Die Staublunge gehört nicht der Vergangenheit an: Berufskrankheiten der Atemwege sind aktueller denn je. Die häufigsten Krankheitsbilder und Auslöser auf einen Blick.
Arbeitsmediziner führen schätzungsweise zehn bis 30 Prozent aller erworbenen Atemwegs- und Lungenerkrankungen auf berufliche Risikofaktoren zurück. Zu den wichtigsten Berufserkrankungen gehören laut Spitzenverband der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung Infektionserkrankungen (153.821 Verdachtsmeldungen), Asbestose (3.132), Silikose (924) sowie allergische Atemwegserkrankungen (1.060). Die Zahlen stammen aus dem Jahr 2021.
Zahlreiche Stoffe am Arbeitsplatz können allergisches Asthma bronchiale hervorrufen oder bestehende Erkrankungen verschlimmern. Dazu zählen Lebensmittel oder deren Ausgangsstoffe, etwa Mehlstaub. Viele Chemikalien, seien es Reiniger, Chemikalien der Pharma- und kunststoffverarbeitenden Industrie, Farbstoffe oder Chlor, zeigen ähnliche Eigenschaften. Wissenschaftler kennen mehr als 400 Allergene, die in unterschiedlichen Branchen vorkommen.
Um Auslöser zu identifizieren, ist oft eine detaillierte Spurensuche erforderlich. Arbeiten Patienten etwa in verschiedenen Bereichen des Betriebs, kommt es nur in unregelmäßigen Abständen zur Exposition und damit zu Beschwerden. Auch während längerer Pausen durch Umstellungen der Produktion klingen die Symptome wieder ab. Gibt es erste Verdachtsmomente, können Ergebnisse von Peak-Flow-Messungen nach 14-tägiger Exposition und nach 14-tägiger Zeit außerhalb des Betriebs verglichen werden. Das weitere diagnostische Repertoire umfasst unspezifische bronchiale Provokationen und Biomarker.
Als Goldstandard in der Diagnostik des Berufsasthmas gilt die spezifische Exposition, wie Arbeitsmediziner Prof. Dennis Nowak zusammen mit Kollegen in einem Übersichtsbeitrag schreibt. Diese sei „wegen ihres Aufwands aber vorrangig gutachterlichen Fragestellungen vorbehalten“.
Forscher bringen auch COPD mit beruflichen Risikofaktoren in Zusammenhang – kein reines Leiden von Rauchern. „Die Expositionsanamnese bei COPD-Patienten hört nicht bei der Erhebung des Raucherstatus auf, sondern auch ein Raucher kann eine COPD als Berufskrankheit haben“, erklären Nowak und seine Koautoren. Zu den bekanntesten Auslösern einer COPD zählen anorganische oder organische Dämpfe, Gase, Stäube und Rauche, etwa Kohle, Siliciumdioxid, Stäube in der Landwirtschaft oder in Firmen mit Baumwollverarbeitung. Sie kann auch Folge einer Silikose, einer Asbestose oder anderer beruflich bedingter Lungenerkrankungen sein.
Der Nachweis einer arbeitsbedingten COPD unterscheidet sich nicht von der bekannten Diagnostik sonstiger COPD-Formen. Neben der Lungenfunktionsanalyse setzen Pneumologen auf körperliche Untersuchungen, Lungenfunktionsdiagnostik, Bildgebung und Blutuntersuchungen.
Zahlreiche Erreger, mit denen Menschen beruflich in Kontakt kommen, sind ebenfalls Risikofaktoren für Erkrankungen der Lunge und der Atemwege. Ärzte, Pflegekräfte und Labormitarbeiter sind besonders gefährdet.
In den letzten Jahren war SARS-CoV-2 das wichtigste Pathogen. Beschäftigte im Gesundheitswesen können sich auch mit zahlreichen anderen Erregern anstecken. Jenseits von Corona hat Tuberkulose die größte Bedeutung. Arbeiter in der Landwirtschaft wiederum infizieren sich durch staubförmige, tierische Ausscheidungen mit dem Bakterium Coxiella burnetii, Auslöser des Q-Fiebers. Auch hier entspricht die Routinediagnostik den Methoden bei Infektionen aus nicht-beruflichen Ursachen.
Zahlreiche anorganische oder organische Stäube führen mitunter zu interstitiellen Lungenerkrankungen. Als Herausforderung bleibt, Noxen zu identifizieren – und nicht nur von idiopathischen Ursachen auszugehen. „Der hohe Anteil arbeitsattributabler Ursachen bei der vordergründig idiopathischen Lungenfibrose ist Mahnung zu konsequenteren arbeitsanamnestischen Erhebungen“, schreiben Nowak und Kollegen.
Neben der Expositionsanamnese selbst helfen auch klinische und bildgebende Untersuchungen, um Ursachen aufzuspüren. Besonders häufig sind anorganische Pneumokoniosen wie Silikosen oder Asbestosen. Arbeitsmediziner kennen zudem Siderosen (durch Eisenstaub beim Schweißen ausgelöst), Talkosen (durch Talk-Stäube ausgelöst), Berylliosen, Aluminosen (durch Metallstäube ausgelöst) und viele mehr. Organische Stoffe gewinnen auch hier an Bedeutung. Ein Beispiel: In Betrieben, die Popcorn herstellen, haben verschiedene Aromastoffe bei Arbeitern zur „Popcorn-Lunge“ (Bronchiolitis obliterans) geführt.
„Bei Krebserkrankungen der Lunge gilt es, neben dem leicht und rasch erhobenen und routinemäßig quantifizierten Faktor Rauchen eine qualifizierte Arbeitsanamnese zu erheben“, schreiben die Arbeitsmediziner um Nowak. Unterschiede zur Diagnostik anders erworbener maligner Erkrankungen gebe es nicht. Asbest und Quarz zählen zu den häufigsten Auslösern.
Bleibt als Fazit: Die Diagnose berufsbedingter Lungenerkrankungen erfordert in der Regel eine umfassende, aufwändige Bewertung der Situation. Ärzten steht zwar ein großes Spektrum diagnostischer Methoden zur Verfügung, doch es gibt eine kaum überblickbare Zahl an Noxen. Ärzten bleibt nur – bestenfalls zusammen mit dem Betrieb – herauszufinden, welche Stoffe ursächlich infrage kommen.
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