Ob Sportler, Soldat oder Wanderurlauber – der Bewegungsapparat der Deutschen muss einiges aushalten. Als Sollbruchstelle scheint der Mittelfuß prädestiniert für Anfälligkeiten. So sieht die richtige Therapie aus.
Die Wandersaison in Deutschland dauert von Frühjahr bis Herbst. Laut Allensbacher Markt- und Werbeträgeranalyse gingen im Jahr 2022 über 40 Millionen Menschen der deutschsprachigen Bevölkerung ab 14 Jahre zum Wandern. Über 18 Millionen Deutsche favorisieren Wanderurlaub und 6,5 Millionen gehen einmal monatlich wandern. Die Gruppe mit den meisten Wanderern sind die 50- bis 59-Jährigen.
Die Wanderschuhe werden eingepackt und dann geht es los. Die Wanderrouten sind mehrere Kilometer lang, und die Füße spüren zunehmend die ungewohnte Belastung. In der Regel sind Schmerzen an den Füßen innerhalb weniger Tage rückläufig. Wenn sie als stechende oder dumpfe Mittelfußschmerzen (Metatarsalgie) persistieren und auch in Ruhe auftreten, muss an eine Stressfraktur gedacht werden.
Obwohl kein traumatisches Ereignis stattgefunden hat, können besonders die Mittelfußknochen durch viele wiederholte Bewegungen ermüden und mechanisch so geschädigt werden, dass die Osteoblasten mit der Reparatur überfordert sind. Da Stressfrakturen gehäuft bei Soldaten beobachtet wurden, werden sie auch als Marschfrakturen oder Ermüdungsbrüche bezeichnet. Begünstigt werden sie u.a. durch Störungen des Knochenstoffwechsels, anatomische Fehlstellungen, Schonhaltungen oder untrainierte bzw. übertrainierte Sportler. Sowohl Über- als auch Untergewicht in Verbindung mit Essstörungen und Mangel an Vitamin D und Kalzium als auch ein niedriger Östrogenspiegel bei Zyklusstörungen können zur Verminderung der Knochenmasse bis hin zur Osteopenie oder sogar zur Osteoporose beitragen. Bereits ein Knochenmasseverlust von 5 % führt zu einem erhöhten Ermüdungsbruchrisiko von 40 %.
Ein weiterer Faktor ist das richtige Schuhwerk – nicht jeder Schuh passt an jeden Fuß. Berücksichtigt werden müssen individuelle Fußstatiken mit Pro- und Supinationsstellungen, Senk-Spreizfüßen und schwacher Fußmuskulatur. Schuhe müssen den Füßen Halt bieten, dürfen aber auch nicht zu eng sein, besonders im Vorfußbereich. Beim Schuhkauf sollte man daran denken, dass sich Füße bei längerer Belastung ausdehnen, da die Bänder an der vorderen Fußquerwölbung ermüden. Um das zu berücksichtigen, sollten Schuhe nachmittags anprobiert und gekauft werden. Vor Beginn der Wandersaison sollte man seine Wanderschuhe zunächst zuhause wieder einlaufen, um die Füße daran zu gewöhnen und eventuelle Veränderungen an der Fußstatik zu bemerken, die sich über den Winter eingestellt haben könnten.
Statistiken geben für Stressfrakturen einen Wert von 2 % aller Sportverletzungen an. Am Fuß sind meist der 2. oder 3. Mittelfußknochen betroffen. Typische Symptome sind Schmerzen, zunächst dumpf und zunehmend stechend, verminderte Belastbarkeit und Schwellungen. Im Anfangsstadium können sie denen einer Periostreizung oder einer Tendinitis ähneln und damit verwechselt werden. Ermüdete Knochen reagieren zuerst mit Wassereinlagerung, die zum Knochenmarködem führt, anschließend kommt es zu Veränderungen der Spongiosa und erst im weiteren Reaktionsstadium zu einem Einbruch der Kortikalis und zuletzt zu einer Kallusbildung. Entsprechend dieser Phasen ist bei der Diagnosesicherung die Bildgebung einzusetzen. Röntgenbilder werden im Frühstadium in den ersten zwei Wochen noch keine Stressfraktur darstellen, sondern erst zwei bis vier Wochen nach Beschwerdebeginn. Eine MRT-Untersuchung bildet Knochenmarködeme bereits frühzeitig ab. Alternativ kann auch eine Skelettszintigrafie den erhöhten Knochenstoffwechsel im Frühstadium erkennen lassen.
