Kein Fieber und keine Wanderröte nach einem Zeckenstich – dann ist ja alles gut, oder? Frischt hier euer Wissen zur Borreliose und FSME auf und erfahrt, wann ihr genauer hinsehen müsst.
Sie kriechen über den Körper, bis sie eine geschützte Stelle finden, an der sie ungestört sind. Dann stechen sie zu und saugen Blut. Gefährlich wird die Saugattacke dadurch, dass Zecken wie Ixodes (I.) ricinus (Gemeiner Holzbock) Krankheiten übertragen können. In Deutschland sind für den Menschen vor allem Borrelien (Borrelia burgdorferi) und das FSME-Virus relevant.
Es ist normal, dass sich die Haut unmittelbar nach dem Stich an dieser Stelle rötet, dafür ist der Zeckenspeichel verantwortlich. Bildet sich die Rötung nach einigen Tagen nicht zurück oder breitet sich der rote Fleck sogar aus, sollten Betroffene einen Arzt aufsuchen, denn es könnte eine Borreliose vorliegen. Diese Krankheit kann deutschlandweit von Zecken übertragen werden. Nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) lässt sich nach einem Zeckenstich bei 2,6 bis 5,6 % der Betroffenen eine Antikörperbildung gegen Borrelien nachweisen. Eine klinisch manifeste Erkrankung entwickelt sich nach RKI-Angaben allerdings nur bei 0,3 bis 1,4 %.
Bei einer Borreliose denken die meisten an das Erythema migrans als Leitsymptom. Der rote abgegrenzte Fleck, der sich ringförmig ausbreitet, kann aber auch ausbleiben oder untypisch ausgeprägt sein. Neben der Wanderröte sind Fieber, Lymphknotenschwellungen, Muskel- und Gelenkschmerzen mögliche Symptome. Borrelien können sich im Körper ausbreiten und das Nervengewebe (Neuroborreliose), die Gelenke (Lyme-Arthritis) oder das Herz (Lyme-Karditis) befallen.
Eine Borreliose wird üblicherweise mit oralem Doxycyclin oder Amoxicillin, alternativ auch Cefuroxim oder Azithromycin behandelt. Patienten sollten die Medikamente so schnell wie möglich bekommen, um Spätmanifestationen zu verhindern.
In einigen Ländern erhalten Patienten prophylaktisch ein Antibiotikum. So empfiehlt zum Beispiel die Infectious Diseases Society of America (IDSA), dass eine prophylaktische Antibiotikatherapie in bestimmten Fällen durchgeführt werden solle. Erwachsene und Kinder sollen die Prophylaxe innerhalb von 72 Stunden nach der Entfernung eines identifizierten Hochrisikozeckenstichs erhalten. Als risikoreich wird ein Zeckenstich eingestuft, wenn er die folgenden drei Kriterien erfüllt:
Bei diesen Hochrisikostichen empfiehlt die Fachgesellschaft für alle Altersgruppen eine Einzeldosis von oralem Doxycyclin innerhalb von 72 Stunden nach der Zeckenentfernung. Dabei erhalten Erwachsene einmalig 200 mg und Kinder 4,4 mg/kg (bis zu einer Höchstdosis von 200 mg). Dass die Doxycyclin-Prophylaxe wirkt, zeigte eine im November 2021 im Fachjournal BMC Infectious Diseases veröffentlichte Meta-Analyse. Die Einmalgabe von 200 mg Doxycyclin erwies sich darin effektiver als eine zehntägige orale Antibiose und eine topische Azithromycin-Therapie. Gründe, warum in Europa die orale Doxycyclin-Prophylaxe aktuell nicht erfolgt, sind die negativen Auswirkungen auf die Darmflora und eventuelle Resistenzentwicklungen bei häufiger Prophylaxe.
Ein Impfstoff gegen Borreliose würde die Frage nach einer prophylaktischen Antibiose in vielen Fällen überflüssig machen. Tatsächlich gibt es mittlerweile einige Impfstoffkandidaten in der Pipeline. I9ISP ist ein Impfstoffkandidat auf mRNA-Basis. Er wurde in Tierversuchen bereits erfolgreich getestet. Es handelt sich dabei um eine Mischung von mRNAs, die für 19 Speichelproteine (19ISP) der Zecke I. scapularis kodieren. Die Vakzine richtet sich also nicht gegen B. burgdorferi selbst, sondern gegen Bestandteile des Zeckenspeichels.
