Eine Patientin fühlt sich müde und abgeschlagen. Sie selbst vermutet Stress als Ursache ihres Zustands. Doch die körperliche Untersuchung zeigt: Es steckt mehr dahinter.
Der Autor ist der Redaktion bekannt, möchte aber anonym bleiben.
Mich suchte eine 51-jährige Patientin auf, die sich wegen ständiger Müdigkeit und Abgeschlagenheit vorstellte. Sie sei nicht mehr leistungsfähig, weder körperlich noch geistig. Sie habe am Abend oft Probleme, einzuschlafen und wache auch in der Nacht häufig auf. Sie beklagte beruflich und privaten Stress durch eine Umstrukturierung ihrer Abteilung und Konflikte mit ihrer 17-jährigen Tochter. Sie habe häufig Kopfschmerzen, vermutlich weil sie nachts mit den Zähnen knirsche. Sport treibe sie kaum noch, weil ihr die Zeit fehle. Wenn, dann sei sie jedoch „schlapp“. Die Patientin selbst vermutete ein Burnout-Syndrom.
Ein Nikotinkonsum wurde verneint. Die körperliche Untersuchung zeigte eine normalgewichtige Patientin in leicht reduziertem Allgemeinzustand. Die Auskultation von Herz und Lunge war ohne pathologischen Befund. Die Blutdruckmessung am rechten Arm ergab einen Blutdruckwert von 185/116 mmHg. Es erfolgte die zeitgleiche Blutdruckmessung an beiden Armen. Der Blutdruck lag rechts bei 186/119 mmHg und links bei 183/124 mmHg. Darauf angesprochen, wann die letzte Blutdruckmessung erfolgt sei, berichtete die Patientin, ca. 6 Monate vorher bei der Gynäkologin noch völlig normale Werte gehabt zu haben.
Es erfolgte eine Echokardiographie, die keinen Anhalt für eine Linksherzhypertrophie bot. Das EKG war unauffällig. Die Sonographie des Abdomens erbrachte zunächst unauffällige Befunde. Es erfolgte dann jedoch die Bestimmung des Widerstandsindexes beider Nieren, die Dank der schlanken Konstitution der Patientin und der guten Kooperation bei den Atemmanövern gelang. Es wurden mehrere Messungen erhoben. Schon bei Positionierung des Farbfensters imponierte die Durchblutung der linken Niere weniger kräftig als die der rechten. Der Widerstandsindex links lag bei 0,54; der Widerstandsindex rechts lag bei 0,61. Ein Strömungsgeräusch konnte nicht auskultiert werden.
Der Patientin wurde noch im Liegen ein umfangreiches Labor abgenommen. Dieses umfasste unter anderem ein Blutbild, die Nieren- und Elektrolytwerte, die Blutfette, die Schilddrüsenwerte, den HbA1c sowie Aldosteron und Renin. Zudem erfolgte eine Bestimmung des Albumin-Kreatinin-Quotienten. Der Patientin konnte noch am gleichen Tag eine Langzeitblutdruckmessung angeboten werden, die die hohen Blutdruckwerte bestätigte. Es fehlte ein nächtlicher Blutdruckabfall. Die diastolischen Werte lagen durchgehend über 100 mmHg. Die Laborwerte zeigten eine normale Nierenfunktion ohne Proteinurie. Aldosteron und Renin waren erhöht, was den Verdacht auf eine Nierenarterienstenose erhärtete.
Wir besprachen eine Krankenhausaufnahme, die nicht gewünscht wurde, und begannen mit einer Blutdrucktherapie mit Amlodipin und Indapamid. Zusätzlich wurde ein Notfallplan für Blutdruckanstiege erarbeitet. Es erfolgte die Kontaktaufnahme zu einem angiologischen Zentrum. Die Kollegen empfahlen die Hinzunahme einer Thrombozytenaggregationshemmung und bestellten die Patientin für die folgende Woche in ihr Zentrum ein. Es erfolgten eine Duplexsonographie, die den Verdacht auf eine Nierenarterienstenose bestätigte. Eine MR-Angiographie zeigte eine Nierenarterienstenose links durch eine firbromuskuläre Dysplasie (FMD).
