Eine Stuhltransplantation schützt bei Infektionen mit C. difficile vor Rezidiven. Jetzt wird die Methode auch bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen getestet. Schafft sie es in den Praxisalltag?
Wie so vieles im Leben, ist auch ein gesunder Darm ein Balance-Akt. Gerät das intestinale Mikrobiom aus dem Gleichgewicht, ist der Weg für pathologische Mechanismen und Mikroben geebnet. Oftmals entsteht eine solche Dysbiose nach der Einnahme von Antibiotika. Bei vielen Menschen erholt sich die Darmflora nach einer Antibiose schnell – es gibt aber auch Patienten, bei denen das nicht der Fall ist. Bei ihnen gewinnen ansonsten unproblematische Bakterien die Oberhand. Eine dieser Bakterienarten ist Clostridioides difficile. Im Kindesalter besiedelt der Keim noch den Darm von bis zu 80 % der Menschen, im Erwachsenenalter tragen ihn nur noch bis zu 5 % in ihrem Verdauungstrakt. Viele Erwachsene kommen während eines Krankenhausaufenthaltes mit C. difficile in Kontakt, etwa 20–40 % der Patienten sind danach infiziert, die meisten asymptomatisch. C. difficile wird deshalb auch als Krankenhauskeim bezeichnet.
Bei einigen verursacht das Bakterium jedoch Enteritiden mit starken Durchfällen. Die Clostridien sondern Toxine in den Darm ab – die so ausgelöste pseudomembranöse Kolitis kann mit schwerem, blutigem Durchfall einhergehen, auch ein toxisches Megacolon kann entstehen. In Deutschland liegen die Infektionszahlen Schätzungen zufolge bei 4.000 bis 16.000 Fällen pro Jahr, im Jahr 2016 wurden dem Robert Koch-Institut insgesamt 2.337 schwere Verlaufsformen gemeldet.
Behandelt wird die Überbesiedlung dann wiederum mit Antibiotika – ein Vorgehen, was durchaus erfolgreich ist, aber auch zu einem Teufelskreis führen kann. „Nachdem eine Person mit einer C.-difficile-Infektion mit Antibiotika behandelt wurde, besteht eine etwa 25-prozentige Chance, dass sie in den nächsten acht Wochen eine weitere C.-difficile-Infektion erleidet“, erklärt Gastroenterologe Aamer Imdad von der Upstate Medical University in New York. „Das Risiko eines erneuten Auftretens erhöht sich nach der zweiten Episode auf etwa 40 Prozent und nach der dritten Episode auf fast 60 Prozent.“ Imdad leitete das neue Cochrane-Review, in dem sechs klinische Studien zur Behandlung dieser Darminfektionen analysiert wurden. Und tatsächlich scheint es eine Therapie zu geben, mit der dieser Teufelskreis unterbrochen werden kann: die Stuhltransplantation. „Eine Stuhltransplantation kann die Dysbiose umkehren und so das Risiko eines erneuten Auftretens der Krankheit verringern“, so Imdad in einer Pressemitteilung.
Bei einer Stuhltransplantation, auch fäkale Mikrobiom-Transplantation (FMT) genannt, wird gesunder Spenderstuhl in den Darm eines Patienten mit Dysbiose übertragen. Zuvor muss der Spender, wie auch bei der Blutspende, auf Infektionen und Hinweise auf Erkrankungen untersucht werden. Die Stuhlspende kann über eine nasogastrale oder nasoduodenale Sonde, eine Koloskopie, einen Einlauf oder in Form von Kapseln stattfinden. Die FDA ließ kürzlich ein FMT-Präparat zur Vorbeugung des Wiederauftretens von C. difficile zu, das als Einlauf verabreicht werden kann.
Das Cochrane-Review von Imdad und seinen Kollegen verglich Daten aus sechs klinischen Studien mit insgesamt 320 Erwachsenen. In den Analysen aus Dänemark, den Niederlanden, Italien, Kanada und den Vereinigten Staaten wurde die Wirksamkeit und Sicherheit einer Stuhltransplantation zur Behandlung von wiederkehrenden Infektionen mit C. difficile untersucht. In den meisten Fällen verglichen die Wissenschaftler die FMT mit einer Behandlung mit dem Antibiotikum Vancomycin. Dabei führte die Stuhltransplantation im Vergleich zu den anderen Behandlungen zu einer rund doppelt so hohen Heilungsrate und einer Verringerung der Nebenwirkungen im Vergleich zur Standardbehandlung mit Antibiotika. Die Vertrauenswürdigkeit der Evidenz nach GRADE hierfür wurde von den Autoren als moderat eingestuft.
