„Dieses Produkt wurde augenärztlich getestet“ – das klingt vertrauenswürdig, oder? Was dahintersteckt und wie ihr eure Patienten vor augenscheinlichen Fehlern bewahrt, lest ihr hier.
Make-up für die Augen wurde schon Tausende Jahre vor unserer Zeitrechnung verwendet. Im alten Ägypten diente beispielsweise Kohle als Kajal – und heute trägt in unserer Kultur ein Großteil der Frauen jeder Altersgruppe Make-up im Augenbereich. Die Kosmetikindustrie unterliegt umfangreichen Reglementierungen bei der Herstellung ihrer Kosmetika und viele der am Markt befindlichen Produkte werden damit beworben, dermatologisch und augenärztlich getestet worden zu sein. Doch was genau heißt „augenärztlich getestet“ und worauf solltet ihr Patienten beim Umgang mit Kosmetikprodukten im Augenbereich hinweisen?
Die Aussage – oder eher der Werbeslogan – „augenärztlich getestet“ bedeutet, dass bei einer Produkttestung ein Augenarzt anwesend war. Das sagt aber leider weder etwas darüber aus, an wie vielen Probanden ein bestimmtes Produkt „getestet“ wurde, noch über die Anzahl oder die Art von Nebenwirkungen, die vielleicht aufgetreten sind. Die Tests sind weder einheitlich geregelt noch irgendwelchen Regulatorien unterworfen und somit für die Mehrheit der Anwender nicht aussagekräftig. Es gibt keine Versicherung, dass keine Allergien oder Unverträglichkeiten an den Augenlidern oder in den Augen ausgelöst werden. Es bleibt also dabei: nicht mehr als ein Werbeslogan.
Allergien und Unverträglichkeiten auf Inhaltsstoffe in Augen Make-up sind leider keine Seltenheit. Letztendlich bleibt es Anwendern nicht erspart, Inhaltsstoffe zu überprüfen, insbesondere natürlich, wenn Allergien auf bestimmte Stoffe, die in Kosmetikprodukten enthalten sein können, bereits bekannt sind. Im Allgemeinen lässt sich empfehlen, auf Duftstoffe, Alkohol und ätherische Öle im Augenbereich zu verzichten, da diese oftmals Auslöser von Allergien und Unverträglichkeiten darstellen. Bei allergischer Prädisposition kann Patienten dazu geraten werden, Neuerungen langsam – das heißt, ein Produkt nach dem anderen – in eine Pflege- oder Make-up-Routine einzuführen, um auf diese Weise mögliche allergieauslösende Produkte identifizieren und vermeiden zu können.
Produkte, die im oder um den Augenbereich angewendet werden, sind auch immer öfter mit einem Auftreten oder einer Verschlechterung eines trockenen Auges in Verbindung assoziiert. Das trockene Auge beschreibt eine multifaktorielle Beeinträchtigung des Tränenfilms und damit einhergehender Benetzungsstörung der Bindehaut und Hornhaut des Auges. Es zählt zu einer der häufigsten Erkrankungen in der Augenheilkunde, mit zunehmender Prävalenz im Alter. Kosmetikprodukte, die in Augennähe verwendet werden, gelangen meist in Bruchteilen auch über die Augenlidkante ins Auge selbst und können so ein Ungleichgewicht der Tränenfilmbestandteile verursachen, oder eine bereits bestehende Tränenfilmstabilität verschlechtern. So haben prospektive Studien gezeigt, dass Eyeliner auf der inneren Lidkante, im Bereich der Wasserlinie, mit einer deutlich höheren Tränenfilmbeeinträchtigung und subjektiven Augenbeschwerden assoziiert ist als eine Anwendung unterhalb der Lidkante.
An der Wasserlinie, dem Bereich der Lidkante zwischen Wimpernkranz und Auge, befinden sich außerdem die sogenannten Meibomdrüsenöffnungen. Meibomdrüsen produzieren die Lipidphase des Tränenfilms und sorgen so dafür, dass der Tränenfilm am Auge haften bleibt und nicht zu früh verdunstet. Kommt es zu blockierten Meibomdrüsenöffnungen durch Permanent-Make-up oder Auftragen von Kajal oder Eyeliner in genau diesem Bereich, so verstopfen die Meibomdrüsenausführungsgänge. Es kommt zu einer Störung des Tränenfilmgleichgewichts, zu Meibomdrüsendysfunktion und trockenen Augen. Außerdem ist das Risiko einer Blepharitis und für die Entstehung eines Hordeolums erhöht. Nicht außer Acht zu lassen ist auch das erhöhte Verletzungsrisiko der Bindehaut und Hornhaut des Auges bei Anwendung von Kosmetikprodukten in direkter Augennähe. Von einer Anwendung von Eyeliner, Permanent-Make-up oder Kajal an der inneren Lidkante wird daher aus augenärztlicher Sicht abgeraten.
