Menschen mit der seltenen Neuromyelitis optica-Spektrum-Erkrankung haben schwere körperliche und psychische Beeinträchtigungen. Aber leiden sie auch an Einschränkungen ihrer kognitiven Fähigkeiten?
An der CogniNMO-Studie, die diese Fragestellung untersuchte, nahmen insgesamt 17 auf die Erkrankung spezialisierte Behandlungszentren in Deutschland teil. Professorin Dr. Corinna Trebst und Dr. Martin Hümmert von der Klinik für Neurologie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH) leiteten die Studie. Die Ergebnisse wurden im Multiple Sclerosis Journal veröffentlicht.
In Deutschland gibt es wenige Tausend Menschen mit Neuromyelitis optica-Spektrum-Erkrankung (NMOSD). Bei dieser Erkrankung handelt es sich um eine seltene Autoimmunkrankheit, die schubförmige Entzündungen des zentralen Nervensystems verursacht. Die Betroffenen leiden unter verschiedenen Einschränkungen wie Sehstörungen, Lähmungen, Inkontinenz und Schmerzen. „Ob ihre kognitiven Fähigkeiten ebenfalls vermindert sind, war bislang nicht eindeutig. Studien hatten dazu unterschiedliche und zum Teil auch widersprüchliche Ergebnisse geliefert“, beschreibt Trebst die Ausgangssituation.
„Wir wollten herausfinden, wie viele Betroffene kognitive Einschränkungen haben, welcher Art diese sind, ob sie im Zusammenhang mit einem Krankheitsschub, einer Depressions- oder Fatigue-Symptomatik auftreten oder von anderen Faktoren abhängen, beispielsweise dem Vorhandensein von Autoantikörpern“, erklärt Hümmert. Außerdem sollte weltweit erstmalig auch der Langzeitverlauf der kognitiven Fähigkeiten untersucht werden.
Die Ergebnisse der CogniNMO-Studie zeigen, dass Menschen mit NMOSD im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung schlechtere Werte bei der visuellen Verarbeitungsschnelligkeit und bei der Wortflüssigkeit erzielen. „Die Häufigkeit der kognitiven Einschränkungen ist mit circa 20 Prozent in mindestens zwei Kognitionstests allerdings deutlich geringer als aus vorherigen Studien angenommen“, erläutert Trebst.
Die kognitiven Einschränkungen stehen in keinem Zusammenhang mit Krankheitsschüben oder mit dem Vorhandensein eines bei 80 Prozent der NMOSD-Erkrankten nachweisbaren Antikörper gegen Aquaporin 4, einem Wasserkanal auf den Astrozyten des Nervensystems. „Darüber hinaus ist die Kognitionsleistung völlig unabhängig von einer Depressions- oder Fatigue-Symptomatik“, stellt Dr. Hümmert fest. Auch eine Verschlechterung der kognitiven Fähigkeiten innerhalb von zwei Jahren sei nicht zu beobachten.
Die Studie wurde von 2015 bis 2021 durchgeführt; insgesamt wurden Daten von 217 Patienten gesammelt und ausgewertet. „Um die kognitiven Fähigkeiten der Teilnehmenden zu erfassen, wurden an den Zentren drei etablierte neuropsychologische Tests durchgeführt“, erläutert Neuropsychologe Prof. Bruno Kopp. „Außerdem erhoben wir demographische und klinische Daten und werteten diese aus“, ergänzt Doktorandin Carlotta Stern. Die Studienteilnehmer nahmen an regelmäßigen Kontrolluntersuchungen im Abstand von circa einem Jahr teil und absolvierten die drei neuropsychologischen Tests erneut – so konnten die Forscher die kognitiven Fähigkeiten im Verlauf der Erkrankung beobachten. Für die Zukunft sind weitere Längsschnittuntersuchungen und der Ausbau der Testbatterie geplant.
Dieser Artikel beruht auf einer Pressemitteilung der Medizinischen Hochschule Hannover. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Dan DeAlmeida, unsplash