Human- oder Tiermedizin? Für viele angehende Studenten eine schwere Entscheidung. Doch auch nach einem abgeschlossenen Studium ist es für eine Neuorientierung nicht zu spät. Einige Hürden gilt es allerdings zu überwinden, wie dieser anonyme Kommentar beweist.
Humanmedizin und Tiermedizin - beide Fachgebiete haben ihre eigenen Reize. So kann man in der Veterinärmedizin, je nach Interesse, theoretisch alles behandeln, von der Maus bis zum Elefanten. In der Humanmedizin dagegen geht es zwar nur um ein Lebewesen, das jedoch deutlich intensiver erforscht ist. Dementsprechend gibt es vielfältigere Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten. Nach langem Hin und Her entschied ich mich schließlich für die Veterinärmedizin. Es erwartete mich ein vielfältiges Studium, in dem die Kolik des Pferdes ebenso behandelt wurde wie die Herstellung von Salami, die Bekämpfung von Tollwut oder die korrekte Lochverteilung im Emmentaler. Fünfeinhalb anstrengende Jahre später hielt ich, wie 985 andere Studenten in Deutschland, meine Approbationsurkunde in den Händen. Doch schon die Praktika und Gespräche mit fertigen Tierärzten brachten Ernüchterung. Viele lieben ihren Beruf und können sich nicht vorstellen, etwas anderes zu tun. Doch Tierarzt zu sein, stellte sich langsam aber sicher heraus, ist nicht nur Beruf sondern vor allem Berufung - und das sehr häufig zu Lasten der persönlichen Lebenssituation. Mit Verdiensten unter dem gesetzlichen Mindestlohn, unmöglichen Arbeitszeiten und unbezahlten Überstunden wird der Traum vom berufenen Schützer der Tiere teuer bezahlt. Selbst wenn man von den eigenen Arbeitsbedingungen absieht, entspricht die Arbeitsweise nicht immer dem, was man sich von einer „Medizin der Tiere“ erwartet. Dass Tiere auch Lebensmittel sind und dementsprechend behandelt werden, sollte einem schon vor dem Studium klar sein. Doch auch für Hund, Katze und Pferd, gesund und munter häufig der Familienliebling, wird teilweise gnadenlos kalkuliert - lohnt sich die Behandlung überhaupt? Die Humanmedizin ist, zumindest hierzulande, von einigen verbesserungswürdigen Ausnahmen abgesehen, zum Glück relativ frei von solchen Zwängen - egal ob Normalo oder Prominenter, es sind Menschen, die nach ihren Diagnosen behandelt werden. All diese Überlegungen führten mich schließlich zu der Frage: Warum nicht noch einmal Humanmedizin studieren?
Ist der Entschluss einmal gefasst, gibt es jedoch noch zahlreiche Hürden zu meistern, bevor der Traum vom Zweitstudium Realität wird. Es gibt dabei zwei verschiedene Wege der Bewerbung. Am erfolgversprechendsten ist die Bewerbung über hochschulstart.de. Hier werden neben Abiturbestenquote, Auswahlverfahren der Hochschulen und Wartezeitquote nämlich auch Studienplätze für Zweitstudienbewerber vergeben. Maximal drei Prozent der Studienplätze stehen dafür zur Verfügung. Doch „wer schon einmal die Möglichkeit hatte, ein Studium an einer deutschen Hochschule zu absolvieren, muss in den Fällen, in denen sich viele um einen Studienplatz bewerben, besondere Gründe glaubhaft machen, warum ein zweites Studium erforderlich ist“, schreibt hochschulstart.de. Es wird dabei eine „Messzahl“ gebildet, bestehend aus der Note des Erststudiums und der Wertigkeit der Begründung. Es gibt zum einen berufliche, zum anderen wissenschaftliche Gründe. Letztere werden durch die Hochschule, die man an erster Stelle genannt hat, in einem Gutachten bewertet. Dazu hält man am besten Rücksprache mit den Verantwortlichen an der jeweiligen Universität. Wissenschaftliche Gründe, wie eine eventuell schon begonnene Doktorarbeit oder Forschungsvorhaben, sind dabei wichtig. Es kann jedoch ebenso erfolgreich sein, die besseren