Das Gesetz zur Sterbehilfe ist erst einmal vom Tisch. Dabei scheinen die deutschen Ärzte sich recht einig zu sein. Eine DGS-Umfrage zeigt: 82 % sind für den ärztlich assistierten Suizid.
Erst in dieser Woche sind die beiden Gesetzentwürfe zur Reform der Sterbehilfe im Bundestag abgelehnt worden. Mit juristischen Zweifeln, vor allem mit Blick auf eine Wiederaufnahme der Regelungen in die Strafgerichtsbarkeit (Entwurf Castelucci), sowie Bedenken hinsichtlich des direkten Zugangs tödlicher Medikamente an Patienten sprachen die Abgeordneten sich gegen die Vorschläge aus.
Dass das Thema Sterbewunsch und Suizidhilfe damit auch vor dem Gesetzgeber offenbleibt, stößt nicht allen negativ auf. „Es ist richtig, dass der Bundestag heute noch keine Entscheidung über ein Suizidhilfegesetz getroffen hat. Das wäre im dichtgedrängten Sitzungsbetrieb der letzten Sitzungswoche der Sache nicht angemessen gewesen. Nun haben wir Zeit für die noch nicht ausreichend geführte gesamtgesellschaftliche Debatte. […] Nach dem Suizidpräventionsgesetz ist eine Regelung zur Suizidhilfe der zweite Schritt. Wir wollen gern dazu beitragen, dafür bessere Lösungen zu finden, als sie die bisher vorgelegten Gesetzentwürfe gebracht hätten“, erklärt Dr. Klaus Reinhardt, Präsident der Bundesärztekammer.
Während also in der Politik kein Entschluss gefasst wird und in der Gesellschaft das Für und Wider erneut debattiert werden kann, scheint sich die Ärzteschaft bei dem Thema weitestgehend einig. Die Deutsche Gesellschaft für Schmerzmedizin startete bereits im vergangenen Jahr eine Umfrage unter Ärzten, um ein Stimmungsbild zum Thema und bestimmten konkreten Fragestellungen einzufangen. Das nun veröffentlichte Zwischenergebnis zeigt: Von ärztlicher Seite besteht hohe Bereitschaft, den ärztlich assistierte Suizid durch- und fortzuführen, namentlich sprachen sich 82 % der Befragten dafür aus. Derweil lehnten 18 % der Ärzte jegliche Unterstützung beim Thema in Gänze ab.
Der Großteil der Ärzteschaft spricht sich für den ärztlich begleiteten Suizid aus. Credit: DGS. Gestartet ist die Umfrage damals auch, um Klarheit zu schaffen, was und wann bei bestimmten Krankheiten gehandelt werden kann. „Sind Ärztinnen und Ärzte dazu bereit, beim Suizid zu assistieren? Sollen nur Palliativpatientinnen und Palliativpatienten das Anrecht auf unterstützten Suizid haben, oder auch chronisch somatisch und/oder psychisch Kranke, wenn Behandlungen keinen Erfolg zeigen? Oder haben auch gesunde Menschen einen Anspruch auf ärztliche oder nicht-ärztliche Unterstützung? Oder sollten sich Ärzte in diesem Bereich überhaupt nicht betätigen?“, erklärte Norbert Schürmann, Vizepräsident der DGS.
Einig sind sich die Ärzte laut Umfrage zudem darin, dass Suizidassistenz bei akuten Krankheiten abgelehnt wird. Gleichzeitig würden ebenfalls fast alle Befragten bei chronisch erkrankten Personen den ärztlich assistierten Suizid befürworten und sich beteiligen. Allgemein zeigten die Auswertungen, dass Ärzte weitaus eher bereit sind. dem assistierten Suizid zuzustimmen, wenn vorab der Versuch einer Palliativversorgung erfolglos blieb. Uneinigkeit in der Ärzteschaft besteht lediglich in der Frage nach Suizidassistenz bei psychiatrisch erkrankten Personen. Hier würde lediglich die Hälfte der Befragten unterstützen.
Fast die Hälfte der Ärzte würde in Ausnahmefällen auch den Suizid psychiatrisch Erkrankter unterstützen. Credit: DGS.
Noch mehr Einigkeit findet sich partei-, berufs- und institutionsübergreifend beim Aspekt der Prävention. Bereits im vergangenen Jahr hat der Deutsche Ethikrat eine überarbeitete Stellungnahme „Suizid – Verantwortung, Prävention und Freiverantwortlichkeit“ veröffentlicht. Darin zentral: Die Bedeutung von Anlaufstellen sowie die Etablierung von „nachhaltigen und zielgenauen“ Präventionsprogrammen. Der darin formulierte Bedarf an struktureller Veränderung im Gesundheits- und Sozialwesen wird nun in Form gegossen.
Mit nur einer einzigen Gegenstimme im Bundestag beschlossen die Parteien übergreifend den Antrag „Suizidprävention stärken“. Darin festgeschrieben ist das Fixdatum des 30. Juni 2024, an dem der Bundestag einen Gesetzentwurf und eine Strategie für Suizidprävention vorzulegen hat, „mit dem die Maßnahmen und Akteure koordiniert und eine dauerhafte sowie zeitnahe Umsetzung sichergestellt werden“. Bestehenden Programme sollen ausgebaut und Telefonseelsorge ausgeweitet werden. Auch Projekte und weitere Maßnahmen zum stärkeren Einbezug von Berufsverbänden und Kammern sowie einer Stärkung der Suizidforschung seien geplant.
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