei Männern als bei Frauen auf. Die bikuspide Aortenklappe geht sowohl mit Insuffizienzen und/oder Stenosen und daraus resultierenden pathologischen linksventrikulären Dimensions- und Funktionsveränderungen als auch mit einer Dilatation der Aorta ascendens einher.
Im klinischen Alltag ist es für Betroffene wichtig, den optimalen Zeitpunkt für einen Aortenklappenersatz zu finden. Eine Indikation zur Operation einer bikuspiden Aorteklappe besteht bei symptomatischen Patienten und asymptomatischen Patienten mit eingeschränkter Pumpfunktion, wenn gleichzeitig eine weitere Indikation zu einer Herzoperation besteht. Als Schwellenwert galt in der Vergangenheit eine linksventrikuläre Ejektionsfraktion von < 50%. Es wird allerdings diskutiert, ob dieser Wert zu niedrig gewählt ist und betroffene Patienten von einem früheren Zeitpunkt eines Aortenklappenersatzes oder Rekonstruktion profitieren würden. In einer aktuellen retrospektiven Studie konnten Hecht et al. zeigen, dass eine Dysfunktion der linksventrikulären Ejektionsfraktion bei Patienten mit einer bikuspiden Aortenklappe schon bei Werten > 50% beginnen könnte.
In die Studie gingen die Daten von insgesamt 2.672 Personen mit bikuspider Aortenklappe aus einem internationalen Register für bikuspide Aortenklappen ein, von denen 1.493 unter einer relevanten Aortenklappenfehlfunktion litten. Es wiesen 749 Patienten eine isolierte, mindestens mittelgradige Aortenstenose auf; 554 Patienten hatten eine isolierte, mindestens mittelgradige Aorteninsuffizienz, und bei 190 Patienten lag sowohl eine mindestens mittelgradige Aortenstenose als auch eine mindestens mittelgradige Aorteninsuffizienz vor. Das mediane Alter betrug 51 Jahre und 30% der analysierten Personen waren Frauen.
Anhand echokardiografischer Parameter nahmen die Autoren eine Stratifizierung der Patienten mit relevantem Aortenklappenvitium nach der biplan bestimmten linksventrikulären Ejektionsfraktion vor. Von diesen zeigten jeweils 18 %, 45,5 %, 21,2 %, 12,2 % bzw. 3,1 % eine linksventrikuläre Ejektionsfraktion von > 70 %, 60–70 %, 50–59 %, 30–49 % bzw. < 30 %. Der primäre Studienendpunkt war die Gesamtmortalität. Der sekundäre Endpunkt der Studie war die Kombination aus der Gesamtmortalität sowie einer Aortenklappenrekonstruktion bzw. einem Aortenklappenersatz. In der Gesamtkohorte der Patienten mit bikuspider Aortenklappe und relevantem Aortenklappenvitium verstarben innerhalb einer medianen Beobachtungszeit von 56 Monaten 8,8 % der Patienten. Der sekundäre Endpunkt wurde innerhalb einer medianen Beobachtungszeit von 21 Monaten von 51% der Patienten erreicht.
Die Autoren der Studie konnten zeigen, dass sowohl die Gesamtmortalität als auch der kombinierte Endpunkt aus Gesamtmortalität und Aortenklappenrekonstruktion/-ersatz mit einer linksventrikulären Ejektionsfraktion < 60 % signifikant war. Die Forscher führten eine multivariate Analyse der Daten durch. Diese ergab eine stufenweise erhöhte Gesamtmortalität mit abnehmender linksventrikulärer Ejektionsfraktion (im Vergleich linkventrikuläre Ejektionsfraktion 60–70 %: HR 1,83; 95 %-KI 1,03–3,07 für eine Ejektionsfraktion von 50–59 %; HR 1,97; 95 %-KI 1,13–3,41 für eine Ejektionsfraktion 30–49%; HR 4,2; 95 %-KI 2,01-8,75 für eine Ejektionsfraktion unter 30 %).
Wurden die Patienten mit bikuspider Aortenklappe nach Art des Vitiums differenziert, waren die Patienten mit einer isolierten Aortenklappenstenose bzw. isolierter Aortenklappeninsuffizienz ab einer linksventrikulären Ejektionsfaktion unter 60 % ebenfalls gefährdeter. Im Gegensatz dazu zeigte sich eine erhöhte Gefährdung der Patienten mit einer bikuspiden Aortenklappe und einem kombinierten Aortenklappenvitium erst ab einer linksventrikulären Ejektionsfraktion unter 55 %. Eine Begründung hierfür sehen die Autoren der Studie darin, dass das gleichzeitige konzentrische und exzentrische Remodeling-Muster die Toleranz des linken Ventrikels im Hinblick auf die hämodynamische Belastung verbessern könnte.
Zusammenfassend ergibt die Analyse der Studie, dass Patienten mit einer bikuspiden Aortenklappe und einem relevanten Aortenklappenvitium ab einer linksventrikulären Ejektionsfraktion von unter 60 % eine Verschlechterung der Prognose zu erleiden scheinen. Zu einer Abnahme der linksventrikulären systolischen Pumpfunktion kommt es bei einem bestehenden Aortenklappenvitium erst relativ spät. Eine linksventrikuläre Ejektionsfraktion von unter 50 % könnte schon auf ein weiter fortgeschrittenes Stadium hinweisen.
Die Autoren der Studie schlagen eine Anpassung der internationalen Leitlinien mit der Korrektur der Interventionsschwelle hinsichtlich der linksventrikulären systolischen Ejektionsfraktion vor. Bis diese Frage abschließend geklärt ist, zeigen die Daten auch, wie wichtig eine engmaschige Betreuung von Patienten mit bikuspider Aortenklappe ist. Nur wenn regelmäßige echokardiograpische Kontrollen erfolgen, kann eine Dynamik hinsichtlich einer Aortenklappendysfunktion und einer Reduktion der linksventrikulären Ejektionsfraktion zeitnah festgestellt werden.
Quellen:
- Falk V et al., 2017 ESC/EACTS Guidelines for the management of valvular heart disease. Eur J Cardiothorac Surg, 2017. https://academic.oup.com/ejcts/article/52/4/616/4095090
- Hecht S et al., Impact of Left Ventricular Ejection Fraction on Clinical Outcomes in Bicuspid Aortic Valve Disease. J Am Coll Cardiol, 2022. https://www.jacc.org/doi/10.1016/j.jacc.2022.06.032
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