Patienten mit fortgeschittener pAVK sind häufig unterversorgt. Das gilt besonders für Frauen, wie eine Studie jetzt zeigt.
Wer an der peripheren arteriellen Verschlusskrankheit (pAVK) als Folge der Arteriosklerose, leidet, wird in Deutschland leider häufig nicht leitliniengerecht und daher mangelhaft versorgt. Besonders für Frauen mit einer pAVK im fortgeschrittenen Krankheitsstadium der „kritischen Extremitätenischämie“ trifft dies zu. Das ist das beunruhigende Ergebnis einer Untersuchung von AOK-Krankenkassendaten zu rund 200.000 stationär an pAVK behandelten Patientinnen und -Patienten.
In diesem Stadium der pAVK treffen oftmals mehrere Risikofaktoren wie Diabetes mellitus, Bluthochdruck, Rauchen und Fettstoffwechselstörungen (hohes LDL-Cholesterin) sowie Begleiterkrankungen wie chronische Herz- oder Niereninsuffizienz zusammen. „Wir konnten in unserer Analyse zeigen, dass die Mangelversorgung von Männern und Frauen mit pAVK sowohl die Diagnose als auch Therapie und Nachsorge umfasst. Allerdings ist das bei Frauen noch deutlicher ausgeprägt als bei Männern“, berichtet die Erstautorin der Studie Dr. Lena Makowski von der Klinik für Kardiologie I am Universitätsklinikum Münster. Ihre im European Heart Journal publizierte Arbeit hat diese Defizite in der Versorgung von Patientinnen und Patienten mit pAVK offengelegt.
„Die Versorgungsanalyse von Dr. Makowski und Kollegen liefert nicht nur ein genaues Bild der Versorgungssituation bei Männern und Frauen mit pAVK über einen Zeitraum von neun Jahren, sondern trägt aufgrund ihrer Forschungsergebnisse auch zu einer besseren leitliniengerechteren Versorgung von Menschen mit pAVK bei“, betont der Kardiologe Prof. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung. So sollen die Ergebnisse der Arbeit in den neuen Leitlinien zur Versorgung bei pAVK implementiert werden. In Deutschland leiden vier bis fünf Millionen Menschen an der tückischen Durchblutungsstörung der Gefäße. Mit der pAVK geht ein hohes Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall einher.
Ausgangspunkt für die Versorgungsanalyse der Münsteraner Forscherin und ihres Teams war die Erkenntnis, dass wissenschaftliche Arbeiten in den letzten Jahrzehnten zwar geschlechtsspezifische Unterschiede bei der Erkrankungshäufigkeit und im Krankheitsverlauf von pAVK-Patientinnen und -Patienten zeigen konnten, Frauen aber in randomisiert kontrollierten Studien deutlich unterrepräsentiert sind.
Bedenkt man mit Blick auf die AOK-Daten, dass pAVK im Stadium der kritischen Extremitätenischämie meist mit Bluthochdruck (90 %) und bei etwa der Hälfte der Betroffenen mit weiteren Risikokrankheiten wie Diabetes (54 %), Fettstoffwechselstörung (58 %) oder Begleiterkrankungen wie Koronare Herzkrankheit (KHK) (58 %), chronische Herzinsuffizienz (45 %) oder Niereninsuffizienz (49 %) einhergeht, ist eine weitreichende Mangelversorgung dieser Patientengruppe ein alarmierendes Signal.
So ergab die Analyse der AOK-Patientendaten von Anfang 2010 bis Ende 2017 und einer Nachverfolgung bis 2018, dass Frauen in diesem pAVK-Stadium und der Hospitalisierung im Durchschnitt zwar fast acht Jahre älter waren als Männer (81 vs. 74 Jahre), dafür aber häufiger an einer kritischen Extremitätenischämie litten und insgesamt jedoch seltener im Krankenhaus behandelt wurden. Bei ihrem ersten Krankenhausaufenthalt wegen pAVK erhielten Frauen seltener eine diagnostische Angiographie (67 % vs. 70 %) oder eine Wiederherstellung des Blutflusses (Revaskularisierung) katheterbasiert über die Leistenarterie oder offen chirurgisch (61 % vs. 65 %). „Dabei werden diese diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen im pAVK-Stadium der kritischen Extremitätenischämie dringend empfohlen. Die Revaskularisation ist hier die Standardtherapie und entscheidend, um eine Amputation zu verhindern“, betont die Biologin und Versorgungsforscherin Dr. Makowski.
Die Studie legt auch nahe, dass bei der medikamentösen Therapie ein Versorgungsdefizit zulasten der Frauen besteht. Untersucht haben Dr. Makowski und ihr Team die Verschreibungsrate der in den Leitlinien empfohlenen Statine und oralen Antikoagulanzien zur Verhinderung schwerwiegender Komplikationen wie Herzinfarkt und Schlaganfall sowie Gefäßkomplikationen in den Beinen. Schon für beide Geschlechter insgesamt war die Verschreibungsrate nach der Behandlung im Krankenhaus, also nach gesicherter Diagnose der pAVK, zu niedrig (Statine: 57 %; Blutverdünner: 71 %). Doch bei den Frauen war die Verschreibungsrate nochmals deutlich niedriger als bei Männern (Statine: 51 % vs. 62 %; Blutverdünner: 68 % vs. 73 %).
In der neunjährigen Nachbeobachtungszeit der Studie war überraschenderweise bei den Frauen mit pAVK trotz der schlechteren Versorgung die Überlebensrate höher und die Amputationsrate geringer im Vergleich zu den Männern. „Allerdings zeigt unsere Versorgungsanalyse auch, dass die pAVK von ärztlicher Seite unterschätzt und oft zu spät oder gar nicht diagnostiziert und häufig nicht leitliniengerecht behandelt wird“, so Dr. Makowski. Dadurch verschlechtere sich „dramatisch“ die Prognose der Betroffenen.
Die Gründe dafür sind vielfältig. Insbesondere die Multimorbidität von pAVK-Patienten, die mehrere Organ- und Gefäßerkrankungen zugleich aufweisen, trage dazu bei und stelle Mediziner zum Beispiel bei der Medikamententherapie vor Herausforderungen. Frauen wiesen zudem häufig längere asymptomatische Krankheitsverläufe oder atypische Symptome auf, was die Diagnosestellung und somit die rechtzeitige Therapie der pAVK verzögere. Weitere Forschungsarbeiten am Universitätsklinikum Münster sollen sich dieser Problematik widmen, um die Versorgung von pAVK-Patientinnen und -Patienten zu verbessern.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Deutschen Herzstiftung. Die Originalpublikation haben wir euch hier und im Text verlinkt.
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