Sauerstoffmangel bei der Geburt ist lebensgefährlich und kann Hirnschädigungen hinterlassen. Forscher haben 25 verschiedene Wirkstoffe getestet, um Neugeborene vor Folgeschäden zu schützen. Dabei zeigten sich einige wirkungsvoller als die Standardtherapie.
Kinder, die unter Sauerstoffmangel geboren werden, müssen umgehend behandelt werden, denn diese Situation schädigt das Gehirn und bedeutet akute Lebensgefahr. Hierzulande sind solche Komplikation zwar selten, auf globaler Ebene ist Sauerstoffmangel bei der Geburt jedoch eine der Haupttodesursachen bei Neugeborenen. Weltweit versterben 1 Million Neugeborene pro Jahr daran. Um dem entgegenzuwirken, wird seit einigen Jahren die therapeutische Hypothermie eingesetzt. Die Körpertemperatur der Neugeborenen wird dabei für mehrere Tage auf rund 33 Grad Celsius abgesenkt und danach allmählich wieder erhöht.
„Durch die Abkühlung verlangsamt sich der Stoffwechsel und man gibt dem Gehirn die Möglichkeit zur Regeneration. Das erhöht die Überlebenschancen und senkt das Risiko für Spätfolgen“, erläutert Neonatologe Prof. Hemmen Sabir. „In den Industrienationen ist das Verfahren zwar etabliert, allerdings profitieren rund 40 Prozent der behandelten Kinder nicht davon. Und in Entwicklungsländern ist die Erfolgsquote noch viel geringer. Die Ursachen dafür sind nicht ganz klar, könnten aber damit zusammenhängen, dass die Neugeborenen dort aufgrund des gesundheitlichen Zustands ihrer Mütter und möglicherweise unbemerkten Infektionen schlechtere Voraussetzungen haben als in den Industrieländern. Angesichts dessen besteht dringender Bedarf an alternativen Therapien. Genau da hat unsere Studie angesetzt.“
Die Hypothermie ist bislang die einzig etablierte Therapie, um die Folgen von Sauerstoffmangel bei der Geburt zu behandeln. Weltweit wurden zwar schon medikamentöse Alternativen getestet – zumeist in Tierstudien – die Ergebnisse dieser Untersuchungen lassen sich allerdings nur schwer miteinander vergleichen. Prof. Sabir und sein Teams versuchten daher, Wirkstoffe unter identischen Verhältnissen zu erproben.
Dazu identifizierten sie zunächst insgesamt 25 vielversprechende Substanzen, die sie dann im Kleintiermodell bei Sauerstoffmangel testeten. Die Tiere wurden bis zu sechs Tage lang behandelt, in Abhängigkeit vom jeweiligen Wirkstoff. Von manchen Wirkstoffen wurde eine erste Dosis bereits kurz vor dem Sauerstoffmangel verabreicht. „Das bedeutet auf den Menschen übertragen, dass diese Wirkstoffe kurz vor oder während der Geburt der Mutter verabreicht werden, etwa bei offensichtlichen Risiken oder Komplikationen“, so Sabir. „Dafür eignen sich aber nur Substanzen, die die Plazenta durchdringen und daher vom Blutkreislauf der Mutter auf das Ungeborene übergehen können. Diese Situation haben wir in unserer Studie quasi nachgestellt.“
Sieben Tage nach dem Sauerstoffmangel wurden die Gehirne der Tiere auf Schäden untersucht. „Die Behandlung mit Koffein war am effektivsten, der Verlust an Hirnsubstanz in diesem Fall am geringsten und auch deutlich niedriger als bei der Kühlungstherapie“, sagt Sabir. „Von Koffein weiß man, dass es entzündungshemmend wirkt. Unsere Studie belegt, dass Koffein auch extrem neuroprotektiv ist.“ Sechs weitere Wirkstoffe schnitten ebenfalls besser ab als die Standardtherapie. Dazu gehören unter anderem das Hormon Melatonin, ein Gichtmittel, ein Wirkstoff gegen Allergien und Fischöl. Unter den insgesamt sieben besonders wirksamen Mitteln sind sowohl solche, die bereits vor dem Sauerstoffmangel verabreicht wurden – wie etwa Koffein –, als auch solche, deren Anwendung erst danach geschah.
„Der Vorteil einer medikamentösen Behandlung liegt darin, dass dafür keine komplexe Apparatemedizin erforderlich ist. Wenn sich Koffein tatsächlich als Mittel der Wahl herausstellt, hätten wir zudem einen Wirkstoff, der billig und leicht verfügbar ist. Diese Form der Therapie wäre für Entwicklungsländer besonders gut geeignet“, so Sabir. Vor einer Erprobung am Menschen seien jedoch zusätzliche Studien im Tiermodell erforderlich und die Wirkungsweise der verschiedenen Substanzen noch genauer zu untersuchen. Die Studienautoren zeigen sich jedoch zuversichtlich, dass bald klinische Studien am Menschen folgen.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung des Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e.V. (DZNE). Hier findet ihr die Originalpublikation.
Bildquelle: Glen Carrie, unsplash.