Für Kinder und ältere Menschen kann eine RSV-Infektion gefährlich werden. Jetzt wurde erstmals ein Impfstoff für Schwangere empfohlen – er soll die Säuglinge schützen. Lest hier, was es damit auf sich hat.
Die EMA hat in dieser Woche die Zulassung des ersten RSV-Impfstoffes für Säuglinge empfohlen. Der Passivimpfstoff mit dem Namen Abrysvo® soll nicht bei den Kindern selbst, sondern bei Schwangeren eingesetzt werden und die Kinder so durch den Nestschutz bis zu 6 Monate lang schützen. Ferner kann der Impfstoff zur aktiven Immunisierung von Erwachsenen über 60 Jahren eingesetzt werden. Für diese Altersgruppe steht bereits seit Juni zusätzlich ein weiterer Impfstoff mit dem Namen Arexvy® zur Verfügung.
Während RSV bei immunkompetenten Erwachsenen lediglich leichte, erkältungsähnliche Symptome hervorruft, kann das Virus bei Kleinkindern und älteren Erwachsenen schwerwiegende Folgen haben. Das Virus kann eine Bronchiolitis und Pneumonie mit schwerer Atemnot bis hin zum ARDS auslösen. So sind RSV-Infektionen in der EU die häufigste Ursache für Krankenhausaufenthalte bei Kindern. Weltweit sterben jährlich etwa 102.000 Kinder an RSV, davon sind etwa die Hälfte Säuglinge unter 6 Monaten und die große Mehrheit lebt in Entwicklungsländern. Es gibt keine spezifische Behandlung für RSV, sondern nur supportive Maßnahmen wie Sauerstoff- und Flüssigkeitsgaben. Unter den Erwachsenen sind vor allem ältere Menschen und solche mit Lungen-, Herzkrankheiten und/oder Diabetes besonders gefährdet, schwere RSV-Verläufe zu entwickeln. Schätzungen zufolge führen RSV-Infektionen in Europa jährlich zu 17.000 Todesfällen und einer viertel Million Krankenhausaufenthalten bei Menschen über 65.
Abrysvo® ist ein bivalenter Impfstoff, der aus zwei rekombinanten RSV-Fusionsoberflächenglykoproteinen besteht, über die das Virus die Wirtszellen entert. Diese wurden laut EMA so ausgewählt, dass sie einen optimalen Schutz gegen die RSV-A- und -B-Stämme bieten. Diese Proteine stellen auch die Hauptziele der körpereigenen Immunabwehr gegen das Virus dar. Aufgrund des großen öffentlichen Interesses wurde die Zulassung von Abrysvo® in einem beschleunigten Bewertungsverfahren von der EMA geprüft.
Die Zulassungsempfehlung mit der Indikation für Säuglinge stützt sich auf die sogenannte MATISSE („MATernal Immunization Study for Safety and Efficacy“) Studie, bei der insgesamt 7.400 Schwangere aus 18 Ländern randomisiert wurden und einmalig den Impfstoff oder ein Placebo erhielten. 3.570 bzw. 3.558 Säuglinge wurden anschließend untersucht. Der Impfstoff zeigte vor allem eine gute Prävention schwerer RSV-Verläufe. Bei 6 Säuglingen in der Impfstoffgruppe vs. 33 Säuglingen in der Placebogruppe traten innerhalb von 90 Tagen nach der Geburt schwere Erkrankungen der unteren Atemwege durch RSV auf, die eine medizinische Betreuung erforderten. Das entspricht laut Herstellerangaben einer Wirksamkeit von 81,8 %. Die Schutzwirkung hielt jedoch auch noch länger an.
In den 180 Tagen nach Geburt wurden in der Impfstoffgruppe 19 Fälle und in der Placebogruppe 62 Fälle schwerer RSV-Infektionen beobachtet, was einer Wirksamkeit von 69,4 % entsprach. Bei der Gesamtzahl aller MA-LRTI (medically attended lower respiratory tract illness) kam es zu einem Rückgang um 57,1 % (14,7–79,8 %) in den ersten 90 Lebenstagen und von 51,3 % (29,4–66,8 %) in den ersten 6 Monaten. Damit verfehlte der Impfstoff trotzt klinischer Wirksamkeit das statistische Erfolgskriterium für den zweiten primären Endpunkt. Die häufigsten Nebenwirkungen, die bei den geimpften Schwangeren auftraten, waren Schmerzen an der Impfstelle, Kopfschmerzen und Muskelschmerzen. Es wurden keine Sicherheitssignale bei den Müttern oder ihren Kindern festgestellt, wobei die Kinder mindestens bis zum ersten Lebensjahr, in 50 % der Fälle sogar bis zum zweiten Lebensjahr, nachbeobachtet wurden.
Die Studienautoren geben als limitierende Faktoren selbst an, dass Frauen mit Hoch-Risiko-Schwangerschaften aus der Studie ausgeschlossen wurden und die Ergebnisse auf deren Kinder nur eingeschränkt übertragbar seien, da bei ihnen möglicherweise ein erhöhtes Risiko für RSV-Infektionen vorliege. Zudem lägen nur wenige Daten zu Niedriglohnländern vor, obwohl die Impfung gerade dort einen großen Unterschied machen könne. Außerdem müssten noch mehr Frauen und Kinder geimpft und beobachtet werden.
In Bezug auf Erwachsene wurden in einer anderen Studie (RENOIR (RSV vaccine Efficacy study iNOlder adults Immunized against RSV disease) 18.488 Erwachsene über 60 Jahren mit Abrysvo® geimpft. 18.479 erhielten ein Placebo. Abrysvo® führte bei den Geimpften zu einer Verringerung von RSV-assoziierten Erkrankungen der unteren Atemwege (Reduktion von Erkrankungen mit zwei oder mehr Symptomen um 66,7 % und Reduktion von Erkrankungen mit drei oder mehr Symptomen um 85,7 %). Schmerzen an der Impfstelle, Kopf- und Muskelschmerzen zählen zu den am häufigsten berichteten Nebenwirkungen.
Eine Einschätzung der ständigen Impfkommission zu Abrysvo® liegt aktuell noch nicht vor und wird weitere Klarheit in Bezug auf die Indikation zur Impfung – gerade bei älteren Patienten – erbringen.
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