In der Apotheke fragen Kunden häufig nach rezeptfreien pflanzlichen Herz-Kreislauf-Medikamenten. Wie sinnvoll sind solche Präparate – sollte man lieber davon abraten?
Da Herz-Kreislauf-Erkrankungen in den Industrieländern bekanntlich für mehr als ein Drittel aller Todesfälle verantwortlich sind, ist es nicht verwunderlich, dass in den Apotheken häufig die Frage gestellt wird, ob man in irgendeiner Weise vorbeugen kann durch die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln oder OTC-Produkten aus der Naturheilkunde. Auch diejenigen, die bereits mit einer Erkrankung in diesem Bereich diagnostiziert wurden, würden häufig gerne noch etwas Pflanzliches zusätzlich einnehmen, um den Körper zu entlasten. Ist hier eine unterstützende Zusatzmedikation sinnvoll – oder ist davon vielleicht sogar abzuraten? Was sagen Studien und Leitlinien?
Zunächst einmal sind die Zahlen des Umsatz-Absatzmarktes interessant, denn pflanzliche Herz-Kreislauf-Medikamente im OTC-Bereich sind hier zwar nicht in der Spitzengruppe vertreten, aber immer noch unter den Top 10 zu finden. Wir werfen einen Blick auf die am häufigsten nachgefragten Mittel.
Zubereitungen aus Weißdornblättern mit Blüten hatten in Deutschland viele Jahre lang einen festen Platz im phytotherapeutischen Bereich, wenn es um die Behandlung eines „Altersherzens“ ging. Auch die Monografie der Kommission E1 sah noch bis zum Jahr 2016 eine Anwendung bei nachlassender Leistungsfähigkeit des Herzens – entsprechend Stadium II nach New York Heart Association (NYHA) – als Indikation für die Einnahme entsprechender Präparate vor.
Dann kamen neuere Daten aus klinischen Studien und es folgte eine Neubewertung durch den Ausschuss für pflanzliche Arzneimittel (HMPC) bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA). Seither sieht die Monografie lediglich noch eine traditionelle Anwendung vor. Weißdorn kann zur Linderung vorübergehender nervöser Herzbeschwerden, zur Besserung des Befindens bei nervlicher Belastung und zur Schlafunterstützung angewendet werden. Wirksam sind hier vermutlich die oligomeren Procyanidine. Für sie hat man in pharmakologischen Untersuchungen moderate vasodilatatorische und positiv inotrope Wirkungen nachweisen können.
Arzneimittel aus Weißdornblättern mit Blüten sollten laut HMPC nur von Erwachsenen bei nervösen Herzbeschwerden sowie von Erwachsenen und Jugendlichen über 12 Jahren zur Besserung des Befindens bei nervlicher Belastung und zur Schlafunterstützung angewendet werden. Man sieht also: Quantifizierte Weißdorn-Extrakte stellen hier ganz klar eine adjuvante Therapie dar, da sie die Symptome der Herzinsuffizienz und die Herzfunktion positiv zu beeinflussen scheinen, sich aber wohl nicht verbessernd auf die Prognose der Erkrankung selbst auswirken. Immerhin sind auch keine schwerwiegenden Nebenwirkungen beobachtet worden, unerwünschte Wechselwirkungen werden aber auch nicht ausgeschlossen.
Es ist zwar nach der Health-Claims-Verordnung verboten, mit Coenzym Q10, also Ubichinon, als herzstärkendes Mittel zu werben, man findet trotzdem immer wieder Produktwerbung, die genau darauf abzielt. Genau das bringt auch Kunden in die Apotheke, die uns fragen, ob sie zur Unterstützung ihrer Therapie vielleicht Q10-Kapseln einnehmen sollten. Es klingt in der Theorie gut, denn Coenzym Q10 wird sowohl bei der Leitung von Signalen innerhalb des Herzmuskels, als auch bei der Energiegewinnung vom Körper benötigt. Außerdem konnte man in verschiedenen Studien die Konzentration von Coenzym Q10 mit dem Schweregrad einer Herzinsuffizienz in Verbindung bringen. Doch auch hier bleibt die Studienlage enttäuschend.
