Als PTA könnte ich jede Woche das Gleiche schreiben und hätte doch immer wieder neue Probleme zu beklagen: Natürlich spreche ich von den Lieferengpässen. Woran es aktuell hapert und warum es langsam gefährlich wird.
Die Lieferengpässe belasten die Apotheken bereits seit langer Zeit, doch die Lage wird trotz Gesetzesänderungen erst einmal nicht besser. Im Gegenteil – jeden Tag erreichen uns neue Hiobsbotschaften. Nach den Kinderarzneimitteln und den fehlenden Insulinen, die zunehmend einen neuen Absatzmarkt gefunden haben, sind es derzeit Asthmamedikamente, die Sorgen bereiten. Im kommenden Winter hängt das Damoklesschwert der fehlenden Antibiotikasäfte für Kinder über uns. Wie man vorausschauend mit diesem Problem umgehen kann und warum die Rezeptur vermutlich zumindest in Teilen wieder helfen kann, lest ihr hier.
Trulicity® (Dulaglutid) war bereits im vergangenen Jahr ein eher problematisch zu beschaffendes Inkretin-Mimetikum. Im März 2022 wurde erstmalig ein Lieferengpass bekannt gegeben und ungefähr ein Jahr darauf empfahl der Beirat für Liefer- und Versorgungsengpässe des BfArM sowohl für Trulicity® als auch für Ozempic® (Semaglutid) verschärfte Abgaberegelungen. Als ursächlich für die Lieferengpässe wurde der vermehrte Off-Label-Use zur Behandlung von Adipositas ausgemacht. Der Beirat erklärte daraufhin eine Verordnung außerhalb der zugelassenen Indikationen zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung als unzulässig.
Als Maßnahme wurde festgelegt, dass Verordnungen auf Privatrezepten, die darauf schließen lassen, dass es sich um einen solchen Off-Label-Use handelt, nur noch unter Angabe einer zugelassenen Indikation – nämlich Typ-2-Diabetes – in den Apotheken abgegeben werden können. Zudem darf die verordnete Menge den Bedarf für drei Monate nicht übersteigen. Ein Arztausweis genügt außerdem nicht mehr alleine, um an das Medikament zu kommen. Derzeit hat Hersteller Lilly die Direktbestellungen durch Apotheken eingestellt, da sich die Bestellungen in den vergangenen Monaten laut eigener Angabe verzehnfacht haben. Lilly gab bekannt, dass man möglicherweise in den kommenden Monaten nicht dazu in der Lage sein werde, den globalen Bedarf vollständig zu decken. Die Apothekenteams wurden gebeten, nicht mehr bei Lilly anzurufen; Ärzte sollten keine Neueinstellungen oder Umstellungen auf Trulicity® vornehmen. So soll sichergestellt werden, dass Patienten, die bereits mit Trulicity® behandelt werden, auch weiterhin Zugang haben. Es wuchert der Schwarzmarkt, wie man unter anderem bei Stern-TV auch zu hören bekommt. Bitter für die Betroffenen!
Auch bitter: Unlängst meldete Glaxo SmithKline, dass man aufgrund eines deutlichen Anstiegs der weltweiten Nachfrage nach Sultanol® Dosieraerosol (Salbutamol) im Nachgang der Corona-Pandemie den üblichen Bedarf in Deutschland bis Ende 2023 sowie voraussichtlich auch im Jahr 2024 nur eingeschränkt bedienen könne. Aktuell sind auch alle drei Packungsgrößen nicht lieferfähig. Für Apotheken bedeutet das, dass sie jetzt zwar schnell noch mit dem ein oder anderen Salbutamol-Spray eines anderen Herstellers aufstocken können, aber das wird auf Dauer sicher nicht diese große Lücke füllen.
Die betroffenen Patienten sind bereits jetzt sehr besorgt und würden sich gerne bis ins kommende Jahr hinein versorgen, die Medikamente also zuhause bunkern – kann man es ihnen verdenken? Wohl kaum. Trotzdem obliegt es den Heilberuflern, den Ärzten und Apothekern, hier Augenmaß walten zu lassen und eben nicht nach „Wer zuerst kommt, mahlt zuerst“-Manier vorzugehen. Wir wissen vermutlich trotzdem alle, wie es ausgehen wird: Einige wenige kaufen derzeit den kompletten Markt leer, um später als einzige im Umkreis lieferfähig zu sein und den Kollegen die Kunden abzugreifen.
In beiden Fällen ist die Apotheke aber nur Mittelsmann und kann weder das Inkretin-Mimetikum, noch das Dosieraerosol selbst herstellen. Anders sieht es bei den Antibiotikasäften aus, die immerhin in der Rezeptur hergestellt werden können, sofern man an die Ausgangsstoffe kommen kann. Eine Herstellung von Amoxicillin-Saft ist theoretisch sowohl mit dem Wirkstoff selbst, als auch aus Tabletten möglich. Das Problem: Es gibt derzeit keine für die Arzneimittelherstellung relevanten NRF-Vorschriften und NRF-Stammzubereitungen. Das bedeutet, dass die PTA und Apotheker in der Luft hängen, vor allem da offizielle Rahmenrezepturen für eine Trockensaftgrundlage fehlen.
Bewusst ist allen, dass frisch hergestellte Antibiotika-Säfte auch bei der Lagerung im Kühlschrank nur eine kurze Haltbarkeitsdauer aufweisen, daher ist an eine Großherstellung a la Paracetamol-Säfte – wie sie in einigen Apotheken Deutschlands praktiziert wurde – nicht zu denken. Eine Einzelherstellung ist zeitlich so aufwändig, dass sie gerade in der arbeitsintensiveren Winterzeit bei den herrschenden Personalnöten ebenfalls eigentlich nicht praktikabel ist. Hier ist dringend Abhilfe zu schaffen, denn ein Fehlen von Antibiotikazubereitungen für (Klein-)Kinder wäre eine Katastrophe und auch mit den fehlenden Fieber- und Schmerzmitteln kaum zu vergleichen.
In der neueren Literatur wurde das Thema immerhin schon angegangen, denn im Formularium paediatricum, das in diesem Jahr vom Deutschen Apotheker-Verlag herausgegeben wurde, findet sich ein wirklich praktikables Rezept zur Herstellung eines Amoxicillin-Trockensaftes mit 125 mg/5 ml, der auch in größeren Ansätzen im Rahmen einer 100er Defektur herzustellen ist – wenn die Apotheken an den Wirkstoff kommen. Auch die Herstellung von Azithromycin- und Cefuroxim-Säften aus Fertigarzneimitteln für Erwachsene unter anderem auf Basis der „Grundlage für Suspensionen zum Einnehmen NRF S.52“ wird dort beschrieben. Die Autoren Ziegler, Metzger und Fischer machen darauf aufmerksam, dass die bekannten Formulierungen zwar grundsätzlich plausibel klingen, aber hinsichtlich ihrer Stabilität noch nicht näher untersucht wurden.
Das wäre eine der drängendsten Aufgaben, der sich beispielsweise das Zentrallaboratorium Deutscher Apotheker annehmen müsste (was sie vermutlich auch bereits tun) – und zwar bevor es zu spät ist und die ersten Eltern wieder kilometerweit fahren müssen, um ihrem Kind helfen zu können. Die Apotheke ist ein ständiger Löcherstopfer in der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung. Es wird gefährlich, wenn ihre Anzahl weiter ausgedünnt wird.
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