Das Multiple Myelom (MM), auch Plasmozytom oder Morbus Kahler genannt, stellt nach non-Hodgkin-Lymphomen und Leukämien die dritthäufigste hämatologische Neoplasie dar.1 Die Inzidenz ist seit Jahren konstant und lag 2018 bei ca. 6,7 Frauen und 8,6 Männern pro 100.000 Einwohner:innen. Im selben Jahr lag die Zahl der Neuerkrankungen bei etwa 2.800 Frauen und 3.500 Männern.2 Nur sehr wenige Patient:innen sind unter 45 Jahre alt (etwa 1,5 % aller Fälle).2 Das mediane Erkrankungsalter betrug 2018 für Männer 72 und für Frauen 74 Jahre.3
Beim Multiplen Myelom handelt es sich um eine maligne hämatologische Erkrankung, bei der eine einzelne Plasmazelle ausgehend vom Knochenmark zu einer Tumorzelle entartet. Sie vermehrt sich ungehemmt und bildet eine monoklonale Zellpopulation, die genetisch identisch ist.4 Diese monoklonale Zellpopulation führt zu einer Überproduktion von vollständigen oder unvollständigen monoklonalen Immunglobulinen, den sogenannten M-Proteinen oder Paraproteinen (Monoklonale Gammopathie). Diese sind im Urin und/oder Blut nachweisbar. M-Proteine können sich im Blut, Urin oder anderen Organen anreichern und zu Nierenfunktionsstörungen und Infekten führen. Auch Osteolysen und Anämien können die Folge sein.3,5
Die Myelomerkrankung wird nach dem Paraproteintyp eingeteilt. Dabei gibt es drei Möglichkeiten:
Die Prävalenz der Paraproteintypen ist wie folgt:
Die Symptome des Multiplen Myeloms sind unspezifisch und können sehr variieren. Da es keine Früherkennungsmethoden gibt, ist die Diagnosestellung erschwert.3 Nicht selten bestehen Beschwerden Monate bevor die Diagnose gesichert werden kann. Beschwerdefrei sind bei Diagnosestellung dagegen ca. 25 % der Patient:innen.6,7
Typische Symptome des Multiplen Myeloms sind:8
Die Ätiologie ist nach wie vor nicht geklärt. Als mögliche Risikofaktoren werden eine hohe Exposition u. a. gegenüber ionisierender Strahlung, Pestiziden und Produkten der Petrochemie/Gummiverarbeitung, sowie Adipositas und chronische Infektionen diskutiert.9,10 Eine Häufung lässt sich in der afroamerikanischen Bevölkerung der USA finden, die eine etwa doppelt so hohe Inzidenz im Vergleich zur kaukasischen Bevölkerung aufweist. In China ist die Inzidenz am geringsten. Bei Verwandten ersten Grades konnte ein erhöhtes Erkrankungsrisiko nachgewiesen werden, abgesehen davon ist eine familiäre Häufung jedoch selten.3
Die Einleitung einer Therapie ist bei symptomatischem Multiplem Myelom nach den Kriterien der International Myeloma Working Group (IMWG) indiziert. Bestandteil der Definition sind die sogenannten CRAB-Kriterien, erweitert durch radiologische und serologische Parameter (SLiM Kriterien).
Tabelle 1: Kriterien zur Einleitung einer Therapie [IMWG, 2014; SLiM-CRAB Kriterien]. Modifiziert nach 3.
Aktuell gilt die Hochdosischemotherapie mit nachfolgender autologer Stammzelltransplantation in der Erstlinientherapie bei Patientinnen und Patienten, die für eine Transplantation geeignet sind, als Methode der Wahl. Zudem hat die Kombination konventioneller und neuer Wirksubstanzen (z. B. Zytostatika, Kortikosteroide, immunmodulierende Wirkstoffe, Proteasominhibitoren, Antikörper) zu einer bedeutenden Verbesserung der Behandlungsergebnisse geführt. Als Therapieoption kann in späteren Therapielinien auch eine CAR-T-Zelltherapie zum Einsatz kommen, die die Fähigkeit der T-Zellen zur Abtötung der Tumorzellen nutzt.3,11
Welche Therapie in Frage kommt, hängt jeweils vom Krankheitsstadium sowie vom Alter und Allgemeinzustand der Patient:innen ab und muss individuell festgelegt werden.
Das MM ist in den meisten Fällen nicht heilbar. Die relative 5-Jahres-Überlebensrate liegt bei 56 % bei Männern und 54 % bei Frauen.2 Die Stadieneinteilung des Multiplen Myeloms findet nach dem Revised International Staging System (R-ISS) anhand des Serumalbumins, des beta 2-Mikroglobulins im Serum, der LDH und zytogenetischer Aberration in drei Prognose-Stadien statt.3 In den letzten Jahren konnten die neuen Therapiemöglichkeiten jedoch für eine deutliche Verlängerung des progressionsfreien Überlebens (PFS) und des Gesamtüberlebens (OS) sorgen.12
Deep Dive: Services für Pflegekräfte
Weitere spannende Informationen rund um das Multiple Myelom speziell für hämatologische Pflege- und Fachkräfte zum Lesen und Hören:
→ MM Hintergrundwissen
Erkrankung, Diagnose und Therapie
→ Podcast-Folge 43
MM – Patient:innen ganzheitlich begleiten
→ Podcast-Folge 38
MM – Patient:innen in der onkologischen Pflegesprechstunde ganzheitlich begleiten
→ Podcast-Folge 7
Besonderheiten bei der Betreuung von Patient:innen mit oralen Tumortherapien
HE-DE-2300105
Referenzen: