Lange, volle Wimpern verzaubern – aber was, wenn sie ein Nährboden für Parasiten sind? Welche gesundheitlichen Fallstricke hinter trendigen Wimpernseren und -verlängerungen lauern, erfahrt ihr hier.
Die meisten Wimpernseren lassen sich in zwei Kategorien einteilen. Einerseits gibt es Seren, die die Wimpernqualität durch pflegende Stoffe stärken. Diese werden oftmals auch als hormonfreie Wimpernseren beworben und beinhalten Öle, Aminosäuren sowie feuchtigkeitsspendende und pflegende Inhaltsstoffe.
Die zweite Kategorie von Seren greift direkt in den Haarzyklus ein. Diese hormonhaltigen Wimpernseren beinhalten ein Derivat des körpereigenen Prostaglandins F2a. Genau genommen beinhalten diese Wimpernseren also eine Klasse von Gewebshormonen, oder aglanduläre Hormone, die nicht wie andere Hormone systemisch wirken, sondern hauptsächlich lokal. Ist ein Prostaglandinderivat im Wimpernserum enthalten, so ist es – sofern unter den Inhaltsstoffen angegeben – im Namen des jeweiligen Stoffes an der Silbe „prost“ erkennbar.
Wie alle Haare des menschlichen Körpers unterliegen auch Wimpern einem Wachstumszyklus. Dieser besteht aus der Anagenphase (Wachstumsphase), der Katagenphase (Übergangsphase) und der Telogenphase (Ruhephase). Laboruntersuchungen zeigen, dass die Wirkung der Prostaglandinderivate in der frühen Anagenphase des Haarzyklus stattfindet. Eine Verlängerung der Anagenphase des Haarzyklus sorgt somit für ein längeres Wimpernwachstum.
Die Zunahme der Wimpernanzahl erklärt sich dadurch, dass die Anagenphase zusätzlich bei sich in der Telogenphase des Haarzyklus befindlichen Follikeln induziert wird. Außerdem sollen hypertrophe Veränderungen induziert werden, die dafür sorgen, dass der Wimperndurchmesser erhöht wird. Prostaglandinderivate scheinen außerdem einen Einfluss auf die Melanogenese zu haben und somit für ein dunkleres Erscheinungsbild der Wimpern zu sorgen. Der genaue Wirkmechanismus auf die Melanogenese ist jedoch noch nicht bekannt.
Ursprünglich entdeckt wurde die Wirkung von Prostaglandinderivaten auf die Wimpern als Nebenwirkung im Rahmen der Anwendung von prostaglandin-haltigen Augentropfen in der Augenheilkunde. Diese Prostaglandinanaloga (PGA) werden zur Behandlung des Offenwinkelglaukoms und bei okulärer Hypertension zur Augeninnendrucksenkung angewandt. Sie zählen aufgrund ihrer Wirksamkeit zu einer der am häufigsten verwendeten Substanzgruppen. Durch Verbesserung des Kammerwasserabflusses kann der Augeninnendruck effektiv gesenkt werden.
Im Rahmen der Behandlung konnte als Nebenwirkung ein längeres, dichteres Wimpernwachstum beobachtet werden. Im Bereich der Kosmetik wurde man auch auf diese Nebenwirkung aufmerksam. PGA wurde daraufhin niedriger konzentriert und in anderer Formulierung in Wimpernseren eingesetzt.
In welchen Dosierungen PGA in Wimpernseren eingesetzt werden, ist auf Inhaltslisten oft nicht angegeben. PGA-enthaltende Wimpernseren sind in den letzten Jahren zunehmend in die Kritik gelangt, da diese – wie auch PGA-Augentropfen in der Augenheilkunde – viele weitere Nebenwirkungen an den Augen verursachen können. Eine sehr häufige Nebenwirkung, die bei bis zu 29 % der Anwender auftritt, ist die konjunktivale Hyperämie. Lokale Reaktionen am Auge wie Brennen, Juckreiz und Augenschmerzen sowie gerötete und juckende Augenlider, trockene Augen und vermehrtes Haarwachstum periokulär können zudem bei bis zu 1 von 10 Behandelten auftreten.
Durch die gesteigerte Melanogenese kann bei 3–10 % der Patienten auch eine Hyperpigmentierung der Iris und periorbital auftreten, was zu dunklen Augenringen führen kann. Die Zunahme der Irispigmentierung ist irreversibel.
Will man mit Hilfe von Wimpernseren die Schönheit hervorheben, sind gerötete, schmerzende Augen und eventuell auch irreversible Veränderungen – wie etwa eine dunklere Pigmentierung oder eingesunkene Augen – mit Sicherheit nicht erwünscht. Auch wenn PGA in Wimpernseren vergleichsweise geringer dosiert sind als in den entsprechenden Arzneimitteln, gelangt dennoch bei regelmäßiger und vielleicht auch nicht ganz korrekter Anwendung am Lidrand immer wieder ein Bruchteil des Wimpernserums in die Augen.