Berufsaussichten nach dem Zweitstudium darzulegen. Für Medizin war die Messzahl für dieses Wintersemester (2014/2015) bei 10. Das heißt übersetzt, dass man zum Beispiel mit einem ausgezeichneten Zeugnis (4 Punkte) und besonderen beruflichen Gründen (7 Punkte) einen Studienplatz ergattern konnte. Weitere Infos dazu gibt es auf hochschulstart.de, wo auch das sehr ausführliche Merkblatt „Die Zulassung zum Zweitstudium“ zum Download zur Verfügung steht. Dort wird unter anderem noch einmal genau erklärt, was es mit der Messzahl auf sich hat und es werden Tips gegeben, wie man einen Platz an seiner Lieblingsuni bekommt. Ein Nachteil der Hochschulstart-Bewerbung ist, dass nur Studienplätze für das erste Semester vergeben werden. Wer in einem höheren Semester einsteigen möchte, weil er sich Kurse hat anrechnen lassen, muss darauf hoffen, dass in diesem Semester auch Plätze frei geworden sind, weil Studenten ihr Studium abgebrochen oder Prüfungen nicht bestanden haben. Beides ist „leider“ selten der Fall. Dafür hat man auf diese Plätze dann aber das Vorrecht! Die restlichen dieser freigewordenen Plätze werden durch die Universitäten verteilt und man kann sich bei jeder Uni einzeln dafür bewerben. Was großen Spaß macht, denn die Bewerbungsmodalitäten, -formulare und selbst -fristen sind an jeder Uni unterschiedlich. Am besten informiert man sich auf den einzelnen Websites. Hier sind die Chancen allerdings extrem gering, denn es bewerben sich direkt auch Medizinstudenten, die gern ihre Uni wechseln möchten, aus dem Ausland kommen oder einen Teilstudienplatz haben… und alle werden laut Hochschulzulassungsgesetz vor den Quereinsteigern berücksichtigt.
Bei einem fachlich verwandten Studiengang liegt es nahe, sich Lehrveranstaltungen anrechnen zu lassen. Dazu benötigt man interessanterweise eine Äquivalenzbescheinigung der Lehrverantwortlichen für Medizin an jener Uni, an der man sein Erststudium absolviert hat. Ob Kurse und Praktika wie Biochemie, Physiologie oder mikroskopische Anatomie angerechnet werden, ist eine Einzelfallentscheidung - und nach meiner Erfahrung nicht unbedingt von der tatsächlichen Äquivalenz, sondern vom Wohlwollen des Lehrverantwortlichen abhängig. Hier ist Überzeugungsvermögen gefragt! Ein Beispiel: Der Lehrverantwortliche der Physik war sich sicher, dass das veterinärmedizinische Physikpraktikum auf keinen Fall dem der Mediziner äquivalent sein könne. Bis mir auffiel, dass auf dem Schein im Kleingedruckten sogar vermerkt war, dass dieses nach ÄApprO durchgeführt wurde. Der Hinweis darauf führte zur problemlosen Bescheinigung der Äquivalenz. Dahingegen überraschte mich jedoch die Anrechnung einiger Lehrveranstaltungen eher positiv. So unwahrscheinlich es einem persönlich auch erscheint, man sollte es also auf jeden Fall in allen Fächern versuchen. Insgesamt konnte ich mir mit den gesammelten Bescheinigungen zwei Semester anrechnen lassen. Das Landesprüfungsamt des Bundeslandes, in dem man geboren wurde, stellt schließlich einen Anrechnungsbescheid aus. Am besten, man fragt telefonisch im jeweiligen Landesprüfungsamt genau nach - eine Liste gibt es hier.
Ich persönlich hoffe sehr, in der Humanmedizin all das lernen zu können, was im Veterinärmedizinstudium in meinen Augen zu kurz gekommen ist - nämlich das Wissen über Krankheiten und wie man sie heilt. Da die beiden Studien doch sehr ähnlich sind, hoffe ich nicht nur, mir das einmal gelernte schneller wieder aneignen zu können, sondern auch Wissen aus der Tiermedizin mit neuem humanmedizinischem Wissen vernetzen zu können. Vielleicht werde ich dies ja sogar später einmal in der Forschung umsetzen können - und damit Tieren und Menschen gleichermaßen helfen.