Immer mehr Menschen leiden an Typ-2-Diabetes. Damit kommt üblicherweise eine Insulinresistenz. Was, wenn man das verhindern könnte?
Weltweit bekommen immer mehr adipöse Menschen Typ-2-Diabetes. Bevor es zu Diabetes kommt, entwickelt sich bei Betroffenen aufgrund einer chronischen Entzündung des Fettgewebes zunächst eine Insulinresistenz als Vorstufe.
Forscher um Prof. Jan Tuckermann vom Institut für Molekulare Endokrinologie der Tiere der Universität Ulm haben jetzt im Mausmodell nachgewiesen, dass sich die Insulinresistenz erhöht, wenn Fresszellen bestimmte Cortison-Rezeptoren fehlen. Diese Grundlagenforschung könnte zu besseren Diagnosemöglichkeiten und einer optimierten Behandlung von Insulinresistenz führen. Die deutsch-dänische Studie wurde in der Fachpublikation Nature Communications veröffentlicht.
Mit zunehmendem Wohlstand und der Verfügbarkeit kalorienreicher Lebensmittel breitet sich Typ-2-Diabetes auch in Schwellenländern aus. Die WHO schätzt, dass sich die Zahl der an Diabetes erkrankten Menschen zwischen 1980 und 2014 beinahe vervierfacht hat, von 108 auf 422 Millionen. „Aber nicht alle dicken Menschen sind automatisch insulinresistent“, sagt Tuckermann. Welche körpereigenen Faktoren vor Insulinresistenz schützen können, ist Gegenstand seiner Forschung.
Bei einer solchen Resistenz produziert die Bauchspeicheldrüse zwar noch Insulin, um den Blutzuckerspiegel zu senken, aber das Hormon kann nicht mehr richtig wirken. Denn die Botschaft, dass Zucker aus dem Blut aufgenommen und in die Zellen gebracht werden muss, kommt bei den zuständigen Glukosetransportern nicht mehr an, das Insulin wirkt schlechter. Wie kann man die oftmals aus einer Insulinresistenz hervorgehende Entstehung von Typ-2-Diabetes verhindern?
Zu einer Insulinresistenz kommt es durch eine chronische, niederschwellige Entzündungsreaktion im Fettgewebe. Die Entzündung entsteht, wenn zu viele Makrophagen im Fettgewebe sind, um abgestorbene Zellen zu beseitigen. „Im Mausmodell konnten wir zeigen, dass der Glukokortikoid-Rezeptor in Fresszellen im Fettgewebe entscheidend für die Unterdrückung der Entzündung und damit für die Vermeidung ernährungsbedingter Insulinresistenz ist“, sagen die beiden Studien-Erstautoren Giorgio Caratti und Ulrich Stifel.
Glukokortikoide sind Cortisol-ähnliche, stark entzündungshemmende Hormone, die direkt in den Makrophagen wirken. Ihre Studie haben die Forscher an hochkalorisch gefütterten und stark übergewichtigen Mäusen durchgeführt, deren Fettgewebe subklinisch entzündet war und die gentechnisch so verändert wurden, dass ihnen der Glukokortikoid-Rezeptor in Fresszellen fehlt. Die körpereigenen, anti-entzündlichen Stoffe konnten dort also nicht mehr andocken und in die Zellen hineinwirken.
Die Wissenschaftler wiesen nach, dass der Verlust des Rezeptors bei Mäusen zu einer stärkeren Entzündung im Fettgewebe und einer ausgeprägteren Insulinresistenz führt als bei nicht veränderten Tieren. Ergänzend haben die Forscher tierfreie Experimente mit Gewebekulturen durchgeführt. „Es ist schwierig, solche Forschung komplett außerhalb vom Tier zu machen“, erläutert Tuckermann. Denn: „Cortison wirkt im ganzen Körper.“ Die Ergebnisse müssen noch im Menschen validiert werden.
Ein weiteres, unerwartetes Ergebnis: „Der Glukokortikoid-Rezeptor ist nicht alleine für die anti-entzündlichen Effekte verantwortlich, sondern ist in seiner Wirkung stark vom Signalprotein STAT 6 abhängig, das ebenfalls anti-entzündlich wirkt“, betont Dr. Alexander Rauch von der University of Southern Denmark.
Was bedeutet das für die Diagnose und Behandlung von Insulinresistenz beim Menschen? „Wenn es uns gelingt, Cortison bei dickleibigen Menschen zellspezifisch genau an diese Makrophagen zu bringen, könnte es möglich sein, die Insulinresistenz zu senken“, sagt Tuckermann. Möglicherweise ergeben sich aus der Grundlagenforschung auch neue Diagnosemöglichkeiten: Dünne Mäuse haben mehr Glukokortikoid-Rezeptoren in Makrophagen und dadurch eine niedrigere Insulinresistenz. „Wir glauben, das könnte beim Menschen ähnlich sein.“
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Universität Ulm. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
Bildquelle: Maksim Shutov, unsplash