Gibt’s noch jemanden, der Lauterbachs Krankenhausreform nicht kritisiert? Jetzt melden sich auch Rheumatologen und Radiologen zu Wort – mit Sorgen und Vorschlägen.
Lauterbachs Krankenhausreform wird in Fachkreisen kontrovers diskutiert – wie sie am Ende genau aussehen wird, steht noch in den Sternen. Die Fachgesellschaften und Verbunde ergreifen die Chance und melden sich frühzeitig mit Vorschlägen und Forderungen zu Wort.
In einem Positionspapier äußert sich die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh) kritisch gegenüber den Plänen: Eine (fehl-)anreizfreie Krankenhausfinanzierung, wie sie sich das Bundesgesundheitsministerium zum Ziel gesetzt hat, könne es nicht geben. An die Stelle der vieldiskutierten Diagnosegruppen (DRGs) sollen laut Kommission so genannte Leistungsgruppen (LGs) treten – auch sie sollen sich aber an kodierten Diagnosen (ICD) und Prozeduren (OPS) orientieren. Einen Fortschritt gegenüber den DRGs sehen die Rheumatologen hier nicht.
Das bereits bestehenden LG-System in Nordrhein-Westfalen sähe schon jetzt neben konkreten Falldefinitionen anhand von ICD und OPS auch allgemeine LG vor, die über den Fachabteilungsschlüssel definiert werden. „Hieraus ergeben sich jedoch neue Probleme“, sagt Prof. Christof Specker, Präsident der DGRh und Autor des Positionspapiers. Die Zuordnung von Patienten zu einem Fachbereich sei nicht immer möglich – denn oft durchliefen diese mehrere Fachbereiche. Auch nutze die NRW-Krankenhausplanung eine Abfragehierarchie: Die auf dieser Liste weiter unten stehenden Fachbereiche bekämen nur dann Fälle zugeordnet, wenn diese nicht auch einen der zuvor genannten beträfen. „Würden finanzielle Konsequenzen, Versorgungsaufträge oder Vorhaltebudgets an die so errechneten Fallmengen geknüpft, müsste die Verzerrung, die sich daraus ergibt, deutlich besser kontrolliert werden“, betont Specker.
Gerade bei den großen Fachbereichen wie der Inneren Medizin fragen sich die Rheumatologen: Wie fein darf eine Differenzierung der Leistungsgruppen in Teilgebiete und Spezialisierungen ausfallen, um die Behandlungsrealität akkurat abzubilden und trotzdem handhabbar zu bleiben? Internistische Fachbereiche sind oft nicht klar voneinander abgrenzbar –das betrifft auch die Rheumatologie. Dazu kommt, dass es nur wenige exklusive OPS gibt, die sich ausschließlich einem Fachbereich zuordnen lassen. Die DGRh fordert deshalb, dass sich Leistungsgruppen für die Krankenhausplanung an Krankenhausstrukturen und Leistungsangeboten orientieren sollten.
„Derzeit ist die rheumatologische Komplexbehandlung, die einzige Leistung, die als exklusiv rheumatologisch gilt“, sagt Professor Dr. med. Heinz-Jürgen Lakomek, ebenfalls Autor des Positionspapiers und Geschäftsführer des Verbands der Rheumatologischen Akutkliniken (VRA). Sie umfasse neben der medikamentösen Rheumatherapie auch eine gezielte Schmerztherapie, physio- und ergotherapeutische Anwendungen sowie oft auch eine psychologische Betreuung. In der Diskussion um Versorgungs- und Vergütungsstrukturen werde die akutstationäre Rheumatologie häufig mit einer rheumatologischen Komplexbehandlung gleichgesetzt. In der Realität mache die Komplexbehandlung aber nur zehn Prozent der stationären Behandlungen in rheumatologischen Kliniken und Fachabteilungen aus und beschränke sich weitgehend auf spezialisierte Rheumatologische Fachkliniken.
Qualifizierte akutstationäre rheumatologische Versorgung finde jedoch auch in anderen Krankenhäusern mit rheumatologischen Abteilungen statt – bleibe aber oft unsichtbar. „Rund 50 Prozent der Fälle mit typisch rheumatologischen Diagnosen werden in Fachabteilungen behandelt, deren Fachabteilungsschlüssel die rheumatologische Expertise nicht widerspiegelt“, erläutert Specker. Bei einigen rheumatologischen Erkrankungen liege dieser Anteil sogar bei über 75 Prozent. Diese Fälle gingen der Rheumatologie bei einer Orientierung der LG an Fachabteilungsschlüsseln daher verloren.
Auch die Radiologen sehen in dem Entwurf für die Reform Probleme für ihr Fachgebiet. Sie warnen, dass durch die Reform bestehende Kooperationen vieler ländlicher Kliniken mit ambulanten Praxen wie Schlaganfall- und Traumanetzwerken zur schnellen Versorgung von Notfällen gefährdet werden könnten. „Krankenhäuser, insbesondere im ländlichen Raum, kooperieren häufig mit ambulanten Radiologen, um eine umfassende radiologische Versorgung ihrer Patienten zu gewährleisten. Denn kleine Kliniken verfügen aus Kostengründen oftmals nur über eine begrenzte Auswahl an radiologischen Geräten. [...] Ambulante Radiologiepraxen tragen maßgeblich zur flächendeckenden Gesundheitsversorgung auf dem Land bei“, erklärt Dr. Thomas Miller, Facharzt für diagnostische Radiologie und Aufsichtsratsmitglied der RadiologenGruppe 2020, auf Nachfrage von DocCheck.
Die geplante Krankenhausreform würde somit laut Miller auch die Zukunft der Praxen beeinflussen. „Sollten bestehende, gut funktionierende Kooperationen und damit auch ein Teil der betriebswirtschaftlichen Basis der Ambulanzen wegfallen, drohen Schließungen radiologischer Praxen. In dem Fall wären viele Radiologen in den großen, weit entfernten Kliniken vertreten, aber nicht mehr im ländlichen Raum“, sagt der Radiologe.
Er sieht mit der Reform die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung in seinem Fachgebiet gefährdet, erklärt aber auch: „Grundsätzlich befürworten wir eine Krankenhausreform, aber appellieren an den Bund, mit uns in einem konstruktiven Dialog gemeinsam weitere langfristige Lösungen zu erarbeiten. Die Meinung der Ärzte, insbesondere aus kleinen Kliniken und Ambulanzen, sollte bei diesen schwerwiegenden gesundheitspolitischen Entscheidungen einbezogen werden“, sagt Miller. Oftmals wüssten die Mitglieder der Expertenkommission gar nicht, wie genau die medizinische Versorgung im ländlichen Raum aussieht. „Es bedarf daher der Kommunikation mit regionalen Standesvertretern, um sinnige, realitätsnahe Versorgungsstrukturen zu entwickeln und damit eine bestmögliche Patientenbehandlung zu ermöglichen.“
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