Forscher hatten beobachtet, dass Wirte, die wiederholt Kontakt mit I. scapularis hatten, eine Resistenz gegen den Parasiten entwickelten. 19ISP konnte in Versuchen tatsächlich eine Zeckenimmunität hervorrufen und die Übertragung von B. burgdorferi verhindern. Die geimpften Wirte entwickelten ein Erythem an der Stichstelle der Zecke, ein Zeichen für eine erworbene Zeckenresistenz. An diesen Stellen saugten Zecken weniger Blut und fielen schneller wieder ab. Da B. burgdorferi erst gegen Ende an den Wirt abgegeben wird, lässt sich das Übertragungsrisiko durch eine kürzere Saugdauer reduzieren.
Valnea und Pfizer kooperieren in der Entwicklung des aktiven Borreliose-Impfstoffkandidaten VLA15. Der multivalente Proteinimpfstoff enthält als Antigen rekombinant hergestellte Antikörper gegen das äußere Oberflächenprotein A (OspA) von den sechs in Europa und den Vereinigten Staaten verbreiteten Borrelia-Serotypen. Sticht eine Zecke eine geimpfte Person, nimmt sie Blut mit OspA-Antikörpern auf. Die Antikörper lassen die Borrelien absterben, bevor sie in den menschlichen Wirt gelangen. In Vla15 ist zusätzlich ein Alaun-Adjuvans enthalten, um die Wirkung zu verstärken. Der Wirkmechanismus ist bereits seit Jahren etabliert. Der neue Impfstoff soll 2025 zugelassen werden.
Moderna verfolgt einen anderen Ansatz. Das Unternehmen hat gleich zwei Lyme-Borreliose-Impfstoffkandidaten in der Pipeline. Bei den Vakzinen mRNA-1982 und mRNA-1975 wendet Moderna erstmals seine mRNA-Technologie auf bakterielle Krankheitserreger an. mRNA-1982 soll den Körper anregen, Antikörper herzustellen, die spezifisch für B. burgdorferi sind. Der Impfstoffkandidat mRNA-1975 soll dazu führen, dass im Körper spezifische Antikörper gegen die in den USA und Europa wichtigsten vier Borrelienarten hergestellt werden.
Längst Routine ist die Impfung gegen die Frühsommer-Meningoenzephalitis (FSME). Mit dem Erreger sind hauptsächlich Zecken in Risikogebieten im süddeutschen Raum befallen. Von den Infizierten bleiben 70 bis 95 Prozent asymptomatisch oder erleben nur die erste, mildere Krankheitsphase mit grippeähnlichen Symptomen wie Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen und Abgeschlagenheit. In der zweiten Phase geht die Entzündung auf das Gehirn, die Hirnhäute oder das Rückenmark über. Patienten entwickeln schwere und lebensbedrohliche Symptome wie Atemlähmung, Lähmungen an Armen und Beinen und Schluck- und Sprachstörungen. Nicht alle Schäden sind reversibel. Etwa einer von 100 Erkrankten mit Befall des Nervensystems verstirbt. Es gibt keine kausale Behandlung. Die Patienten werden rein symptomatisch behandelt und bei schweren Verläufen intensivmedizinisch.
Um die Krankheit zu verhindern, empfiehlt das RKI allen Personen, die sich dauernd oder zeitweise in den ausgewiesenen Risikolandkreisen aufhalten und dabei mit der Natur in Kontakt kommen, sich gegen FSME impfen zu lassen. Die aktuellen Risikogebiete veröffentlicht das RKI auf seinen Internetseiten. Am besten erfolgt die aus drei Impfstoffgaben bestehende Immunisierung im Winter. In Ausnahmefällen ist eine Schnellimmunisierung mit verkürzten Impfabständen möglich. Wichtig ist, dass eine Impfung nach einem Zeckenstich nicht mehr vor einer Infektion durch den gerade erfolgten Stich schützen kann. Wer eine Zecke findet, der sollte sie so schnell wie möglich und komplett entfernen. Am besten funktioniert das mit einer Pinzette oder einem Zeckenentfernungsinstrument wie einer Zeckenzange oder -schlinge. Danach heißt es abwarten, die Stichstelle im Auge behalten und hoffen, dass sich keine Symptome zeigen.
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