Die Regierung plant eine 4-Wochen-Termingarantie auf Facharzttermine. Ein Thema, das ebenso emotional wie kontrovers diskutiert wird. Anlass für DocCheck Research nachzuforschen, was Kassenpatienten selbst tun können, um zeitnah einen Termin zu erhalten.
Die Aufnahme der Wartezeitenverkürzung in das Regierungsprogramm zeigt deutlich, dass Berlin in den Facharztpraxen Missstände wittert. Und das wird natürlich durch Zahlen belegt. Die Bundestagsabgeordnete Nicole Maisch von Bündnis 90/Die Grünen glaubt beispielsweise, in einer Studie nachgewiesen zu haben, dass Kassenpatienten in Hessen 2013 im Schnitt ganze 36 Tage auf einen Facharzttermin warten mussten, wo Privatpatienten 16 Tage warteten. Insgesamt wurden im Rahmen der Studie 470 Praxen angerufen und um einen Termin gebeten, jeweils einmal im Namen von GKV-Patienten und einmal von PKV-Patienten.
Auf das keineswegs überraschende Ergebnis reagiert nun Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe. Er plant, Kassenpatienten eine „Garantie“ darauf zu geben, innerhalb von vier Wochen einen Termin beim Facharzt zu bekommen. Patienten, denen es nicht gelingt, selbst einen Termin innerhalb dieser Frist zu erhalten, und die eine Überweisung durch ihren Arzt vorweisen können, sollen künftig eine Servicestelle bei der Kassenärztlichen Vereinigung anrufen können. Diese muss dann einen Termin innerhalb der nächsten 4 Wochen fixieren. Gelingt das nicht, soll der Patient die notwendige Behandlung im Krankenhaus erhalten – bezahlt vom Budget der niedergelassenen Medizinerkollegen. Denn Strafe muss sein. Ein Vorschlag, den Frank Ulrich Montgomery, der Präsident der Bundesärztekammer, kritisch sieht. Er möchte zwar auch dafür sorgen, dass zumindest Patienten mit Überweisungen künftig innerhalb von 4 Wochen einen Facharzttermin bekommen, wie er in einem aktuellen Interview mit der rheinischen Post bestätigte. Eine Regelung über Gesetze lehnt er jedoch ab. Stattdessen geht er davon aus, dass die Bundesärztekammer das Problem selbst in den Griff bekommen kann. Ein erster Schritt in diese Richtung wurde mit den sogenannten dringlichen Überweisungen gemacht, die garantieren sollen, dass Patienten in Not nach Konsultation des Hausarztes schneller an einen Facharzttermin kommen.
Eine Maßnahme, die durchaus Wirkung zeigt, wie die aktuelle DocCheck Research-Studie bestätigt. Insgesamt wurden im Rahmen der im August und September durchgeführten Online-Studie 61 medizinischen Fachangestellte zu ihrem Verhalten bei der Terminvergabe befragt. 87 % der befragten MFAs gaben an, dass eine Überweisung mit Dringlichkeitshinweis durchaus hilfreich sei, um schneller an einen Termin zu kommen. Aber auch der Patient selbst kann die Terminvergabe positiv in seinem Sinne beeinflussen. So sagten ebenfalls 87 % der Befragten, dass ein ausdrückliches Betonen einer vorliegenden Notfallsituation – etwa indem der Patient über Schmerzen klagt – eine Priorisierung zur Folge haben kann. Auch eine Terminanfrage über den Hausarzt kann, laut Meinung von 74 % der Befragten, durchaus effektiv sein. Eine der befragten MFAs berichtet aus eigener Erfahrung: „Wenn wir für uns oder einen Patienten einen Termin beim Facharzt ausmachen sollen, bekommen wir im Schnitt 2-3 Wochen schneller einen Termin, als wenn der Patient alleine anruft.“ Mittlerweile bieten auch einige Krankenkassen einen Terminservice an. Diesen Weg zu gehen, halten jedoch nur 16 % der MFAs für vielversprechend – der Einfluss des behandelnden Hausarztes wird deutlich größer eingeschätzt. Und wie überall gilt auch hier: Vitamin B schadet nie. Rund die Hälfte der Befragten hält es für hilfreich, wenn sich der Patient als Bekannter oder Freund eines Praxis-Mitarbeiters ausweisen kann. Darüber hinaus gibt jeder Vierte der Befragten an, dass man durchaus früher an einen Termin kommen kann, wenn die Behandlung privat finanziert wird. Wenn keine dieser Maßnahmen in Frage kommt, da es entweder keine medizinische Indikation für eine Priorisierung gibt oder das Arzthonorar nicht aus privater Tasche bezahlt werden soll, hilft nur noch guter Umgangston. So bestätigt rund die Hälfte der MFAs, dass freundliches Bitten einen Effekt auf die Terminvergabe hat. Rund jeder Vierte lässt sich auch durch den Aufbau einer persönlichen Beziehung am Telefon oder schlichtweg Weinen zu einer früheren Terminvergabe erweichen. Eher kontraproduktiv ist ein zu forderndes Auftreten. Auch häufige Anrufe dürften in den wenigsten Fällen den gewünschten Effekt haben. Eine der befragten MFAs brachte es wie folgt auf den Punkt: „Anrufen, ruhig und freundlich das Anliegen und die Symptome schildern. Nicht jammern, nicht fordernd werden, nicht unverschämt oder laut. Die Arzthelferin freundlich und mit Respekt behandeln, sie arbeitet nach Anweisungen ihres Chefs.“ Eigentlich eine Selbstverständlichkeit, sollte man meinen, doch leider nicht immer Usus.
Ob Kassenpatienten auch in Zukunft nur mit kleinen Tricks zum Termin kommen oder ob ihnen regulierungsfreudige Gesundheitspolitiker beispringen, muss sich zeigen. Noch ist fraglich, ob der Gesetzesentwurf der großen Koalition 1:1 umgesetzt werden wird. In den nächsten Tagen und Wochen werden sicherlich noch einige hitzige Debatten geführt werden. Insbesondere die geplante Verlagerung der Patienten in die Kliniken dürfte zu einigem Unmut führen, zumal es sich bei den zusätzlichen Patienten im Vergleich eher um leichtere Fälle handeln wird, die grundsätzlich auch in Praxen gut versorgt werden könnten. Aber auch, dass die KVen finanziell in die Pflicht genommen werden sollen, wenn es mit der schnellen Terminvergabe nicht klappt, dürfte für Konflikte sorgen. Incipiant spectacula!