Da bei PGA außerdem noch immer die Entstehung eines zystoiden Makulaödems im Raum steht und auch weitere Wirkungen an den Augen nicht gesichert sind, sollte man von Schönheitsprodukten im Bereich der Augen, die Substanzen enthalten, die ein derartiges Nebenwirkungsprofil aufweisen, wohl Abstand nehmen.
Wenn Wimpernwachstumsseren nicht zu empfehlen sind, wieso dann nicht eine Wimpernverlängerung durchführen lassen?
Bei einer Wimpernverlängerung werden Kunstwimpern mittels Klebstoff an die eigenen Wimpern angeklebt. Sie sind beliebt, um Wimpern voller und länger erscheinen zu lassen. Bekannt ist, dass der Klebstoff (häufige Inhaltsstoffe sind Latex und Ammoniak) allergische Reaktionen auslösen kann. Das kann zu Juckreiz, Schwellung und Rötung führen.
Ein weiteres Risiko, das bei unsachgemäßer Anbringung oder durch Reiben an den Augen auftreten kann, ist das Einbringen von Klebstoff in das Auge. Das kann zu einer Erosio corneae – einer oberflächlichen Wunde, bei der das Hornhautepithel zu Schaden kommt – führen. Diese Hornhautverletzung ist meist schmerzhaft und mit Tränenrinnen, gerötetem Auge und, je nach Lage auf der Hornhaut, auch mit einer Sehverschlechterung verbunden.
Je nach Ausmaß kann die Heilung mehrere Stunden bis Tage andauern. Die oben genannten Beschwerden treten früh nach Durchführung einer Wimpernverlängerung auf, sind gut behandelbar und von der Dauer der Beschwerden absehbar. Doch Wimpernverlängerungen können auch zu einem schwer zu therapierenden und langanhaltenden Beschwerdebild führen – einer Blepharitis durch Demodexbefall.
Bei einer Blepharitis handelt es sich um eine chronische Entzündung, die den Lidrand betrifft und in der Literatur mit einer Häufigkeit von bis zu 47 % der Patienten, die sich augenärztlich untersuchen lassen, gefunden werden kann. In weiterer Folge führt sie häufig zu einer Störung der Augenoberfläche, die wiederum zu Konjunktivitis, Tränenfilmstörungen oder auch zu Keratitis führen kann. Das Beschwerdebild umfasst unter anderem geschwollene, gerötete Lidkanten, Ablagerungen im Bereich der Wimpern, trockene Augen, Juckreiz, Fremdkörpergefühl und Beeinträchtigungen der Sehschärfe durch Verschwommensehen.
Demodexmilben scheinen, so zeigt die Forschung der letzten Jahre immer deutlicher, einen bislang unterschätzten Einfluss auf die Entstehung einer Blepharitis zu haben. Demodex, ein mikroskopisch kleiner Ektoparasit, besiedelt in Form von Demodex folliculorum und Demodex brevis unseren Körper. D. folliculorum lebt in den Wimpernfollikeln, während D. brevis sich in den Meibomdrüsen im Bereich des Lidrandes befindet.
Laut Literatur sollen bei bis zu 70 % der Patienten mit Blepharitis Demodexmilben am Entzündungsprozess beteiligt sein (hier, hier und hier). Entscheidend dabei, ob die auf jedem Körper natürlich vorkommenden Demodexmilben eine Blepharitis verursachen können, ist unter anderem die Anzahl der Milben. Diese soll bei Patienten mit Wimpernverlängerungen um ein Vielfaches höher sein.
Wimpernverlängerungen scheinen ideale Umweltbedingungen für Demodexmilben darzustellen. Jegliche Ablagerungen auf den Lidern fördern eine Demodexvermehrung. In Folge des Demodex-Befalles verkleben und verkrusten schließlich die Augenlider und Wimpern.
Eine weitere Ursache scheint jedoch auch eine stark reduzierte Lidrandhygiene bei Patienten mit Wimpernverlängerung zu sein. Da aufgeklebte Wimpern durch Reibung eher abfallen können und eine kosmetische Behandlung teuer ist, werden Wimpern und Augenregion nach einer Wimpernverlängerung oftmals kaum oder unzureichend gereinigt. Vor allem bei jungen Frauen und Teenagern zeigt sich hier gehäuft eine Blepharitis durch Demodexbefall.
Die Öle und der Klebstoff, die beim Anbringen der Wimpern verwendet werden, sorgen zusätzlich dafür, dass Meibomdrüsenausführungsgänge am Lidrand blockiert werden. Das kann ebenfalls zu Beschwerden und zum trockenen Auge führen.
Hinsichtlich des Risikos einer allergischen Reaktion sowie Verletzung der Hornhaut und Entwicklung einer Blepharitis mit folgenden Beschwerden eines trockenen Auges sollte von Wimpernverlängerungen aus augenärztlicher Sicht auf jeden Fall abgeraten werden. Patienten mit bereits stattgefundener Wimpernverlängerung sollten unbedingt darauf hingewiesen werden, eine regelmäßige und gründliche Lidrandreinigung – bestenfalls zweimal täglich – durchzuführen.
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