In Nordrhein fehlen Approbierte, PTA und PKA. Standesvertreter machen mit einer Imagekampagne mobil, verschweigen aber wichtige Informationen. Mit lautstarken Aktionen allein ist es nicht getan. Wichtiger wäre, die Attraktivität von Apothekenberufen zu erhöhen.
Beim Deutschen Apothekertag 2014 in München hatten die Landesapothekerkammer und der Thüringer Apothekerverband zusammen mit der Apothekerkammer Nordrhein große Pläne. Sie beantragten, ihr Spitzenverband möge eine bundesweite Imagekampagne starten, um Jugendliche für Apothekenberufe zu begeistern. Der Plan schlug fehl. Zwölf Monate zuvor hatten Delegierte einem ähnlichen Antrag aus Thüringen zwar zugestimmt, aus haushalterischen Gründen setzte jedoch niemand entsprechende Ideen um. Jetzt ergreifen Kollegen aus Nordrhein selbst die Initiative.
Die Idee dahinter: Apothekerkammer und Apothekerverband Nordrhein haben beschlossen, Kollegen selbst zu Werbebotschaftern zu machen. Alle teilnehmenden Apotheken erhalten Aufsteller, Plakate und Infomaterialien. Damit sollen sie mit jungen Menschen und mit deren Eltern in Kontakt treten. Bundesweit kommen rund 3,6 Millionen Kunden pro Tag in eine öffentliche Apotheke, berichtet die ABDA. Was liegt näher, als dieses gewaltige Potenzial für Werbung in eigener Sache zu nutzen? Gleichzeitig gehen Infopakete an Schulen in Nordrhein, die sich in der Nähe von Universitäten mit pharmazeutischer Fakultät, PTA-Lehranstalten oder PKA-Berufskollegs befinden. Kammerpräsident Lutz Engelen sieht in der Aktion Chancen, Laien zu vermitteln, welche Bedeutung öffentliche Apotheken haben: „Eine qualifizierte, hochwertige, flächendeckende und wohnortnahe Versorgung mit Arzneimitteln ist auch in Zukunft eine der zentralen Aufgaben im Gesundheitsbereich. Diese kann nur durch das Wissen und die Leistungsbereitschaft einer ausreichenden Zahl von Apothekern und pharmazeutischen Mitarbeitern sichergestellt werden.“ Genau hier liegt der Hund begraben.
Thomas Preis, Vorsitzender des Apothekerverbands Nordrhein hält „pharmazeutisch hochqualifizierte und beratungsstarke Apotheker sowie gut ausgebildete PTAs und PKAs“ für unverzichtbar. Gleichzeitig lobt er „Arbeitsplätze mit Jobgarantie im Wachstumsmarkt Gesundheit“. Weitere Argumente sind für ihn die „wohnortnahe Teilzeitarbeit“ beziehungsweise die „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“. Klingt gut – wenn da nicht ein Haken wäre: Hamburgs Kammerpräsident Kai-Peter Siemsen hatte DAT-Anträge auf bundesweite Imagekampagnen mit Hinweis auf „Schönheitsfehler“ abgelehnt. Tatsächlich nagen etliche PTA-Lehranstalten am Hungertuch und entkamen mehrfach nur knapp der Insolvenz. PKA-Berufskollegs werden langsam rar – viele kaufmännische Fachkräfte drücken heute zusammen mit Drogisten die Schulbank. Und Pharmaziestudierende? Deren Zahl stieg von 12.052 (2008/2009) auf 14.183 (2012/2013). Apotheker sind keine Mangelware. Trotzdem sorgen sich ältere Inhaber seit Jahren, wer ihre Apotheke übernehmen könnte. Der vermeintliche Widerspruch hat mehrere Gründe.
Junge Apothekerinnen und Apotheker legen heute mehr Wert darauf, Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen, als noch vor zehn oder zwanzig Jahren. Teilzeitmodelle sind für beide Geschlechter stark im Kommen. Die eigene Apotheke hat als Modell jedoch viel an Attraktivität eingebüßt. Wer sich für eine Karriere im Angestelltenverhältnis entscheidet, wird von niedrigen Gehältern abgeschreckt und sucht sein Heil in der Wirtschaft. Bei PTA und PKA kommt erschwerend hinzu, dass systematische Weiterbildungsprogramme fehlen, um mehr Verantwortung und letztlich auch ein höheres Einkommen zu erzielen. Ihnen bleibt ebenfalls nur die Flucht in andere Tätigkeitsfelder außerhalb öffentlicher Apotheken.
Keine überraschenden Erkenntnisse – nur sträuben sich Verantwortliche gegen Reformen. Beispielsweise hält die Bundesapothekerkammer (BAK) bei PTA eine duale Ausbildung an Berufsschulen nicht für sinnvoll – das Niveau könnte deutlich sinken. Standesvertreter lassen an möglichen Fachhochschulgängen auch kein gutes Haar, sie befürchten einen nicht erwünschten Wandel innerhalb der Apothekenberufe. Mehr Kompetenz, mehr Verantwortung, mehr Gehalt – davor scheint man Angst zu haben. BAK-Vertreter lehnen längere Ausbildungszeiten ebenfalls ab und sind nur bereit, Inhalte etwas zu entstauben. Beim Pharmaziestudium sieht es nicht besser aus: Obwohl vier von fünf Jugendlichen später in die öffentliche Apotheke gehen, will Bernd Clement, Vorsitzender des Verbandes der Professoren an Pharmazeutischen Hochschulinstituten der Bundesrepublik Deutschland (VdPPHI), von einer Novellierung der Approbationsordnung nichts wissen. Für Pharmazeuten im Praktikum sieht die Sache nicht besser aus. Sie lernen in ihrer Ausbildungsapotheke viel oder wenig – je nach Engagement des Inhabers. Um mehr Qualität zu schaffen, bieten manche Kammern eine Zertifizierung zur akademischen Ausbildungsapotheke an – auf freiwilliger Basis, versteht sich. Viele Baustellen – ein Resümee: Wer jetzt Werbekampagnen initiiert, macht Apothekenberufe auch nicht attraktiver, die Enttäuschung kommt bei Jugendlichen früher oder später. Vertreter aus Politik, Apothekerschaft und Ärzteschaft sollten zusammen mit Schulen und Hochschulen längst überfällige Reformen angehen.