Bei Multipler Sklerose werden autoaggressive T-Zellen aktiviert, die Nervenzellen angreifen. Forscher konnten nun sichtbar machen, wo die T-Zellen ihre zerstörerischen Eigenschaften entwickeln und dass dies in Abhängigkeit vom Darmmikrobiom geschieht.
Multiple Sklerose (MS) ist eine entzündliche Autoimmunerkrankung des zentralen Nervensystems. Ausgelöst wird sie durch bestimmte T-Zellen, die in Gehirn und Rückenmark eindringen und die Myelinscheiden um Nervenzellen angreifen. In den letzten Jahren fanden Forscher zunehmend Hinweise, dass das Mikrobiom im Darm bei der Aktivierung dieser Zellen eine wesentliche Rolle spielt. Der genaue Ort und die zugrundeliegenden Mechanismen blieben jedoch unklar.
Einem Team um Wissenschaftler Dr. Naoto Kawakami ist es nun mithilfe bildgebender Verfahren erstmals gelungen, die Aktivierung der Zellen in Abhängigkeit vom Mikrobiom im Mausmodell live zu verfolgen. Die Wissenschaftler verwendeten für ihre Studie einen anspruchsvollen Ansatz, mit dem sie die Beweglichkeit und die Aktivierung bestimmter T-Zellen mithilfe von Zwei-Photonen-Bildgebung live sichtbar machten. Mit einem Sensorprotein erfassten sie Änderungen der zellulären Calciumkonzentration, was Rückschlüsse auf die Aktivität der T-Zellen ermöglicht. Die untersuchten enzephalitogenen T-Zellen richten sich spezifisch gegen ein Protein in der Myelinhülle von Nervenzellen und spielen bei der Entstehung von Multipler Sklerose eine zentrale Rolle.
Wie die Forscher zeigen konnten, erfolgt die dafür notwendige Aktivierung dieser Zellen in sogenanntem darmassoziiertem lymphatischem Gewebe (GALT), das sich in der Lamina propria befindet. Allerdings nur, wenn die untersuchten Mäuse ein intaktes Darmmikrobiom besaßen: War der Darm keimfrei, blieb die Aktivierung aus.
„Interessanterweise scheint die Aktivierung in der Lamina propria ein genereller Mechanismus zu sein, denn auch für nicht enzephalitogene T-Zellen, die sich gegen andere Moleküle im Körper richten, haben wir eine Aktivierung in Abhängigkeit vom Mikrobiom gefunden“, sagt Kawakami. Die Wissenschaftler vermuten, dass das Mikrobiom Moleküle produziert, die von den jeweiligen Rezeptoren der T-Zellen erkannt werden und die Zellen so aktivieren.
In den enzephalitogenen T-Zellen werden durch die Aktivierung Gene angeschaltet, durch die sie sich zu sogenannten Th17-Zellen differenzieren, wie die Wissenschaftler nachweisen konnten. Durch diese Differenzierung entwickeln die Zellen die Eigenschaften, die es ihnen ermöglichen, in das Zentralnervensystem einzuwandern und Entzündungen auszulösen. „Unsere Ergebnisse leisten einen wichtigen Beitrag, um die Entstehung von Multipler Sklerose besser zu verstehen und eröffnen langfristig möglicherweise neue Therapieoptionen“, sagt Kawakami.
Dieser Text basiert auf einer Pressemitteilung der Ludwig-Maximilians-Universität München. Hier findet ihr die Originalpublikation.
Bildquelle: Dan Sealey, unsplash