Imdad wirkte außerdem an einem weiteren Cochrane-Review mit, welches sich mit der Stuhltransplantation zur Behandlung von entzündlichen Darmerkrankungen wie Colitis ulcerosa und Morbus Crohn befasst. Bei Colitis ulcerosa ergab sich ein Nutzen der FMT, um eine Phase mit klinischer Remission einzuleiten, die Evidenz hierfür war allerdings nur von geringer Vertrauenswürdigkeit. Noch schlechter ist die Evidenzlage für eine längerfristige Remission, ebenso wie zum Einsatz von FMT bei Morbus Crohn – hierzu fanden die Autoren lediglich eine einzige kleine Studie.
„Die Ergebnisse bestätigen die bisherige Einschätzung, dass FMT insbesondere bei einer Infektion mit C. difficile, hocheffektiv und sicher ist“ kommentiert Prof. Andreas Stallmach, Direktor der Klinik für Innere Medizin IV am Universitätsklinikum Jena, die Ergebnisse der Reviews. „Für Morbus Crohn gab es bisher keine Evidenzen, dass FMT effektiv ist, das zeigt auch […] dieses Review. Für Patienten mit Colitis ulcerosa war das Ergebnis so wie erwartet: Das Review bestätigt, dass es sich um ein effektives und sicheres Behandlungsverfahren handelt.“
Stallmach sieht jedoch das Problem in der Umsetzung hierzulande: „In Deutschland wird FMT als Gabe eines Medikaments bewertet, allerdings gibt es derzeit keine zugelassenen Arzneimittel, die darauf basieren.“ Wer es als Arzt verwenden möchte, könne das bisher also nur im Rahmen eines individuellen Heilversuches. Dieser muss nach den Vorschriften im Arzneimittelgesetz ablaufen. „Das bedeutet, dass ich die Medikation in meiner eigenen Verantwortung für einen bestimmten Patienten herstellen und einsetzen muss. Da stellt sich die Frage: Wer soll für den Aufwand und Qualitätskontrolle zahlen?“ Da die FMT nicht im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen aufgeführt sei, kämen diese Erstattungen nicht in Frage. „Der Patient muss also selbst zahlen.“
Der Arzt erklärt: „Zu der Frage, wie FMT als individueller Heilversuch abzulaufen hat, hat sich das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte geäußert. Es gibt eine lange Liste an Anforderungen, die abgearbeitet werden müssen.“ Es müssten beispielsweise Erkrankungen des Spenders ausgeschlossen werden. Ist der Spender gesund, müsse die Stuhlspende bei minus 80 Grad in Quarantäne. Nach acht Wochen werde der Spender erneut auf Infektionen getestet. „Erst wenn dann alles in Ordnung ist, kann die Behandlung durchgeführt werden.“ Die Herstellungskosten lägen damit deutlich über 1.000 Euro und bestünden im Wesentlichen aus Spender-Screening-Kosten.
„Ein Mangel an Standardisierung oder die Übertragung von Erregern sind also in Deutschland nicht das Problem – denn beides kann man mit einem Protokoll gut beantworten und die Sicherheit für die Patienten garantieren“, sagt Stallmach. Ein hoher methodischer Aufwand bedeute aber sehr hohe Kosten.
Außerdem sieht er in der konkreten Umsetzung durch den Patienten ein weiteres Problem. „Die […] FDA hat für die USA im November ein Medikament namens Rebyota zugelassen, eine Möglichkeit, einen Rückfall einer durch C. difficile verursachten Darmentzündung zu verhindern.“ Für die Patienten sei die Anwendung sehr aufwändig. „Das Fertigpräparat muss tiefgefroren aus einer Apotheke abgeholt und zuhause selbst aufgetaut werden. Der verflüssigte Stuhl von sorgfältig ausgewählten Spendern wird dann mit einem Applikationsset verabreicht. Aufgrund der komplexen und schwierigen Zubereitung sowie der Liefer- und Applikationsbedingungen bin ich mir nicht sicher, ob kurzfristig eine Ausweitung nach Europa stattfindet.“ Zudem sei die Effektstärke in den Zulassungsstudien überraschend niedrig gewesen, der Unterschied zur Placebogruppe habe nur etwa 15 % betragen. „Die Effektivität eines klassischen FMTs ist in den Studien höher.“
Fazit: Für die Therapie von C.-difficile-Infektionen hat es die Stuhltransplantation bereits in praktisch alle Empfehlungen und Leitlinien geschafft – zu Recht. Die Anwendung der Methode wird aber, auch im Falle chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen, wohl vorerst nur in spezialisierten Zentren routinemäßig umsetzbar sein.
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