Zu Beginn einer Krankengeschichte können Symptome so unspezifisch sein, dass nicht auf den ersten Blick ein scharf umrissenes Krankheitsbild erkennbar ist. Typische gastrointestinale Allgemeinsymptome, mit denen viele Mediziner*innen vermutlich täglich konfrontiert sind, sind z. B. unklare Bauchschmerzen und chronische Durchfälle, die vom Reizdarmsyndrom über chronisch-entzündliche Darmerkrankungen (CED) oder Krebserkrankungen zahlreiche Ursachen haben können. Welche ersten Untersuchungen können sinnvoll sein, damit der Weg zu einer stimmigen Diagnose und damit einer passenden Therapie möglichst kurz ist?
Um die Ursache unklarer (chronischer) Bauchschmerzen einzugrenzen, kann es zunächst sinnvoll sein, zwischen somatischen Schmerzen, die von der Bauchwand ausgehen, und viszeralen Schmerzen, deren Ursache in den inneren Organen liegt, zu differenzieren. Denn auch die Bauchwand – und nicht nur Magen, Darm und Co. – kann Patient*innen chronische Probleme bereiten. Ursächlich ist dann meist eine Schädigung der Bauchwandnerven. Das Krankheitsbild ist nicht selten, insbesondere bei Patient*innen mit chronischen abdominalen Schmerzen, bei denen frühere Diagnoseversuche kein klares Bild ergaben: Bei dieser Gruppe lag die Prävalenz bei bis zu 30 %.1
Zur Unterscheidung zwischen organbedingten und Bauchwandschmerzen eignet sich der Carnett-Test ist, der denkbar einfach in die klinische Routine integrierbar ist und möglicherweise aufwendige invasive Diagnostik überflüssig macht. In Studien zeigte der Test eine hohe Sensitivität (ca. 80 %) und Spezifität (ca. 90 %).1
Zur Durchführung des Tests werden Patient*innen in Rückenlage positioniert. Wurde ein typischerweise punktförmiges Schmerzareal identifiziert, sollen die Patient*innen die Bauchdecke anspannen (durch Anheben der Beine oder des Oberkörpers ohne Zuhilfenahme der Arme). Wenn die Bauchmuskulatur angespannt wird und Druck mit dem Finger auf das Schmerzareal den Schmerz verstärkt, ist der Carnett-Test positiv. In einem solchen Fall ist eher von einem somatischen, Bauchwand-bedingten Schmerz auszugehen. Führt das Anspannen der Bauchdecke zu einer Schmerzlinderung (Carnett-Test negativ), liegt vermutlich eine viszerale Ursache vor, da die angespannte Muskulatur die schmerzenden Organe vor dem Fingerdruck schützt.2,3
Abbildung 1: Durchführung des Carnett-Tests. Modifiziert nach 2.
Bei Bauchwand-bedingten Schmerzen kommt eine lokale Therapie (z. B. Injektionen von Lokalanästhetika (und Kortison), chemische Neurolyse oder Operation) in Frage.3 Deutet der Befund auf einen viszeralen Ursprung hin, geht die Suche nach der richtigen Diagnose weiter.
Berichten Patient*innen von Diarrhö, können verschiedene Ursachen in Betracht gezogen werden. Zur Abklärung, ob bei chronischem Durchfall möglicherweise eine funktionelle Darmstörung wie ein Reizdarmsyndrom (Irritable Bowel Syndrome, IBS) vorliegt, sind die Rom-IV-Kriterien hilfreich. Demnach kann ein Reizdarmsyndrom bestehen, wenn wiederkehrende abdominale Schmerzen in den drei letzten Monaten an mindestens einem Tag pro Woche in Verbindung mit mindestens zwei der folgenden Kriterien auftreten:4,5
Zur Beschreibung der Stuhlkonsistenz wird die 7-stufige Bristol Stool Form Scale (BSF) empfohlen. Auf deren Basis kann dann weiter nach Reizdarm-Subtypen (IBS-C: Obstipation; IBS-D: Diarrhö, IBS-M: Mischform und IBS-U: nicht eindeutig) differenziert werden.4,5
Auf ein Reizdarmsyndrom mit Diarrhö (Subtyp IBS-D) deutet hin, wenn während eines 2-wöchigen Stuhltagebuchs weicher oder wässriger Stuhl (BSF 6 oder 7) bei ≥ 25 % und harter oder klumpiger Stuhl (BSF 1 oder 2) bei ≤ 25 % der Darmentleerungen vorliegen. Bei einem Reizdarmsyndrom mit Obstipation (RDS-C), einer Mischform oder einer nicht eindeutig einzuordnenden Ausprägung liegen andere Verhältnisse der Stuhltypen vor (Vgl. Abb. 2).4,5
Aber Achtung – gemäß S3-Leitlinie Reizdarmsyndrom ist zu beachten: Die Diagnose sollte nicht rein symptombasiert gestellt werden, sondern stets als Ausschlussdiagnose – andere in Frage kommende Ursachen, insbesondere ernste Erkrankungen wie maligne Neubildungen (kolorektales oder Ovarialkarzinom), CED, mikroskopische Kolitis oder Zöliakie, müssen daher zuverlässig und zügig eliminiert werden! Vorsicht ist geboten, wenn sich beispielsweise eines oder mehrere der folgenden Symptome zeigen, denn diese passen nicht zum Krankheitsbild:5
Zu Basisdiagnostik gehören daher neben detaillierter Anamnese und körperlicher Untersuchung ein Basislabor (einschließlich Zöliakie-Antikörperdiagnostik, Bestimmung des fäkalen Entzündungsmarkers Calprotectin, Untersuchung auf Erreger wie Giardien und Clostridien), eine Bauchsonografie, ggf. eine gynäkologische Abklärung und weitere Untersuchungen je nach Verdacht. Insbesondere der Calprotectin-Wert kann sich bereits in der Hausarztpraxis eignen, um zwischen funktionellen und entzündlichen Ursachen zu unterscheiden. Bei Diarrhö als Hauptsymptom empfiehlt die S3-Leitlinie zusätzlich eine endoskopische Untersuchung einschließlich Stufenbiopsien sowie Funktionsdiagnostik.5
Erhärtet sich der Verdacht auf eine andere Grunderkrankung, z. B. auf eine CED, sollte der Fall rasch von einer Spezialistin oder einem Spezialisten abgeklärt werden. Bislang existiert zwar kein einzelnes, alleingültiges diagnostisches Kriterium – doch es gibt Warnsymptome, wie z. B. Gewichtsverlust, Blut im Stuhl oder perianale Beteiligung, die häufig mit CED assoziiert sind und in Kombination mit den Allgemeinsymptomen Durchfall und Bauchschmerzen auftreten können.6
Mehr über solche „Red Flags“ erfahren Sie in einem unserer nächsten Beiträge – folgen Sie DarmAlarm, damit Sie kein Update verpassen!
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