Sperma enthält viele Proteine, die wichtige Rollen bei der Befruchtung einnehmen. Ein Forschungsteam hat sich das Spermadhesin AQN-3 genauer angesehen und entdeckt, wie es Samenzellen bis zur Eizelle begleitet und funktionsfähig hält.
Die Proteine in der Samenflüssigkeit gelten als wichtig für das Überleben der männlichen Keimzellen und deren Wechselwirkungen mit den Komponenten des weiblichen Genitaltraktes – bisher ist jedoch nicht vollständig geklärt, wie das im Einzelnen funktioniert. In der Samenflüssigkeit von Huftieren gibt es fünf verschiedene Eiweiße, die sich an die Spermienoberfläche anheften (Spermadhesine). Besonders im Sperma von Schweinen findet man diese in großen Mengen.
Um die Funktion dieser Eiweiße zu verstehen, wurden die Spermadhesine AWN und AQN-3 künstlich in Bakterien hergestellt. In einer früheren Arbeit zeigte ein Wissenschaftsteam bereits, dass AWN spezifisch an negativ geladene Lipide bindet. Diese sind jedoch primär auf der ins Innere der Spermienzelle gerichteten Hälfte der Zellmembran zu finden. Damit ergab sich die Frage, wie sich die Spermadhesine an die Oberfläche der Spermien anheften?
Da aus Arbeiten anderer Gruppen bekannt ist, dass AWN mit AQN-3 Aggregate bildet, wurde nun untersucht, ob AQN-3 an typische Lipide auf der Außenseite der Spermienmembran bindet, wie Phosphatidylcholin und Sphingomyelin. „Überraschenderweise zeigte sich in den genutzten Modellsystemen mit Lipidstreifen und -vesikeln, dass auch AQN-3 eine selektive Bindung mit negativ geladenen Lipiden eingeht, wie z. B. mit Phosphatidsäure und verschiedenen Phosphatidylinositol-Phosphaten“, erklärt Studienleiterin Karin Müller. Darüber hinaus besitzt AQN-3 eine extreme Neigung zur Bildung von Aggregaten mit sich selbst und anderen Eiweißen.
Studien anderer Arbeitsgruppen beschreiben noch ein weiteres Eiweiß in den Aggregaten aus nativem AWN und AQN-3 in der Samenflüssigkeit, das Eiweiß pB1. „Das pB1 Protein gehört zu einer Gruppe von Proteinen, von denen bekannt ist, dass sie in Spermien von Rinderarten an das Phosphatidylcholin auf der Außenseite der Zellmembran binden und so stabilisierend wirken“, sagt Wissenschaftler Peter Müller. Es wird deshalb vermutet, dass pB1 durch Aggregatbildung die schützende Proteinhülle aus AWN und AQN-3 in der Zellmembran von Spermien verankert. Negativ geladene Lipide wie Phosphatidylinositol-Phosphate dienen als Signalmoleküle bei der Befruchtung. Werden sie vorzeitig gebildet und ausgeschleust, könnten sie durch Spermadhesine „abgefangen“ werden, bis die Spermien die Eizelle am Ort der Befruchtung erreicht haben.
Interessanterweise ist die Zusammensetzung der Proteinhülle um die Spermien artspezifisch. So bilden Spermadhesine nur bei Schweinen die Hauptkomponente in der Samenflüssigkeit. Es ergibt sich somit die Frage, wie deren Rolle bei anderen Arten ausgefüllt wird und ob ihre schützenden Eigenschaften bei der Anwendung von Techniken der assistierten Fortpflanzung im Rahmen von Arterhaltungsmaßnahmen genutzt werden könnten.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Leibniz-Institut für Zoo- und Wildtierforschung (IZW) im Forschungsverbund Berlin e.V. Hier findet ihr die Originalpublikation.
Bildquelle: Bing Hui Yau, unsplash.