Ein Gendefekt führt bei Patienten mit Hämophilie zu einem Mangel an Gerinnungsfaktoren. Bislang mussten sich Betroffene das Protein ein Leben lang spritzen. Hämatologen berichten nun von einer vielversprechenden Gentherapie.
Bei Hämophilie kann jeder Sturz oder Kratzer zu lebensbedrohlichen Blutungen führen. Bislang mussten Betroffene regelmäßig den fehlenden oder defekten Gerinnungsfaktor spritzen. Schon früh versuchten Forscher deshalb, intakte Gene über virale Vektoren in den Körper zu bringen. Die Strategie funktionierte zwar, hatte aber nur einen schwachen Effekt. Außerdem erkrankten mehrere Personen an Blutkrebs.
Forscher berichten jetzt von Erfolgen eines neuen Therapiesystems von Spark Therapeutics und Pfizer. Sie verwendeten einsträngige Adeno-assoziierte Viren (AAV), in deren Erbgut sie unter anderem einen Abschnitt für den Blutgerinnungsfaktor IX (FIX) einbauten. Sie verwendeten aber nicht das normale Gen, sondern eine Version, die zu einer biologisch aktiveren Variante dieses Blutgerinnungsfaktors führt. Zehn Männer, die an Hämophilie B erkrankt waren, erhielten das Konstrukt als Infusion. Sie wurden bis zu 18 Monate lang beobachtet. Innerhalb dieser Spanne konnten acht der zehn Patienten ihre Gerinnungsfaktoren absetzen. Professor Dr. Johannes Oldenburg, Direktor des Instituts für Experimentelle Hämatologie und Transfusionsmedizin (IHT) am Universitätsklinikum Bonn, fasst die Ergebnisse zusammen: „Zum einen wurden mit der Gentherapie bei Hämophilie B-Patienten erstmalig dauerhaft hohe FIX-Aktivitäten von im Mittel mehr als 30 Prozent erreicht. Zum anderen zeigten die Patienten – bis auf zwei Ausnahmen mit einem moderaten Anstieg der Leberwerte – keine nennenswerte Immunantwort gegen das Virus-Capsid.“
„Für die Studienpatienten bedeutete die FIX-Aktivität von 30 Prozent, dass insbesondere spontane Blutungen nicht mehr auftraten und intravenöse Gaben von FIX-Gerinnungsfaktorenkonzentrat praktisch nicht mehr notwendig waren“, ergänzt Oldenburg. „Dies ist gleichzusetzen mit einer Heilung von spontan auftretenden Blutungen.“ Wie er berichtet, seien Gaben von Gerinnungsfaktoren nur noch bei Unfällen oder chirurgischen Eingriffen nötig.
Längerfristige Aussagen sind derzeit dennoch nicht möglich. Das betrifft nicht nur die Frage, ob FIX-Aktivitäten auf einem dauerhaft hohen Niveau bleiben. Ob es langfristig zu weiteren Nebenwirkungen kommt, ist ebenfalls offen. Oldenburg bewertet den verwendeten Vektor als „sehr sicher“: „Er ist in der verwendeten Form sehr spezifisch für Hepatozyten und integriert nicht in das Genom, sondern bleibt als sogenanntes Episom ein separater Bestandteil der Erbinformation der Zelle.“ Jetzt warten Ärzte und Patienten mit Spannung auf aussagekräftige Langzeitdaten.