Mathematische Modelle und Computersimulationen der Insulin-Glukose-Homöostase sind insbesondere dann nützlich, wenn sie physiologische Erkenntnisse liefern oder als Werkzeuge für klinische Entscheidungen dienen. Allerdings sind die bisher veröffentlichten Modelle relativ inkonsistent. Ein neues biokybernetisches Modell versucht nun, die Beschränkungen der bisherigen Ansätze zu überwinden.
Dieses neue Modell ist verhältnismäßig einfach, basiert aber dennoch auf fundamentalen physiologischen Motiven. Es kann die zeitliche Entwicklung von Insulin- und Glukosekonzentrationen im Organismus nach Glukosebelastung und anderen Störgrößen erklären. Darüber hinaus ebnete es den Weg für die Entwicklung eines Strukturparameter-Inferenzansatzes (SPINA Carb), der verbesserte Biomarker für den Kohlenhydrathaushalt, nämlich die Sekretionsleistung der Betazellen (SPINA-GBeta) und die Insulinrezeptorverstärkung (SPINA-GR) liefert.
Übersicht des mathematischen Modells (Abbildung aus Dietrich et al. 2022, Creative Commons Attribution 4.0-Lizenz)
Die neuen Biomarker haben sich in vier unabhängigen Kohorten als überlegen gegenüber den bisher üblichen Verfahren (z. B. HOMA) erwiesen. Sie korrelieren mit zentralen Parametern des Glukosemetabolismus einschließlich des M-Werts in hyperinsulinämischen Glucose-Clamp-Untersuchungen, der Antwort auf einen oralen Glukosetoleranztest und der HbA1c-Fraktion. Darüber hinaus bilden sie zahlreiche Marker der Körperzusammensetzung und der globalen Energiehomöostase ab.
Korrelationsnetzwerke zwischen SPINA-GR bzw. SPINA-GBeta und verschiedenen metabolischen Biomarkern (Abbildung aus Dietrich et al. 2022, Creative Commons Attribution 4.0-Lizenz)
Beziehung zwischen SPINA-GBeta und SPINA-GR in einer großen Population (Abbildung aus Dietrich et al. 2022, Creative Commons Attribution 4.0-Lizenz)
Die Kombination aus den beiden Strukturparametern SPINA-GBeta und SPINA-GR bildet schließlich die Grundlage für die Definition eines statischen Dispositionsindex (SPINA-DI). Dieser neue Index korreliert ebenfalls mit vielfachen Biomarkern des Energie- und Kohlenhydrathaushalts. Außerdem differenziert er besser als andere Parameter zwischen Diabetes mellitus und normaler Glukosehomöostase.
Definition des statischen Dispositionsindex SPINA-DI (Abbildung aus Dietrich et al. 2024, Creative Commons Attribution 4.0-Lizenz)
Diagnostische Leistung von SPINA-GBeta, SPINA-GR, SPINA-DI und anderen berechneten Biomarkern der Insulin-Glukose-Homöostase (Abbildung aus Dietrich et al. 2024, Creative Commons Attribution 4.0-Lizenz)
Zusammenfassend erklärt das neue Modell wichtige physiologische Phänomene und es liefert ein effizientes Panel an berechneten Biomarkern, die sich für Screeningzwecke und die klinische Forschung eignen – möglicherweise besser als bisher verfügbare diagnostische Verfahren.
Literatur
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