Es ist soweit, das Pflegeunterstützungs- und entlastungsgesetz ist da. Es ist ein Konglomerat an Maßnahmen – aber bringen tun die keinem was. Verbände sind sich einig: Das reicht nicht!
Geld fehlt, Personal fehlt, Zeit fehlt – die Situation in der Pflege ist dermaßen prekär, man weiß gar nicht, wo man anfangen soll. Gleichzeitig spitzt sich auch die finanzielle Situation bei den Pflegebedürftigen und ihren Angehörigen zu. Mit dem Pflegeunterstützungs- und entlastungsgesetz (PUEG) hat die Bundesregierung einen Aufschlag gemacht, der das System entlasten und langfristige Lösungen bieten sollte.
Doch das Programm biete zu wenig – sowohl für die Einrichtungen als auch die Versicherten selbst, ist sich eine breite Front aus Pflegeverbänden einig. Mit einem eigenen Vorschlag traten diese nun an die Bundesregierung heran und forderten den einzig sinnvollen Umbau im Pflegesektor: Die Schaffung einer Vollversicherung in der Pflege. Genauer gesagt: „Sämtliche durch einen unabhängigen pflegerischen-medizinischen Dienst für bedarfsgerecht erachtete Pflegeleistungen müssen in vollem Umfang und ohne Eigenanteile vollständig von den Kassen finanziert werden“, so die Verbände.
Wirft man nun einen Blick in das PUEG, um die Kritikpunkte zu verstehen, zeigt sich schnell: Alle sollen etwas abbekommen.
Schwer zu übersehen: Es ist eine große Gießkanne, die die Berliner Gärtner da in die Hand genommen haben. Und doch: Besserung ist noch nicht in Sicht. Ganz im Gegenteil: Der Verband der Ersatzkassen veröffentlichte aktuelle Statistiken zur Mehrbelastung aller beteiligten Akteure.
Insbesondere für Versicherte könnten die steigenden Kosten demnach armutsbedrohende Ausmaße annehmen. Demnach hätten Pflegebedürftige im ersten Jahr ihres Aufenthalts die höchsten Mehrkosten im Vergleich zum Vorjahr. Hier stieg die monatliche Eigenbeteiligung innerhalb eines Jahres bundesweit im Durchschnitt um 348 Euro, von 2.200 Euro in 2022 auf 2.548 Euro in 2023.
An dieser Stelle setzt der Paritätische mit seinen Forderungen an die Politik an. Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands ergänzt: „Pflege sollte wie die Gesundheitsversorgung selbstverständlich zu einem modernen Sozialstaat dazu gehören. Wir erleben, wie Pflegebedürftigkeit immer mehr zu einer echten Armutsfalle wird.” Fast ein Drittel aller Pflegebedürftigen in Heimen sei inzwischen auf Sozialhilfe angewiesen, warnt das Bündnis.
Doch auch die Einrichtungen selbst kämpfen noch mit den aufgebürdeten Mehrkosten. Allem voran die notwendigen Ausgaben der Pflegeeinrichtungen mit Blick auf die seit September 2022 geltende „Tariftreue-Regelung“ schlagen hierbei zu buche. Dazu kommt, dass durch feste Personalschlüssel bei gleichzeitig niedrigem bundesweiten Personalstand die Kosten für Anwerbung im Ausland kaum (einheitlich) übernommen werden. Viel eher müsse man im Zweifelsfall nun auch einen „Nachweis einer fairen und ethischen Anwerbung“ vorlegen, um bei der Kostenaufwendung berücksichtigt zu werden. Dass die Einrichtungen gezwungen seien, ihre Kosten an die Versicherten weiterzugeben, stößt bereits im Grundkonzept auf Widerspruch.
„Wir unterstützen die Maßnahmen für eine faire Bezahlung des Pflegepersonals und die Sicherstellung einer angemessenen Personaldecke in Pflegeheimen“, sagte Dr. Jörg Meyers-Middendorf, Vertreter des vdek-Vorstandes. „Es kann aber nicht sein, dass die stetig steigenden Kosten zum Großteil von den Pflegebedürftigen geschultert werden müssen. Wenn der Aufenthalt im Pflegeheim von immer mehr Menschen nicht mehr bezahlt werden kann, läuft etwas gründlich schief.“
Daneben schlagen Investitionskosten Löcher in die Kassen der Einrichtungen, bei denen sich die Versicherten ebenfalls beteiligen (müssen). Immerhin ein Lichtblick für Letztere: Reicht das eigene Einkommen nicht aus, um den privaten Anteil an den Investitionskosten zu zahlen, gibt es je nach Bundesland Unterstützung in Form des Pflegewohngelds – zumindest in Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westphalen und Mecklenburg-Vorpommern.
Dass diese Investitionen nun teilweise durch das PUEG abgefangen werden, sei kein nachhaltiger Erfolg. „Es braucht zeitnah eine Lösung zur nachhaltigen Entlastung der Pflegebedürftigen, die nicht allein auf dem Rücken der Beitragszahler lastet. Dazu gehört es, die Bundesländer endlich zur Übernahme der Investitionskosten für die Pflegeeinrichtungen zu verpflichten. Das würde die Pflegebedürftigen ad hoc um durchschnittlich 477 Euro pro Monat entlasten” fordert Meyers-Middendorf.
Ob das Pflegesystem an den Maßnahmen des PUEG nun genesen wird oder doch ein Strukturwandel im Sinne der Vollversicherung nötig ist, um Personaldecke und Finanzlagen zu sichern, wird sich mit dessen Umsetzung zeigen. Fest steht: In 2050 werden rund 10 Millionen Menschen in Deutschland 80 Jahre oder älter sein. 6,5 Millionen werden pflegebedürftig sein.
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