Mäuse, die täglich Taurin verabreicht bekommen, leben länger. Lässt sich das auch auf den Menschen übertragen – und sind Energy-Drinks damit ein geeignetes Anti-Aging-Mittel?
Energy-Drinks haben eigentlich keinen guten Ruf – zu süß, zu viel Koffein und sowieso viel zu künstlich. In vielen dieser Drinks steckt auch Taurin, weil es eine positive Wirkung auf die geistige und sportliche Leistungsfähigkeit haben soll. Aber nicht nur das: Forscher berichten jetzt in einer Studie in Science, dass Mäuse und Affen, die täglich Taurin verabreicht bekommen, gesünder altern. Die mit Taurin gefütterten Mäuse lebten sogar insgesamt länger als ihre Artgenossen, die kein Taurin einnahmen. Könnte die Substanz auch für den Menschen ein geeignetes Anti-Aging-Mittel sein?
Die Aminosulfonsäure Taurin wird in menschlichen Leberzellen aus Cystein gebildet und durch Nahrung aufgenommen. Es ist an zahlreichen physiologischen Prozessen beteiligt, etwa bei der Energieproduktion, der Osmoregulation, bei Entzündungen, der Bildung von Gallensäure oder der Bildung von Antioxidantien. Außer als Zusatz in Energy-Drinks ist Taurin auch als Nahrungsergänzungsmittel frei erhältlich. Die von der europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) empfohlene Tageshöchstdosis beträgt 100 mg/kg Körpergewicht.
Aus älteren Untersuchungen ist bekannt, dass die Taurinmengen in menschlichem Muskel- und Gehirngewebe im Alter abnehmen. In der aktuellen Studie analysierten die Forscher die Taurinkonzentrationen im Blut von knapp 12.000 Personen. Dabei stellten sie nicht nur fest, dass mit zunehmendem Alter die Konzentration von Taurin im Blut sinkt, sondern auch, dass niedrige Taurinkonzentrationen mit Übergewicht, Typ-2-Diabetes, hohen Cholesterolwerten und Entzündungsmarkern einhergehen. Weiterhin zeigte sich, dass Bewegung die Taurinlevel in allen (unterschiedlich trainierten) Testpersonen ansteigen ließ. Die Studienautoren schlussfolgern, dass die gesundheitlichen Vorteile von Sport durch den Anstieg von Taurin vermittelt werden könnten.
An Mäusen und Affen haben die Forscher untersucht, inwiefern der Verlust von Taurin zum Alterungsprozess beiträgt und ob eine Taurin-Supplementierung positive Effekte auf die Alterung hat. Und tatsächlich: Die mediane Lebensspanne von tauringefütterten Mäusen verlängerte sich um 10 bis 12 %. Bei Rhesusaffen verlängerte die Gabe von Taurin die gesunde Lebensspanne der Tiere vor dem Auftreten altersassoziierter Krankheiten und verbesserte die Funktion der Knochen, Muskeln, der Bauchspeicheldrüse, des Gehirns, Darms und Immunsystems.
Mechanistisch scheint die Supplementierung mit Taurin Einfluss auf wichtige Marker des Alterns zu nehmen, darunter die Ansammlung von DNA-Schäden, Telomerase-Mangel, beeinträchtigte mitochondriale Funktion und zelluläre Seneszenz, schreiben die Forscher.
„Die Studie ist bemerkenswert gut gemacht“, meint Dr. Clara Correia-Melo, Leiterin der Forschungsgruppe Mikrobiom und Metabolismus vom Leibniz-Institut für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut (FLI), Jena. „Da frühere Studien den Taurinmangel im Zusammenhang mit dem Altern nicht untersucht haben, ist die aktuelle Studie von großem Wert. Dennoch ist eine weitere Validierung erforderlich, bevor wir mit Sicherheit sagen können, dass eine Taurin-Supplementierung als prophylaktische Therapie eingesetzt werden sollte.“
Auch Dr. Sebastian Grönke, Post-Doc in der Arbeitsgruppe Biologische Mechanismen des Alterns vom Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns in Köln ist beeindruckt: „Die Kombination von verschiedenen Modelorganismen und humanen Daten sowie der Umstand, dass ähnliche Ergebnisse in den verschiedenen beteiligten Laboren erzielt werden konnten, machen diese Studie besonders überzeugend.“ Er hält es für durchaus realistisch, dass „eine Taurineinnahme auch im Menschen die Lebenszeit verlängern kann.“ Obwohl die Einnahme von Taurin als relativ sicher gilt, rät Grönke allerdings vom Selbstversuch ab, da es noch keine Studien gibt, die eine Taurinaufnahme in so hohen Dosen über einen längeren Zeitraum verfolgt haben. „Auch die Aufnahme über Energiedrinks, die häufig Taurin enthalten, ist in diesem Zusammenhang nicht sinnvoll, da die enthaltenen Mengen viel zu gering sind und häufig andere Wirkstoffe wie zum Beispiel Koffein enthalten sind, die die Aufnahmemenge beschränken.“
Zurückhaltender äußert sich Prof. Kristina Norman, Leiterin der Abteilung Ernährung und Gerontologie vom Deutsches Institut für Ernährungsforschung (DIfE) in Potsdam-Rehbrücke: „Die Ergebnisse sind sicher spannend, aber es gibt einige vergleichbare Substanzen, die mit Langlebigkeit in Verbindung gebracht werden. […] Die Übertragung auf Menschen bleibt uns die Studie schuldig. Es ist wirklich schwierig, Langlebigkeit bei Menschen zu untersuchen, und Altern ist ein multifaktorieller Prozess, der sicherlich nicht durch eine einzige Substanz verhindert werden kann.“
Bildquelle: Ave Calvar, unsplash