Letzten Winter Zäpfchen, diesen Sommer Fiebersäfte – eigentlich hatten die Krankenkassen versprochen, die Kosten bei Rezepturen zu übernehmen. Aber was jetzt folgt, ist das genaue Gegenteil.
Wer erinnert sich nicht an das Chaos im vergangenen Winter, als es plötzlich weder Fiebersäfte noch Schmerzzäpfchen für Kinder mehr gab? Wer erinnert sich nicht mehr an die Mütter, die mit ihrem Rezept in der Hand viele zig Kilometer auf der Suche nach der nächsten Apotheke waren, die noch in echter Handarbeit beides hergestellt hat?
In Zeiten der Personalnot war es für viele ein echter Kraftakt, auch noch eine Person zum Zäpfchengießen abzustellen, wenn man überhaupt dazu in der Lage war, die Grundstoffe zu beschaffen! Dann ging häufig noch die Diskussion mit den Kinderärzten los, die entweder nichts davon als Rezeptur verordnen wollten, weil sie um ihr Budget fürchteten, oder die schlicht nicht wussten, wie sie ein solches Rezept ausstellen mussten. Da gab es Unsicherheiten bezüglich der Formulierungen auf dem Rezept, oder auch Schwierigkeiten, weil der Fiebersaft gemeinsam mit dem Antibiotikum auf einem Rezept stand, aber als Rezeptur einzeln abgerechnet werden musste.
Wir haben wieder und wieder telefoniert, erklärt, vertröstet, uns mit den Kassen auseinandergesetzt, wie wild Zäpfchen einzeln eingerollt und beschriftet – und wir haben die Dosierungsanleitungen aus dem Netz geholt und ausgedruckt, damit die Eltern wissen, wie genau sie die Rezeptur nach dem Körpergewicht anpassen müssen.
Das Perfide: Eine Dosierung auf dem Rezept wird bei Fertigarzneimitteln nur dann verlangt, wenn sie verschreibungspflichtig sind – und das sind Paracetamol-Zäpfchen oder PCM-Säfte nicht. Handelt es sich aber um eine Rezeptur, dann muss formal eine Dosierung aufgedruckt werden. Die Kinderärzte haben es oft in der Aufregung vergessen und wir Apothekenmitarbeiter wohl auch ab und an. Das Wichtigste war zu diesem Zeitpunkt unter Zeitdruck mit einer komplizierten Rezeptur die Kinder schnell zu versorgen, um Leid zu ersparen.
Die Politik und die Krankenkassen haben sich auch ganz artig bei uns bedankt und mit einem falschen Lächeln im Gesicht betont, wie wichtig die Arbeit der Apotheken gerade jetzt ist und wie sehr sie dankbar sind, dass wir uns der Verantwortung angenommen haben – wieder einmal. Es wurde sogar das Versprechen gegeben, bei Rezepturen die Mehrkosten für ihre Versicherten zu übernehmen und die Apotheken unkompliziert agieren zu lassen. Was jetzt folgt, ist aber das genaue Gegenteil: Bestimmte Krankenkassen, ganz vorne dabei die IKK classic, haben nun damit begonnen, die Rezepturen, auf denen die Dosierung fehlt, gezielt herauszufischen und mit einer Nullretax zu belegen.
Das bedeutet, dass die Apotheke nicht nur kein Geld für die Herstellung der Rezeptur bekommt (knapp 10 Euro, also eher ein Witz), sondern sie nicht einmal die Materialien bezahlt bekommt, die zu Herstellung nötig waren. Das bedeutet, die Apotheken haben sich nicht einmal für Garnichts den Allerwertesten aufgerissen, sondern sie dürfen den ganzen Aufwand auch noch komplett selbst bezahlen und drauflegen.
Wertschätzung sieht für mich definitiv anders aus! Und dass wir hier von der Politik alleine gelassen werden, zeigt ganz deutlich, wie verdammt wichtig es ist, auf die Barrikaden zu gehen und gegen ein solches Vorgehen zu protestieren. Die Apotheken sollten gezielt ihre Kunden ansprechen, die bei der IKK classic versichert sind, und sie über das Gebaren ihrer Kasse aufmerksam machen. Wahlweise ist es natürlich auch möglich, bei formalen Problemen wie fehlenden aut-idem-Kreuzen, nicht lieferbaren Arzneimitteln oder ähnlichem die Kunden nicht zu beliefern.
Man könnte sie auch mit dem Hinweis, wie restriktiv ihre Kasse retaxiert, zum Ändern des Rezeptes zum Arzt zurückschicken. Schauen wir mal, wie lange es dauert, bis bei der IKK die Telefone klingeln …
Bildquelle: Emil Kalibradov, unsplash