Wie sieht es mit weiteren Kosmetikprodukten im Augenbereich aus? Betreffend Wimperntusche wird oftmals dazu geraten, wasserfeste Wimperntuschen zu meiden, da diese Inhaltsstoffe enthalten kann, die die Augen eher reizen können. Make-up-Entferner für wasserfestes Make-up sind meist aggressiver formuliert. Außerdem wird bei der Entfernung meist auch mehr an Augenlidern und Wimpern gerieben und dadurch die zarte Augenpartie unnötig belastet. Bei allen Produkten wird von der Verwendung von Glitzerpartikeln abgeraten, da auch hier immer wieder Bruchteile in die Augen gelangen, den Tränenfilm beeinträchtigen, an der Hornhaut scheuern und somit kleine Verletzungen verursachen können.
Um zu vermeiden, dass Fremdstoffe in die Augen gelangen, ist außerdem beim Auftragen von Creme im Gesicht anzuraten, Abstand zu den Lidkanten einzuhalten. Pflegeprodukte und Augencremes, die speziell für diese Region zu verwenden sind, sollten sich hinsichtlich ihrer Formulierung von anderen Produkten unterscheiden. Im Gegensatz zu Körpercremes sollen sich spezielle Augencremes weniger verteilen und nicht in die Augen „kriechen“, man spricht auch von niedrigspreitend. Bei Körpercremes sind die enthaltenen Inhaltsstoffe meist hochspreitend, verteilen sich also von allein und kriechen schnell. Somit kann mit speziellen Augencremes eher verhindert werden, dass diese in die Augen gelangen. Die Haut um die Augen ist um ein Vielfaches dünner. Anatomisch gesehen befinden sich weniger Talgdrüsen periokulär, daher ist hier die Haut empfindlicher und meistens trockener als die restliche Körperhaut. Sie benötigt andere Pflege, weshalb speziell für die Augenpartie hergestellte Cremes, sofern sie diesen Anforderungen entsprechen, durchaus anzuraten sind.
Was rate ich Patienten mit empfindlicher Haut und trockenen Augen? Wer auf Make-up und Augenpflege nicht verzichten möchte, sollte einerseits die Inhaltsstoffe kontrollieren und insbesondere auf Duftstoffe, Alkohol und ätherische Öle verzichten. Außerdem ist darauf zu achten, dass möglichst kein Make-up in die Augen gelangt, wasserfeste Wimperntusche wird besser gegen wasserlösliche getauscht. Eyeliner und Kajal sollten nicht auf der Wasserlinie aufgetragen werden und besonders von Augen Make-up, das Glitzerpartikel enthält, würde ich abraten.
Besonderes Augenmerk – um bei der Thematik zu bleiben – gilt natürlich auch der Make-up-Hygiene. Beachtet man diese, können Augenirritationen und Infektionen vorgebeugt werden. Dazu gehört, neben Händewaschen vor dem Abschminken und jedem Kontakt von Fingern mit dem Gesicht und Augenbereich, das regelmäßige Austauschen des Make-ups – selbst wenn noch viel Produkt vorhanden ist.
Wimperntusche sollte alle 3–4 Monate, bei starker Verunreinigung früher, erneuert werden. Sobald Wimperntusche in Kontakt mit den Wimpern kommt, gelangen nämlich die auf den Wimpern vorhandenen Bakterien und Demodexmilben auf die Bürste. Bakterien, Milben, aber auch Pilze und Viren, vermehren sich im dunklen Behältnis der Wimperntusche und erhöhen so mit der Zeit das Risiko einer Infektion des Lidrandes oder Auges. Demodexmilben konnten in einer Studie noch Stunden bis mehrere Tage nach Kontamination in Make-up nachgewiesen werden. Kosmetikprodukte, die in einen direkten Hautkontakt zu einem Anwender kommen, sollten aus diesem Grund auch nicht weitergegeben oder gemeinschaftlich benützt werden. Auch in Geschäften oder Drogeriemärkten ist es daher empfehlenswert, nur neue Proben oder Applikatoren zu verwenden und ansonsten besser auf das Ausprobieren zu verzichten.
Sollte während der Anwendung eines Produktes mit direktem Haut- oder Wimpernkontakt eine Infektion in diesem Bereich auftreten, muss jedes Produkt, das mit infektiösem Material in Kontakt gekommen sein könnte, ausgetauscht werden. Make-up sollte außerdem nicht zu warm gelagert werden, da sonst Inhaltsstoffe, die das Bakterienwachstum kontrollieren sollen, in ihrer Effektivität abnehmen können. Besonders Kontaktlinsenträger müssen auf gute Hygiene bei der Anwendung von Make-up achten. Bei Anzeichen einer Augeninfektion gilt außerdem immer eine sofortige Kontaktlinsenkarenz. Vor dem Schlafengehen sollte Make-up immer gründlich entfernt werden. Bestandteile des Make-ups können sonst vermehrt in die Augen gelangen und Tränenfilmstörungen, Augenreizungen und Infektionen verursachen. Beim Abschminken gilt auch, möglichst kein Produkt in die Augen zu bekommen, den Augenbereich sanft zu reinigen und das Make-up vollständig zu entfernen.
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