Vorhofflimmern erhöht das Risiko für Schlaganfälle. Nach einem ersten Hirninfarkt kann das Risiko eines Zweitschlaganfalls durch gerinnungshemmende Medikamente vermindert werden. Doch wann sollte mit der Antikoagulation begonnen werden?
Vorhofflimmern (VHF) erhöht das Risiko für ischämische Schlaganfälle um das Vier- bis Fünffache. Bei dieser Form der Herzrhythmusstörung flimmert das Herz so schnell, dass es zu einem Stillstand der Blutzirkulation kommt. Dabei können sich Blutgerinnsel im linken Herzvorhof bilden, die dann über den Blutstrom in Hirnarterien gelangen und diese verstopfen können – und damit einen ischämischen Schlaganfall auslösen.
Die Sekundärprophylaxe nach einem embolischen Hirninfarkt bei VHF stellt eine besondere Herausforderung dar, da an den ersten zwei Tagen das Risiko für weitere Ereignisse besonders hoch ist. Es läge also nahe, sofort mit einer gerinnungshemmenden Therapie zu beginnen – das Problem ist jedoch, dass alle oralen Antikoagulanzien das allgemeine Blutungsrisiko prinzipiell erhöhen und darüber hinaus das Hirngewebe nach einem Schlaganfall besonders empfindlich ist und es leichter zu Einblutungen in das betroffene Areal kommen kann.
Der optimale Zeitpunkt, um in dieser speziellen Situation mit der der oralen Antikoagulation zu beginnen, liegt laut Leitlinien bei der Mehrheit der Betroffenen zwischen Tag 4 und 14. Er sollte individuell festgelegt werden und richtet sich nach der Infarktgröße und Begleitfaktoren. Ein zu früher Beginn, so die verbreitete Sorge, könnte mit einem erhöhten Risiko sekundärer Einblutungen in das Schlaganfallareal einhergehen. Kleinere Studien gaben allerdings bereits Hinweise darauf, dass eine frühzeitige Antikoagulation sicher und vorteilhaft sein könnte, da die klinischen Vorteile das Blutungsrisiko deutlich überwiegen.
Um dies genauer zu analysieren, verglichen Forscher einen frühen mit einem späten Beginn der Antikoagulation bei Menschen mit VHF und erlittenem Hirninfarkt. Der frühe Beginn definierte die Gabe von Antikoagulanzien binnen 48 Stunden nach einem leichten oder moderaten Schlaganfall und binnen 6–7 Tagen nach einem schweren ausgedehnten Hirninfarkt. Eine Vergleichsgruppe erhielt erst 3–4 Tage nach leichtem Schlaganfall, 6–7 Tage nach moderatem und 12–14 Tage nach schwerem Schlaganfall eine Therapie. Der zusammengesetzte primäre Endpunkt bestand aus ischämischen Folgeschlaganfällen, systemischen Embolien, großen extrakraniellen Blutungen, symptomatischen intrakraniellen Blutungen und Tod aufgrund vaskulärer Ursachen.
Insgesamt nahmen über 2.000 Patienten an der Studie teil, wovon 3 % einen leichten Schlaganfall erlitten hatten, 40 % einen moderaten, 23 % einen schweren. 1.006 der Studienteilnehmer erhielten eine frühe Antikoagulation, 1.007 eine späte. Innerhalb von 30 Tagen trat in der frühbehandelten Gruppe bei 29 Patienten ein primäres Endpunktereignis auf – in der Vergleichsgruppe mit der später begonnenen Antikoagulation bei 41.
Einen Folgeschlaganfall erlitten innerhalb von 30 Tagen 14 Personen aus der früh antikoagulierten Gruppe und 25 aus der spät antikoagulierten Gruppe, nach 90 Tagen waren es 18 vs. 30 Betroffene. Zu symptomatischen intrakranialen Blutungen kam es in beiden Gruppen nur bei zwei Personen. Große extrakranielle Blutungen traten bei drei Studienteilnehmern in der Frühgruppe und bei fünf in der Spätgruppe auf.
Das Autorenteam weist auf mögliche Limitationen der Studie hin. Zum einen waren mit Antikoagulanzien vorbehandelte Patienten nicht eingeschlossen worden, zum anderen war der Schlaganfallschweregrad (NIHSS-Score) insgesamt gering. „Das Studienergebnis ermutigt dazu, die Antikoagulation eher frühzeitig zu beginnen,“ erklärt Prof. Götz Thomalla. „Es gab keinerlei Hinweis auf ein erhöhtes Blutungsrisiko bei früherem Beginn. Allerdings ist Zurückhaltung bei der Interpretation der Studie angebracht: Eine Überlegenheit des frühen oralen Antikoagulation konnte nicht gezeigt werden, dies war aber auch nicht das Ziel der Studie. Der Einsatz der Antikoagulation sollte immer individuell sorgfältig abgewogen werden.“
Eine allgemeine Empfehlung für einen frühen Therapiebeginn ließe sich allein aus dieser Studie nicht ableiten, die Ergebnisse können allerdings helfen, bei Patienten mit hohem Rezidivrisiko mutiger im Hinblick auf einen frühen Beginn der oralen Antikoagulation zu sein, so der Studienautor.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. Hier findet ihr die Originalpublikation.
Bildquelle: stefan moertl, unsplash.