Ein Cochrane-Review aus dem Jahr 2020, das 11 randomisierte kontrollierte Studien mit 1.573 Teilnehmern einschloss, beschreibt dasselbe wie die Nationale Versorgungsleitlinie Chronische Herzinsuffizienz: Es gibt derzeit keine überzeugende Evidenz, die den Einsatz von Coenzym Q10 bei Herzinsuffizienz unterstützen oder widerlegen würde. Wichtiger für die Beratung in der Apotheke ist, dass hier durchaus Wechselwirkungen ins Gewicht fallen können, denn das Coenzym ähnelt strukturell dem fettlöslichen Vitamin K. So könnte die Wirksamkeit verschiedener Medikamente herabgesetzt werden. Wechselwirkungen könnten zudem bei der Einnahme von Theophyllin und bei einer Strahlentherapie auftreten. Auch das Risiko von Blutgerinnseln bei Personen, die Warfarin einnehmen, könnte erhöht sein. Nebenwirkungen wie Bauchschmerzen, Übelkeit, Sodbrennen, Durchfall und Erbrechen, Schwindel, Lichtempfindlichkeit, Reizbarkeit und Kopfschmerzen treten zwar selten auf, kommen gerade bei erhöhter Dosis aber vor.
Bei Omega 3 scheiden sich die Geister. Bei jeder neu herausgekommenen Studie wird entweder behauptet, Omega 3 sei wirkungslos, oder habe im Gegenteil eine gute Wirkung gezeigt. Eine schöne, umfangreiche und systematische Cochrane-Übersichtsstudie zeigt die neuesten Erkenntnisse bezüglich der Auswirkungen einer erhöhten Aufnahme von Fisch- und pflanzlichen Omega-3-Fettsäuren auf die Gesamtmortalität, kardiovaskuläre Ereignisse, Adipositas und Lipide.
Eine Evidenz von moderater und niedriger Vertrauenswürdigkeit deutet darauf hin, dass das Risiko für die Mortalität und Ereignisse bei koronaren Herzkrankheiten durch die Aufnahme von Omega-3-Fettsäuren leicht gesenkt wird. Auch die Serumtriglyceride und das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse und Herzrhythmusstörungen sinken leicht. Diese Erkenntnisse reichen für die deutschen Leitlinien allerdings nicht, da sich „in Metaanalysen von RCTs kein konsistenter Wirksamkeitsnachweis für patientenrelevante Endpunkte (Mortalität, kardiovaskuläre Events) ergab“. Auch hier könnte man aber immerhin davon ausgehen, dass die Einnahme nicht schadet und keine gravierenden Neben- oder Wechselwirkungen nach sich zieht.
Ernüchternd: Auch für Myrobalan (Terminalia arjuna), Carnitie und Taurin gilt, dass ein Wirksamkeitsnachweis für klinische/patientenrelevante Endpunkte (Mortalität, Hospitalisierungen, Lebensqualität) nicht identifiziert werden konnte. Das gleiche darf man für Vitaminsupplemente annehmen, es sei denn, es handelt sich um einen Ausgleich dokumentierter Mangelzustände.
Für die evidenzbasierte Beratung in der Apotheke bleiben also gerade einmal zwei eher schwach bewertete Produkte übrig, nämlich Weißdornpräparate mit einem standardisierten Extrakt und Omega-3-Kapseln. Die Aufklärung über Nutzen und Risiken komplementärer und alternativer Medikamente sollte laut Leitlinie eigentlich auch Bestandteil der Patienteninformation und -schulung ärztlicherseits sein. Das Problem bei der eigenmächtigen Einnahme solcher Nahrungsergänzungsmittel – die teilweise auch im Supermarktregal liegen, wo sie ganz ohne Beratung verkauft werden – ist die Adhärenz bei der empfohlenen Therapie.
Nehmen die Patienten nämlich ein Nahrungsergänzungsmittel in dem Glauben ein, dass es sie von der Erkrankung befreit, dann könnten sie zu der Annahme kommen, dass sie auf diese Weise ihr ärztlich verordnetes Medikament entweder reduzieren oder gleich ganz weglassen können. Daher raten die Autoren der Leitlinie vom Gebrauch zusätzlicher oder alternativer Substanzen auch explizit ab, selbst wenn sich eine moderate Evidenz feststellen lässt. Bei guter Beratung und dem Hinweis, dass die verordneten Medikamente auf jeden Fall regelmäßig weiter genommen werden müssen, dürfte aber nichts gegen die Abgabe der genannten zwei OTC-Produkte sprechen.
Allgemein gehört zu solch einer Beratung aber auch der Hinweis auf eine gesunde Ernährung, ausreichend Bewegung und der Abbau von starkem Übergewicht und Stress. Dies ist vermutlich im Ranking, wenn es um die Prävention von Her-Kreislauf-Erkrankungen geht, wichtiger als die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln.
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