Durch die Kollegen im Gefäßzentrum wurde eine Therapie mit einem ACE-Hemmer initiiert, die im Verlauf unter Kontrollen der Nierenfunktion ausdosiert werden konnte. Unter der Triple-Therapie aus Amlodipin, Ramipril und Idapamid war die Patientin mit dem Blutdruck gut eingestellt. Sie wurde für die Zeit der Blutdruckeinstellung krankgeschrieben und nahm im Verlauf auch noch an einer Reha-Maßnahme Teil. Bei Wohlbefinden und guten Blutdruckwerten entschied man sich für ein konservatives Procedere unter sechsmonatigen sonographischen Verlaufskontrollen.
Die fibromuskuläre Dysplasie ist eine nichtatheromatöse, nichtentzündliche Gefäßerkrankung der mittleren und kleinen Gefäße unklarer Ätiologie, die typischerweise bei Frauen im Alter von 40–60 Jahren auftritt. Sie betrifft besonders häufig die Nierenarterien (60–75 %) kann aber auch in den Karotiden und intrakraniellen Arterien (25–30 %), intraabdominellen Arterien (9 %) oder den Aa. iliacae externae (5 %) auftreten. Stenosen, Aneurysmen und Dissektionen, seltener auch Gefäßverschlüssen können die Folge sein. Bei der Mehrzahl der Fälle sind mehrere Gefäßgebiete gleichzeitig betroffen. In den betroffenen Gefäßen kommt es zu einer Wandfibrose mit Abnahme elastischer Fasern. Histologisch kann die FMD Media oder Adventitia betreffen, wobei die Mediasdysplasie weitaus am häufigsten ist.
Die FMD lässt sich bildgebend nichtinvasiv mittels Magnetresonanzangiographie und computertomographischer Angiographie darstellen, wobei die CT-Angiographie der MR-Angiographie bezüglich der räumlichen Auflösung überlegen ist. Invasiv kann eine Darstellung mittels digitaler Subtraktionsangiographie (DSA) erfolgen. Angiographisch findet sich bei typischen Befunden über 3–5 cm ein Perlenschnurmuster, bei dem sich Gefäßerweiterungen und -verengungen abwechseln. Wurde eine FMD in einer Körperregion erkannt, sollte mittels nichtinvasiver Bildgebung nach weiteren Manifestationsorten gesucht werden, um einen häufigen multivaskulären Befall nachzuweisen bzw. auszuschließen (z. B. MRT oder CT von Kopf bis Becken).
Nierenarterienstenosen sind im Gesamtkollektiv der Patienten mit Hypertonie selten (vermutlich < 1 %). Davon sind 20 % durch FMD bedingt. Im Falle unserer Patientin ließ der hohe Blutdruck mit diastolischen Werten über 100 mmHg ohne nächtlichen Blutdruckabfall an die Nierenarterienstenose denken. Der Blutdruck hatte sich zudem offenbar innerhalb der letzten Monate entwickelt. Dafür sprachen die noch normale Blutdruckmessung bei der Frauenärztin sowie die fehlenden Zeichen einer Linksherzhypertrophie im Echo. Weitere Faktoren, die an eine Nierenarterienstenose bzw. eine FMD denken lassen sollten, sind die therapieresistente Hypertonie, eine fibromuskuläre Dysplasie an einer andere Körperstelle, ein Strömungsgeräusch ohne Atherosklerose, ein auffälliger Größenunterschied der Nieren > 1 cm in der Sonographie sowie eine Verschlechterung der Nierenfunktion im Sinne eines Kreatininanstieges > 20 % nach Beginn einer ACE-Hemmer- oder AT1-Rezeptor-Antagonisten-Therapie.
Die renovaskuläre Hypertonie sollte zunächst medikamentös behandelt werden. Ist eine beidseitige Nierenarterienstenose ausgeschlossen, sind ACE-Hemmer und Angiostensinrezeptorblocker nicht kontraindiziert. Die Nierenwerte müssen jedoch regelmäßig kontrolliert werden. Wenn die Patienten jung und mittels Mehrfachmedikation nicht ausreichend einstellbar sind, kann eine Ballondilatation erfolgen. Älteren Daten zur Folge kann damit für 90 % der Patienten eine Besserung der Blutdruckwerte und für 50 % eine Normotonie erzielt werden. In seltenen Fällen ist ein operatives Vorgehen notwendig.
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