Lange galt das Silicon Valley als Goldstandard für technologische Innovationen. Doch mittlerweile zeigen etliche Digital Health Start-ups aus Deutschland, dass sie Potenzial haben, die Welt zu verändern. Fünf Highlights aus Berlin.
Halitus Breath Analytics hat große Pläne. Das Start-up will bei der medizinischen Diagnostik möglichst auf Röntgen, Bluttests oder Biopsien verzichten. Gelingen soll das mit einem speziellen Analysegerät, um in der ausgeatmeten Luft krankheitsrelevante Biomarker zu identifizieren. Bei der Interpretation selbst kommen Technologien der künstlichen Intelligenz beziehungsweise des maschinellen Lernens zum Einsatz. Ärzte und Patienten profitieren von einem schnellen, nicht invasiven Verfahren. Gleichzeitig wird die Umwelt geschont, da kein Müll anfällt.
Zum Hintergrund: Bei diversen Erkrankungen verändert sich auch der Stoffwechsel. In der Atemluft treten charakteristische flüchtige organische Verbindungen (VOC, volatile organic compunds) auf. Studien zeigen etwa, dass VOC Hinweise auf malignem Pleuramesotheliome, auf Tuberkulose, auf Lebererkrankungen, auf Typ-2-Diabetes und auf andere Erkrankungen liefern kann. Bislang handelt es sich um rein experimentelle Ansätze.
Um innovative Diagnostik geht es auch bei SenSeven Health. Das Start-up bietet Versorgungsleistungen der Psychotherapie zusammen mit künstlicher Intelligenz an – speziell bei Depression und Angststörungen. Patienten und Therapeuten stehen der Nutzung von KI recht offen gegenüber, wie eine frühere Befragung ergeben hat.
In der Praxis bietet das große Vorteile, denn: „Deine Stimme spiegelt deine Stimmung“, schrieben die Entwickler. Das können Auffälligkeiten der Geschwindigkeit, der Betonnung beziehungsweise der Länge von Sprechpausen sein. „Unsere KI erkennt Veränderungen in deiner Stimme und schlägt dir passende Übungen vor“, heißt es weiter. Bestenfalls erkennt die KI Auffälligkeiten, weit bevor klinisch relevante Symptome auftreten.
Medloop vernetzt Ärzte und Patienten
Ganz andere Schwerpunkte hat sich Medloop gesetzt. Die Entwickler wollen Ärzte und Patienten digital näher zusammenbringen, damit alle Beteiligten Zeit und Nerven sparen. Patienten können per App etwa Termine vereinbaren oder Folgerezepte bestellen. Befunde oder Laborergebnisse lassen sich ebenfalls digital abrufen. Per Chat können Patienten auch Fragen stellen. Ärzte wiederum arbeiten mit einem Dashboard, auf dem alle Informationen zusammenlaufen – und laden von dort aus Patienten etwa zu Recalls ein.
App und Dashboead von Medloop. Screenshot. Credit: DocCheck
Von der Arztpraxis zur Pflegeeinrichtung. Oskar, ein unermüdlicher Wächter, schiebt auf Pflegestationen seine Schicht. Entwickelt hat ihn die Innovationsschmiede Bearcover. Der Roboter unterstützt Nachtpersonal, indem er alle 15 bis 20 Minuten nach den Bewohnern schaut. Mit autonomer Navigation fährt er durch die Gänge der Station und scannt alle 15 bis 20 Minuten von außen jedes Zimmer, ohne Menschen zu wecken. Das sind 30 bis 40 Checks pro Schicht.
Sein Ultrabreitband-Radar erkennt menschliche Bewegungen – auch sehr schwache wie die Atmung – durch geschlossene Türen hindurch. Es durchdringt Materialien wie Kleidung oder Bettlaken. Oskar merkt auch, falls Bewohner unruhig im Zimmer umhergehen oder gestürzt sind und am Boden liegen. Dann alarmiert der Roboter Pfleger vor Ort über eine App. Bereits im Dienst ist Oscar im Evangelischen Seniorenzentrum Lübben und im Seniorenwohnhaus „Am Heiderand“ Bischofswerda.
Auch BaSeTaLK hat sich bekannten Problemen in der Pflege angenommen. Fehlt Personal, haben Menschen kaum Ansprechpartner für sinnvolle Gespräche. Hier setzt eine neue App an. Mit ihr unternehmen Bewohner virtuelle Reisen an zwölf verschiedene Orte. Das kann beispielsweise ein Garten sein, eine Bücherei, ein Kino und viele mehr. Audiovisuelle Medien und eingestreute Fragen laden zum Gespräch in der Gruppe ein. Ziel ist laut der Entwickler, die Lebensqualität zu steigern.
Die Beispiele zeigen: Auch in Deutschland können Start-ups Erfolg haben, falls sie mit zündenden Ideen ungedeckten medizinischen Bedarf erfüllen. Sie benötigen neben dem innovativen Produkt und der Zielgruppe vor allem Risikokapital. Um langfristig Erfolg zu haben, geht nichts ohne Studien zur Evidenz.
Dennoch: Es gibt viel zu tun. Innovationsfreundlich ist Deutschland noch lange nicht, trotz einer neuen Strategie der Regierung. Experten kritisieren vor allem die zu geringe Förderung bei zu hohen bürokratischen Hürden.
Bildquelle: Jonathan Petersson, unsplash