Mit einer Chemikalie verunreinigtes Wasser soll in den USA für zahlreiche Parkinson-Fälle verantwortlich sein. Was ist dran?
Mitte der 80er Jahre entdeckten Umweltbehörden auf dem Militärstützpunkt Camp Lejeune in North Carolina, USA, dramatisch erhöhte Werte verschiedener Chemikalien im Trinkwasser. Darunter befand sich neben anderen flüchtigen organischen Verbindungen auch Tetrachlorethen (TCE), das in der Industrie als Lösungsmittel eingesetzt wird und als krebserregend gilt. Aber nicht nur das: Es gibt Hinweise darauf, dass die Chemikalie auch das Risiko für Morbus Parkinson erhöht.
Ob sich diese Vermutung bei Veteranen des Stützpunktes Camp Lejeune bestätigen lässt, wollte der Neurologe Samuel Goldman wissen. Er beschäftigt sich schon seit Jahren mit der Krankheit und führte bereits mehrere Studien zum Thema TCE und Parkinson durch, allerdings bisher nur in kleinem Rahmen. Jetzt, knapp 40 Jahre nachdem die Brunnen in Camp Lejeune versiegelt wurden, hat er mit seinem Team eine Studie in JAMA Neurology veröffentlicht, die fast 172.000 Probanden einschließt – nämlich die Veteranen, die zwischen 1975–85 auf dem Stützpunkt stationiert waren. Diese verglichen die Forscher hinsichtlich des Parkinson-Risikos mit mehr als 168.000 Veteranen, die zur gleichen Zeit im Stützpunkt Pendleton in Kalifornien arbeiteten, wo es kein kontaminiertes Trinkwasser gab.
Die überwiegend männlichen Probanden waren durchschnittlich 2 Jahre in den jeweiligen Camps stationiert und im Schnitt 20 Jahre alt, als sie begannen, dort zu arbeiten. Die monatlichen Durchschnittswerte von TCE in der Wasserversorgung des Stützpunkts lagen um mehr als das 70-Fache über der zulässigen Menge, heißt es in der Studie. Als Kontaminationsquellen nennen die Forscher undichte unterirdische Lagertanks, Abfalldeponien und eine chemische Reinigung außerhalb des Stützpunkts.
Mehr als drei Jahrzehnte später wurde bei 279 Veteranen aus Camp Lejeune und 151 aus Camp Pendleton die Parkinson-Krankheit diagnostiziert. Das entspricht einer Prävalenz von 0,33 % bzw. 0,21 %. In ihrer Analyse hatten Veteranen aus Camp Lejeune ein um 70 % höheres Risiko für die Parkinson-Krankheit als Veteranen aus Camp Pendleton (OR 1,70; 95 % KI, 1,39–2,07).
„Diese hochwertige Kohortenstudie liefert den ersten bevölkerungsbasierten Beweis für die Hypothese, dass TCE eine Parkinson-Krankheit verursachen kann“, kommentiert Dr. Natasha Fothergill-Misbah vom Population Health Sciences Institute der Newcastle University die Studie. „Sie ergänzt die gut dokumentierten Beweise, dass TCE auch krebserregend ist.“
Alastair Noyce, Professor of Neurology and Neuroepidemiology von der QMUL, macht auf die Limitationen aufmerksam: „Dies ist zwar ein wichtiger Beleg für die weitere Erforschung des Zusammenhangs zwischen TCE und Morbus Parkinson, aber die Stärke des Zusammenhangs schwächt sich erheblich ab, wenn man sich auf Fälle von Morbus Parkinson beschränkt, die vor 2017 festgestellt wurden.“ Dies sei bemerkenswert, weil 2017 das Jahr war, in dem die Nachricht von der Kontamination und den potenziellen Gesundheitsrisiken veröffentlicht wurde. Das Wissen um die Kontamination könnte daher den beobachteten Zusammenhang teilweise erklären, meint Noyce.
Zurückhaltender über die Studie drückt sich auch Dr. Chris Morris vom Translational and Clinical Research Institute der Newcastle University aus. Er ist lieber vorsichtig, allein aufgrund der Studienergebnisse anzunehmen, dass TCE zur Entstehung von Parkinson beiträgt. Er sagt: „Obwohl es sich um eine große Studie mit über 300.000 Personen handelt, sind nur etwa 400 Personen an Parkinson erkrankt. Das entspricht in etwa dem, was man angesichts des Alters der Betroffenen normalerweise finden würde.“ Dies könne darauf hindeuten, dass es sich bei diesem Befund lediglich um ein zufälliges Ereignis handelt. Morris fasst zusammen: „Viel größere und umfangreichere Studien werden nötig sein, um einen endgültigen Beweis zu erbringen.“
Bildquelle: Jos Speetjens, unsplash