Deutschland ist relativ glimpflich durch den Kontrastmittelengpass gekommen. Doch wie viel brauchen wir davon überhaupt noch? Immerhin hilft Künstliche Intelligenz beim Einsparen.
Hersteller von Röntgenkontrastmitteln warnen vor Engpässen in Deutschland – und sehen die Patientensicherheit gefährdet. Stimmt das wirklich? DocCheck hat bei Prof. Alexander Radbruch nachgefragt. Er ist Direktor der Klinik für Neuroradiologie am Uniklinikum Bonn und engagiert sich in der Deutschen Röntgengesellschaft.
„Das eigentliche, initiale Problem ist in den USA und in Australien aufgetreten“, weiß Radbruch. General Electric (GE) als zentraler Hersteller von Kontrastmitteln hat in Shanghai produziert. Während der Pandemie kam es zu Beeinträchtigungen. „Das hat zu starken Lieferengpässen in den USA geführt“, sagt Radbruch. „In Deutschland war die Situation nicht vergleichbar, aber es war schon so, dass es teils erhebliche Probleme bei Beschaffungen gab.“
Um dem Kontrastmittelmangel entgegenzuwirken, kamen zwei unterschiedliche Strategien zum Einsatz. Entweder triagierten Ärzte Patienten – sprich sie hatten zu entscheiden, wer am dringendsten Untersuchungen mit Kontrastmittel benötigt. Oder Ärzte arbeiteten mit weniger Kontrastmittel.
„Aus Gesprächen mit US-Kollegen sind mir zwar keine Situationen berichtet worden, in denen lebenswichtige Untersuchungen nicht durchgeführt worden sind“, so Radbruch. Die Lage sei aber an vielen Krankenhäusern in den USA sehr angespannt gewesen. In Deutschland sei der CT-Kontrastmittelengpass insgesamt weniger stark ausgeprägt gewesen. Aktuell verzeichnet Radbruch eine Entspannung bei der Verfügbarkeit von CT-Kontrastmitteln.
Er vermutet, der Verbrauch an Kontrastmittel werde nach Ende der Lieferschwierigkeiten erst einmal wieder nach oben gehen. „Man hat zwar gelernt, mit weniger auszukommen. Aber letztlich handelt es sich bei der Kontrastmittelgabe immer um eine Risiko-Nutzen Abwägung und in der konkreten Situation will man keine relevanten Befunde übersehen, so dass im Zweifelsfall oftmals Kontrastmittel gegeben wird, wenn dies verfügbar ist. Perspektivisch werde die benötigte Menge aber sinken – dank innovativer Technologien.
Ärzte setzen Kontrastmittel nach dem Motto „so wenig wie möglich, so viel wie nötig“ ein, betont Radbruch. Die Präparate haben Nebenwirkungen; sie können allergische Reaktionen hervorrufen. Und sie lagern sich auch in der Umwelt ab. Ein niedriger Verbrauch ist – unabhängig von der Lieferfähigkeit der Hersteller – mehr als wünschenswert. Radbruch sieht perspektivisch große Chancen, Algorithmen der künstlichen Intelligenz einzusetzen: „Mit weniger Kontrastmittel erhalten wir also die gleiche Bildinformation, denn trainierte Algorithmen rechnen dies hoch.“
Interessant ist dieser Ansatz etwa für Gadolinium-haltige Kontrastmittel im MRT. Linear gebaute Moleküle sind in Europa nicht mehr zugelassen, makrozyklische Kontrastmittel gibt es weiter auf dem Markt. Sie sollten aber nur eingesetzt werden, falls keine Alternativen möglich sind. Am Beispiel von Gliom-Patienten zeigen Radbruch und Kollegen, dass die virtuelle Kontrastverstärkung gute Resultate liefert – bei einer Sensitivität von 91,8 % und einer Spezifität von 91,2 %. Zum Einsatz kam eine Deep-Learning-Architektur.
Bei Studien zu CT-Kontrastmitteln sei das Problem die Strahlenbelastung, so Radbruch. Patienten müssten mehrmals in den Scanner um den Algorithmus mit geringeren Kontrastmitteldosen zu trainieren: ein ethisches Problem. „Hier sind wahrscheinlich erst einmal tierexperimentelle Studien erforderlich.“ Radbruch ist aber überzeugt, dass die Kontrastmittelreduktion durch Künstliche Intelligenz in der Zukunft klinische Realität werden wird.
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