Was kostet mentale Gesundheit? Diese Frage stellen sich deutsche Forscher und errechnen, welche Kosten die psychosozialen Belastungen der Corona-Pandemie mit sich bringen.
Die psychosozialen Belastungen, denen Kinder und Jugendliche in Deutschland während der COVID-19-Pandemie ausgesetzt waren, haben bei einem Teil der Betroffenen zu emotionalen Störungen oder Verhaltensproblemen bis hin zu psychischen Erkrankungen mit langfristigen Folgen geführt. Für die Gesellschaft bedeutet dies in verschiedenen Bereichen hohe Folgekosten, deren potenzieller Umfang selbst bei konservativer Schätzung im Bereich mehrerer Milliarden Euro pro Jahr liegt.
Zu diesem Ergebnis kommt eine Expertise, die die Universität Ulm in Kooperation mit dem Hamburg Center for Health Economics (HCHE) der Universität Hamburg im Auftrag des Bundesministeriums für Familie und Jugend erstellt hat.
„Die Expertise zeigt: Jeder Euro, den wir jetzt in die mentale Gesundheit von jungen Menschen investieren, ist gut investiert. Damit tragen wir dazu bei, erhebliche Folgekosten in der Zukunft zu vermeiden und nachfolgende Generationen auch finanziell zu entlasten“, so Bundesfamilienministerin Lisa Paus.
Die Autoren haben berechnet, welche Folgekosten die drei Krankheitsbilder Depression, Angststörung und Essstörung bei Kindern und Jugendlichen auslösen – durch zusätzliche Gesundheitskosten sowie Kosten durch spätere Arbeitsunfähigkeit und Arbeitslosigkeit. Die Basis für diese Analysen bildeten systematische Studienauswertungen zu psychosozialen Belastungen, Kindeswohlgefährdung und Kostenfolgen im Kontext der Pandemie. Die Herausforderung dabei war, dass entsprechende Daten noch nicht oder nicht in ausreichender Menge und Qualität vorliegen.
Gleichzeitig sehen die Wissenschaftler dringenden Handlungsbedarf: „Im Sinne einer ausgleichenden Generationengerechtigkeit sollten langanhaltende Belastungen, die durch diese Krankheitsbilder entstehen, möglichst frühzeitig vermieden werden“, so Prof. Andreas Jud von der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie Ulm. Zwar gebe es bei Prognosen stets Unwägbarkeiten, doch man könne nicht auf präzise Zahlen warten, die erst in 10 oder 20 Jahren vorliegen werden: „Dann ist es zu spät, zu handeln.“
Die Modellierung zeigt eine Bandbreite mit unterer und oberer Grenze der gesamtgesellschaftlichen Folgekosten:
„Wir haben das vorhandene Datenmaterial nach wissenschaftlichen Standards bestmöglich genutzt, um Schätzwerte zu den Gesamtkosten zu prognostizieren und damit einen Entwicklungskorridor zu beschreiben“, betont Prof. Eva-Maria Wild vom HCHE. Die Autoren unterstreichen das Ergebnis, dass in Deutschland eine deutliche Verbesserung der Datenbasis notwendig ist – auch für zukünftige Herausforderungen.
Die Experten leiten aus den erwarteten, hohen Folgekosten drei Handlungsansätze ab:
In ihrem Fazit weisen die Wissenschaftler außerdem darauf hin, dass die psychosozialen Belastungen in der Pandemie vor allem jene Kinder und Jugendlichen und ihre Familien trafen, die bereits zuvor belastet waren. „Bestehende Ungleichheiten wurden noch verstärkt“, sagt Prof. Jörg M. Fegert, Ärztlicher Direktor der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Psychotherapie Ulm.
Dieser Artikel basiert auf einer Pressemitteilung der Universität Ulm.
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