Nach einer Impfdosis des Corona-Vakzins von Astrazeneca erleidet eine junge Frau eine Darmvenenthrombose. Ihre Klage wurde abgelehnt – aber jetzt geht’s in die nächste Runde. Was wir bisher über den Prozess wissen.
Eine 32-jährige Frau aus Bayern verklagt den Impfstoffhersteller Astrazeneca. Sie hatte nach Erhalt der Impfung im März 2021 eine Darmvenenthrombose erlitten, auf die ein Koma folgte. Es mussten Teile des Darms entfernt werden. Nachdem die Klage vom Landgericht Hof abgelehnt wurde, legte die junge Frau Berufung ein und zieht nun mit ihrer Klage vors Oberlandesgericht Bamberg.
Bis April 2023 wurden in Deutschland fast 65 Millionen Menschen mindestens einmal gegen COVID-19 geimpft. Das Paul-Ehrlich-Institut hat zwischen Dezember 2020 und Ende Februar 2023 fast 55.000 Verdachtsfälle schwerwiegender Nebenwirkungen registriert. Juristisch gesehen ist es jedoch schwierig einen Nachweis dafür zu erbringen, dass eine Krankheit tatsächlich von der Impfung verursacht wurde. Trotzdem gibt es landesweit ca. 200 Klagen wegen Nebenwirkungen gegen Impfstoffhersteller.
Die Klägerin hatte die Impfdosis einen Tag vor Bekanntmachung des vermutlich erhöhten Thromboserisikos durch das Vakzin erhalten. Volker Loeschner, Fachanwalt für Medizinrecht, vertritt die Bayerin vor Gericht. Er argumentiert, dass die Impfung zu dem Zeitpunkt nicht für seine Mandantin hätte zugelassen werden dürfen. Darum fordern sie mindestens 250.000 Euro Schadensersatz und bis zu 600.000 Euro für zukünftige Beeinträchtigungen, wie die Zeit berichtete. Astrazeneca hat bereits am 24. Juli 2023 eingeräumt, dass die Darmvenenthrombose durch das Vakzin verursacht wurde, so der Anwalt.
In einer Stellungnahme des Oberlandesgerichts Bamberg heißt es, dass es zurzeit keine ausreichenden Belege für eine Haftung des Herstellers wegen „unvertretbarer schädlicher Wirkungen“ des Impfstoffs (§ 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AMG) gäbe. Die Nebenwirkungen des Vakzins waren bei der Zulassung des Impfstoffes am 31. Oktober 2022 bereits bekannt und daher vertretbar. Volker Loeschner sieht das anders: „Schwerwiegende Nebenwirkungen, wenn auch selten, wie etwa im Falle meiner Mandantin – einer bis dato gesunden 30-jährigen – sind nicht zum Zwecke der Prävention zu rechtfertigen. Viele Patienten, inklusive meiner Mandantin, hätten dieses Risiko nicht in Kauf genommen“, sagt er im Gespräch mit DocCheck.
Diese Entscheidung wurde der Klägerin vorweggenommen und die Selbstbestimmtheit von Patienten dadurch verletzt, so der Anwalt – die Information, dass der Astrazeneca-Impfstoff das Risiko für z. B. Hirn-, oder Darmvenenthrombosen erhöht, sei zu spät kommuniziert worden. Er zweifelt die Aussagen des Herstellers an, nicht über die Nebenwirkungen Bescheid gewusst zu haben. Der Verdacht habe schon vorher bestanden, da bereits weit vor Bekanntgabe Fälle auftraten. Insbesondere bei tödlichen Nebenwirkungen hätte der Hersteller frühzeitig einen Verdacht melden müssen. Nur so hätten auch Ärzte die Möglichkeit gehabt, vollständig über Risiken aufklären zu können, meint Loeschner.
Das Gericht wird nun ein Sachverständigengutachten einholen, um zu überprüfen, inwieweit der Impfmittelhersteller Haftung wegen „unzureichender Arzneimittelinformation“ (§ 84 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 AMG) übernehmen muss. Das begrüßt der Anwalt auch im Hinblick auf andere Klagen – es zeige, dass das Gericht nicht ohne fachliche Prüfung eine Entscheidung fällen wird.
Die Klägerin und ihr Anwalt haben jetzt bis zum 11. September 2023 Zeit, erneut Stellung zu beziehen. Sie planen zu beiden Punkten weitere Beweise vorzulegen. Ein Urteil ist wohl aber auch zu diesem Termin nicht zu erwarten. In einer Hinsicht ist Astrazeneca aber wohl abgesichert: zur Zeit der Beschaffung von Impfstoffen über die EU wurde in Abstimmung mit den Herstellern beschlossen, dass bei erfolgreichen Klagen die jeweiligen Mitgliedsstaaten, in denen die Klage durchgeführt wird, die Entschädigungen sowie die Prozesskosten der Hersteller tragen sollen.
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