Nahtoderfahrung, künstlicher Winterschlaf und ein Gelähmter, der wieder laufen kann – das Gehirn spielt bei diesen Themen die Hauptrolle. Erfahrt in unseren Nerd News, was es damit auf sich hat.
Erzählungen über Nahtoderfahrungen kennt wohl jeder: Oft ist es ein Licht am Ende des Tunnels, von dem sich der Sterbende magisch angezogen fühlt, mal eine außerkörperliche Erfahrung oder ein Film über das eigene Leben, der im Schnelldurchlauf vorbeizieht. Warum es überhaupt zu diesem mysteriösen Phänomen kommt, oder was genau dabei im Gehirn passiert, ist noch nicht hinreichend geklärt – die Sache ist naturgemäß schwierig zu untersuchen. Hypothesen gibt es aber schon.
Hat das Herz endgültig aufgehört zu schlagen, wird das Gehirn nicht mehr mit ausreichend Sauerstoff versorgt. Doch die neuronale Hirnaktivität nimmt keinesfalls sofort ab, sondern steigt kurz nach dem Herzstillstand nochmal an. Das haben Forscher schon in früheren Arbeiten, unter anderem bei Ratten zeigen können. Dabei scheinen die sterbenden Hirne insbesondere Gamma-Wellen zu produzieren – sie sind ein Kennzeichen des Bewusstseins und können bei geistiger Anstrengung, Erinnerungsprozessen oder beim sogenannten luzidem Träumen auftreten.
Diese Gehirnaktivität scheint auch bei Menschen nach dem Herzstillstand ein letztes Mal aufzuflammen. Das berichten Forscher in PNAS. Bei zwei von vier komatösen, sterbenden Patienten beobachteten sie mittels EEG ebenfalls einen starken Anstieg der Gamma-Wellen, der minutenlang anhielt, nachdem ihr Herz bereits aufgehört hatte zu schlagen. Diese Studie liefert den Autoren zufolge weitere Hinweise dafür, dass Menschen eine gewisse Bewusstseinsstufe beibehalten können, die mit traumähnlichen Erfahrungen einhergehen, wenn sie sterben – und könnte hinter dem Phänomen Nahtoderfahrung stecken.
Zur Studie geht’s hier.
In Science-Fiction-Filmen fliegen Astronauten wie selbstverständlich im künstlichen Winterschlaf zu weit entfernten Galaxien. In der Realität ist man zwar noch lange nicht so weit, aber geforscht wird trotzdem fleißig. Jetzt ist es einem Team gelungen, Mäuse und Ratten mittels Ultraschall in einen winterschlafähnlichen Zustand zu versetzen. Das ist insofern interessant, als dass es sich erstmals um eine nicht-inasive Methode handelt, die beim Menschen leicht umzusetzen wäre.
Die Forscher führten ihre ersten Tests an Mäusen durch, die auch von Natur aus in den winterschlafähnlichen Zustand – Torpor genannt – fallen, wenn widrige Umweltbedingungen herrschen. Einige Säugetiere und Vögel sind dann dazu in der Lage, ihren Stoffwechsel herunterzufahren.
Um diesen Zustand auf Knopfdruck auszulösen, setzten die Forscher den Nagern winzige Helme mit Ultraschallsendern auf den Kopf. Ein kurzer Ultraschallimpuls zielte auf den präoptischen Bereich des Hypothalamus ab, der der Regulierung der Körpertemperatur und des Stoffwechsels dient. Tatsächlich sank die Körpertemperatur der Tiere danach um durchschnittlich 3 bis 3,5 °C und die Herzfrequenz verringerte sich um rund 47 %. Außerdem verbrannten die Mäuse zur Energiegewinnung nun ausschließlich Fett, was ein Hauptmerkmal des Torpors ist. Dieser torpor-ähnliche Zustand hielt etwa eine Stunde lang an, konnte aber mit mehreren Ultraschallimpulsen auf bis zu 24 Stunden verlängert werden. Nebenwirkungen traten dabei offenbar keine auf.
Auch bei Tieren, bei denen normalerweise kein Torpor auftritt, waren die Ultraschallimpulse erfolgreich – wenn auch nicht in so großem Ausmaße. Bei Ratten konnte die Körpertemperatur damit um durchschnittlich 1 bis 2 °C gesenkt werden. Die Wissenschaftler schreiben, dass ihre Ergebnisse darauf hindeuten, dass ein ähnlicher Effekt auch beim Menschen induziert werden könnte. Die Methode soll aber nicht erst für bemannte Weltraumflüge interessant werden, sondern könnte durch die Verlangsamung des Stoffwechseln auch die Überlebenswahrscheinlichkeit von Schlaganfall- oder Herzinfarkt-Patienten erhöhen.
Die Studie ist in Nature Metabolism erschienen.
Ein querschnittsgelähmter Patient kann dank einer eine implantierte Gehirn-Rückenmarks-Schnittstelle (Brain-Spine Interface, BSI) wieder laufen. Wie Forscher in Nature berichten, konnte der Patient, der seit eines Unfalls vor zehn Jahren an Arm- und Beinlähmung litt, wieder ein „natürliches“ Gefühl der Kontrolle über die Bewegungen seiner Beine gewinnen. Mithilfe von Gehhilfen kann er nun sehr eingeschränkt, aber eigenständig laufen, Treppen steigen und sogar komplexes Gelände durchqueren.
Aber was ist das Besondere an diesem Ansatz? „Nach meiner Kenntnis haben die Autoren in mehreren Bereichen Fortschritte erzielt“, meint Dr. Rainer Abel, Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Querschnittsgelähmte vom Klinikum Bayreuth. Der Schlüsselaspekt sei laut Abel, dass das Ganze „in Echtzeit“ funktioniert. Und das geht so: Das BSI setzt sich aus zwei implantierten Systemen zusammen, die kabellos über eine „digitale Brücke“ miteinander kommunizieren. Der erste Teil sitzt in der Schädeldecke des Patienten und besteht aus zwei Elektrokortikographie-Implantaten, die die neuronale Aktivität an 64 Elektroden messen und an einen tragbaren Computer weitergeben. Daraus ermittelt der Computer die gewollte Bewegung und übersetzt sie in Stimulierungsbefehle, die dann in Echtzeit an das zweite implantierte System weitergegeben werden. Es befindet sich im Rücken, wo ein elektrischer Pulsgeber und ein Elektrodenarray mit 16 kleinen Elektroden die Motor-Neuronen im Rückenmark stimulieren und so die Muskeln gezielt aktivieren.
„Bisher mussten Probanden intensiv an irgendetwas denken, beispielsweise eine bestimmte Farbe, und sich darauf konzentrieren“, erklärt Dr. Abel. „Dieses Signal in Form eines herausragenden Gedankenereignisses hat der Computer erkannt und daraufhin ein Bewegungsprogramm gestartet.“ Hier sei es anders, denn anstelle dieses Umweges wird direkt die Imagination der Bewegung am Motokortex erkannt und in Echtzeit weitergegeben.
Ob sich das BSI auch für andere Betroffen eignet, ist allerdings unklar – bisher wurde der Ansatz nur bei einem einzigen Patienten getestet.
Zur Studie geht’s hier entlang.
Bildquelle: David Clode, Unsplash