Eine vom Bundesministerium für Gesundheit betriebene Plattform ist unzulässig. So urteilte das Landgericht Bonn. Der Grund: In ihrer aktuellen Form verletzt sie das Gebot der Staatsferne der Presse.
„Verlässliche Informationen für ihre Gesundheit“ – unter diesem Slogan betreibt das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) sein Portal „gesund.bund.de“, auf dem Artikel zu diversen Gesundheits-Themen zu finden sind. Auf dem Portal, auch „Nationales Gesundheitsportal“ genannt, findet man unter anderem ein Ärzteregister, Videos zu e-Rezepten, aber auch „journalistische“ Beiträge zu Themen wie Ernährung oder Umwelt und Gesundheit. Das klingt doch super, oder? Wäre da nur nicht dieses Gebot der Staatsferne der Presse.
Wieso dieses Gebot so sinnvoll ist, wird auf „gesund.bund.de“ deutlich. Unter den Artikeln findet man – wie es sich gehört – die Quellenangaben. Schaut man sich nun einige der veröffentlichten Artikel genauer an, fällt auf, dass auf eigene Publikationen, Leitlinien oder Pressemitteilungen verwiesen wird. Das BMG stützt somit Aussagen mit seinen eigenen Aussagen – praktisch! Aber: Ist das noch freie, unabhängige Berichterstattung?
Interessant wird das Ganze unter anderem dadurch, dass der Referentenentwurf des Digitalisierungs-Gesetzes (DigiG) vorsieht, dass Informationen des nationalen Gesundheitsportals künftig in die elektronische Patientenakte (ePA) einfließen und „die Funktion eines vertrauenswürdigen Lotsen im Gesundheitswesen übernehmen“ sollen. Somit wäre es dem BMG zumindest indirekt möglich, mit strategisch platzierten Artikeln die eigene Agenda zu unterstützen.
Es gibt aber noch ein weiteres Problem: Die Plattform konkurriert auch mit privaten Anbietern, die evidenzbasierte medizinische Inhalte anbieten. „Dass ein Bundesministerium ein eigenes Fachmedium mit vollwertiger redaktioneller Berichterstattung über Gesundheitsfragen betreibt, ist ein fataler Tabubruch. Das Nationale Gesundheitsportal ist in dieser Gestalt mit der Staatsfreiheit der Medien nicht vereinbar und stellt einen verwerflichen Eingriff in den freien Pressemarkt dar“, betont Prof. Christoph Fiedler, Geschäftsführer Europa- und Medienpolitik im Medienverband der freien Presse (MVFP).
Der Verdacht auf einen Verstoß gegen Art. 5 Abs. 1 GG und gegen das Gebot der Staatsferne der Presse hat den Wort & Bild-Verlag dazu veranlasst, im Februar 2021 Klage gegen die Bundesrepublik, vertreten durch das Bundesministerium für Gesundheit, einzureichen. Dieser Klage hat das Landgericht Bonn jetzt stattgegeben: Es stuft den Betrieb des Portals als unzulässig ein.
Das Bonner Landgericht begründete sein Urteil damit, dass die Artikel auf der Plattform nicht mehr im Rahmen des zulässigen staatlichen Informationshandel zu verorten sind, berichtet die FAZ. So dürfe das BMG beispielsweise Informationen zu Gefahrensituationen verbreiten, nicht aber allgemeine Informationen zu gesundheitlichen Themen, wie etwa Tipps zur Ernährung oder einem gesunden Leben. Außerdem sei es laut Bonner Landgericht nicht Aufgabe des Staates, ein solches Portal unter dem Deckmantel der Fürsorgepflicht zu betreiben, berichtet der Deutschlandfunk. Das Urteil ist also ein Sieg für die freie Presse – aber was bedeutet das jetzt?
Der Betrieb des Portals wurde untersagt – ob das Bundesministerium das so auf sich sitzen lässt, ist allerdings fraglich. Abzuwarten bleibt, ob es nun gegen den Gerichtsbeschluss in die nächste Instanz gehen wird. Was das alles für die Einbettung von Quellen für die ePA bedeutet, ist noch völlig unklar. Sebastian Schmidt-Kaehler von der Bertelsmann-Stiftung schreibt auf LinkedIn, dass es jetzt einen Plan B brauche, der die grundrechtlichen Positionen privatwirtschaftlicher Akteure nicht einschränke und auch die Frage staatsferner, zivilgesellschaftlicher Trägerschaft in Betracht ziehe.
Einige kritisieren den Gerichtsbeschluss auch deutlich. Marcel Weigand, Leiter Kooperation und digitale Transformation bei der Unabhängigen Patientenberatung UPD, schreibt ebenfalls auf LinkedIn, dass er die Entscheidung nicht nachvollziehen könne: „Warum stellen nationale Gesundheitsportale in Ländern wie Großbritannien, in denen die Pressefreiheit ebenfalls großgeschrieben wird, keinen Verstoß gegen die Pressefreiheit dar?“
Aktuell ist „gesund.bund.de“ noch online. Eine Stellungnahme des Bundesministeriums für Gesundheit lag uns bis Redaktionsschluss (16:40 Uhr) nicht vor.
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