Die Therapie besteht in der Regel in konservativen Maßnahmen, operative Verfahren müssen nur selten in Betracht gezogen werden. Im Vordergrund steht die Entlastung der betroffenen Knochen. Bei Frakturen von Mittelfußknochen kann dies mit einem Vorfußentlastungsschuh erreicht werden, bei dem nur die Ferse belastet wird. Zu beachten ist, dass auf der Gegenseite ein Längenausgleich erfolgt, damit es nicht zu statischen Fehlbelastungen und Sekundärproblemen kommt. Oftmals sind Schmerzen durch eine Entlastung rasch rückläufig. NSAR sollten nicht verordnet werden, da sie die Osteoblasten sowohl zahlenmäßig als auch in ihrer Aktivität reduzieren und den Heilungsverlauf verzögern.
Unterstützt wird der Heilungsprozess durch normale Vitamin D- und Kalzium-Spiegel und kann mittels Stoßwellen- bzw. Magnetfeld-Therapie durch Anregung von Wachstumsfaktoren gefördert werden. Die Knochenbruchheilung muss abgeschlossen sein, bevor wieder mit sportlichem Training begonnen wird. Das kann je nach Lokalisation der Fraktur zwei bis zehn Monate dauern. Schmerzfreiheit ist kein Beweis für eine knöcherne Konsolidierung. Sichere Erkenntnisse liefern bildgebende Verfahren wie Röntgen- oder MRT-Aufnahmen. Bei zu frühem Belastungsaufbau kann sich eine Pseudarthrose entwickeln, die meist operativ versorgt werden muss.
Stressfrakturen können auch an Tibia, Fibula und Fußwurzelknochen auftreten. Betroffen sind meist Jogger, aber auch Leistungssportler, deren untere Extremitäten Lauf- oder Sprungbelastungen ausgesetzt sind, z.B. bei Mittel- und Langstreckenläufern oder Basket- und Volleyballspielern. Besonders bei einem Aufbautraining ist zu beachten, dass sich Muskeln schneller an erhöhte Belastungen adaptieren als es Sehnen und Knochen vermögen. Persistierende und progrediente Knochenschmerzen sind die ersten körperlichen Symptome eines Übertrainings mit zu hoher Intensität oder zu hohem Umfang und zu kurzen Regenerationsphasen. Meist kommt es in der Vorbereitung auf den wichtigsten Wettkampf des Jahres zum Übertraining. Sportler, Trainer und betreuende Physiotherapeuten und Sportmediziner sollten sensibel auf die ersten Anzeichen eines Übertrainings reagieren und gemeinsam den Trainingsplan modifizieren. Ansonsten erhöht sich das Risiko für den Sportler, nicht wettkampffähig zu sein.
Ein selbst erlebter Ermüdungsbruch bei einem Mittelstreckenläufer, der für seinen Wettkampfhöhepunkt gute Siegeschancen hatte, bleibt lebhaft in Erinnerung. Der Läufer erhielt zwei Monate vor dem Wettkampf neue Laufschuhe und erhöhte Trainingsintensität und -umfang ohne Rücksprache mit dem Trainer zusätzlich auf unebenem Boden. Als der Sportler erstmals drei Wochen vor der Veranstaltung über zunehmende Mittelfußschmerzen klagte, bestätigte sich im MRT die gefürchtete Diagnose einer Stressfraktur am Schaft des dritten Mittelfußknochens. Es folgte eine maximale Therapie mit Entlastung des Fußes an Unterarmgehstützen, Optimierung der Ernährung mit Vitamin D- und Kalziumangebot, täglicher Magnetfeldanwendung, täglichem Lauftraining mit Auftriebsgürtel im Wasser (Aquajogging) und täglichen physiotherapeutischen Anwendungen in der Hoffnung, dass doch noch ein Start möglich wird.
Es wurden sehr kurzfristig eine Einlage nach Maßabdruck angefertigt, durch die der betroffene Mittelfußknochen entlastet wurde, und die Fußstatik im Schuh mittels Ganganalyse auf einem Laufband korrigiert. Zum Wettkampf erhielt der Läufer zusätzlich einen Tapeverband und ein Analgetikum, so dass er tatsächlich starten konnte. Zuvor wurde er über die medizinischen Risiken und möglichen Folgen der Wettkampfbelastung vollständig aufgeklärt und entschied sich ausdrücklich für den wichtigsten Wettkampf seiner sportlichen Karriere. Der Läufer konnte mit viel Durchhaltewillen im Endspurt die Silbermedaille erringen und machte damit nicht nur sich, sondern auch sein Betreuerteam glücklich.
Bildquelle: Clémence Bergougnoux, unslash