Die Frage nach sinnvollen Nahrungsergänzungsmitteln stellen sich wohl alle Schwangeren. Über die Hälfte der Präparate fällt aber im Test durch. Lest hier, worauf ihr bei der Beratung achten solltet.
Die Zeitschrift Ökotest hat verschiedene Nahrungsergänzungsmittel für Frauen mit Kinderwunsch, Schwangere und Stillende unter die Lupe genommen. Das Ergebnis: Häufig kamen sie zu schlechten – ja, sogar sehr schlechten – Ergebnissen. Nach dem Gießkannenprinzip würden offenbar so manche Hersteller agieren, kritisiert Ökotest, und den notwendigen Folsäure- und Jod-Tabletten noch weitere Vitamine zusetzen, die gar nicht unbedingt notwendig seien. Nur acht Präparate wurden bei diesem Test mit der Note „gut“ ausgezeichnet, zwölf Folsäure-Tabletten und -Kapseln fielen mit „ungenügend“ durch. Ist diese Bewertung gerechtfertigt? Müssen wir bei der Beratung in der Apotheke langsam umdenken?
Was wurde im Test beanstandet? Da waren zum einen die Folsäure-Dosierungen selbst, zum anderen kritisierten die Experten die weiterhin zugesetzten Nährstoffe als unnötig und teilweise schädlich. Weiterhin wurde in zwei Folsäure-Tabletten das Weißpigment Titandioxid nachgewiesen. Dieses gilt als vermutlich erbgutschädigend. In weiteren Präparaten fand man auch Carboxymethylcellulose.
Grundsätzlich wird die zusätzliche Aufnahme von Folsäure bei Schwangeren in Form eines Nahrungsergänzungsmittels als sinnvoll erachtet, da ein niedriger Folatspiegel in den ersten Wochen das Risiko für einen Neuralrohrdefekt erhöht. Die Folat-Aufnahme über die Nahrung ist hier meist nicht ausreichend gewährleistet. In der Apotheke wird man in diesem Zusammenhang von den betroffenen Frauen auch immer wieder gefragt, ob es schädlich sei, wenn man über die Nahrung eigentlich ausreichend versorgt sein müsste und trotzdem noch zur Sicherheit etwas extra einnimmt. Hier muss man sich keine großen Sorgen machen, auch wenn man ausreichend folatreiche Nahrungsmittel wie beispielsweise grünes Gemüse, Eier, Tomaten, Vollkornprodukte und Kartoffeln isst und dazu Fruchtsäfte trinkt, denn die tolerierbare Gesamtzufuhrmenge für Erwachsene beträgt 1.000 µg Folsäure pro Tag. Dieser Wert wird bei einer Aufnahme von 200 oder 400 µg Tabletten, die als Tagesdosierung für Schwangere auf dem Markt sind, auch bei der Aufnahme über die genannten Nahrungsmittel nicht überschritten.
Ökotest ließ dieses Mal auch Dosierungen mit 800 µg für die ersten drei Schwangerschaftsmonate für Frauen zu, die nicht schon vor der Schwangerschaft ihren Folatspiegel aufgebaut hatten. Für den weiteren Verlauf der Schwangerschaft wurde diese Dosierung aber als zu hoch beurteilt – genau wie Dosierungen von 500–600 µg Folsäure, die angeblich keinen offiziellen Empfehlungen entsprächen. Warum ist Ökotest hier so restriktiv, mag man fragen, wenn die Versorgung mit Folsäure über die Nahrung doch offenbar meist nicht ausreichend ist?
Es kann daran liegen, dass die Grenze von 1.000 µg schnell gerissen wird, verwendet man beispielsweise folsäureangereichertes Speisesalz zum Kochen. Dieses enthält laut Bundesinstitut für Risikobewertung 100 µg Folsäure pro Gramm. Trotzdem empfinde ich die Bewertung dieser Nahrungsergänzungsmittel mit 500–600 µg mit einer Note Abzug in meinen Augen als deutlich zu hart. Und auch die Behauptung, diese Dosierung entspräche keiner offiziellen Empfehlung ist nicht richtig, denn die EFSA (European Foof Safety Authority) würde ich durchaus als offizielle Quelle ansehen. Hier werden 600 µg Folsäure zur täglichen Einnahme für Schwangere empfohlen, was somit dieser angeblich abweichenden Dosierung genau entspricht.
Es ist natürlich eine Frage der Beratung, ob man diese hohen Dosierungen wirklich benötigt. Aber es gibt durchaus Frauen, die sich dauerhaft folsäurearm ernähren, selbst in der Schwangerschaft – vielleicht auch weil sie diese Nahrungsmittel nicht vertragen, oder ihnen dauerhaft übel ist und sie ohnehin kaum etwas zu sich nehmen können. Wer dann etwas gefunden hat, das nicht direkt wieder erbrochen wird, der bleibt dabei. Also ist es durchaus sinnvoll, diese höheren Dosierungen auf dem Markt zuzulassen und den Frauen zu empfehlen, die mit den genannten Voraussetzungen unsere Hilfe erfragen.
Das gilt auch für die Präparate, die beanstandet wurden, weil sie neben Folsäure weitere Vitamine und Mineralstoffe enthalten. Sicher – werden die empfohlenen Höchstmengen überschritten, dann ist das ein Grund, diese Tabletten mit „ungenügend“ zu bewerten. Das ist keine Frage, und da gehe ich mit Ökotest absolut konform. Gerade in der Schwangerschaft ist das mehr als bedenklich. Erschreckenderweise war das bei mehr als der Hälfte der getesteten Produkte der Fall!
Aber grundsätzlich alles schlechter zu bewerten, nur weil weitere Vitamine überhaupt zugesetzt wurden? Aus dem bereits genannten Grund der Fehl- beziehungsweise Mangelernährung, die teils schlecht zu umgehen ist, empfinde ich das nicht als sinnvoll, wenn ausreichend dazu beraten wird. Auch eine Note Abzug für alle Präparate, die Selen in einer höheren Dosierung als 45 µg pro Tag enthalten empfinde ich als hart. Deutschland ist bekanntermaßen ein Selenmangelgebiet, und eine Aufnahme von bis zu 300 µg Selen gilt laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (die sich auf die EFSA bezieht) nicht als problematisch.
Die vier Noten Abzug für Präparate die Titandioxid enthalten, erachte ich als sinnvoll. Ich kann nicht nachvollziehen, warum namhafte Hersteller, die ihre Produkte über Apotheken vertreiben, noch immer das Weißpigment Titandioxid einsetzen, obwohl dieser Zusatzstoff bereits seit dem 8. August 2022 nicht mehr in den Verkehr gebracht werden darf. Auch wenn bis zu diesem Termin bereits ausgelieferte Ware bis zu ihrem Mindesthaltbarkeits- oder Verbrauchsdatum offiziell noch vertrieben werden darf – gerade für die sehr sensiblen (werdenden) Mütter ist es nicht nachvollziehbar, warum sie etwas einnehmen sollen, von dem nicht ausgeschlossen werden kann, dass es genotoxisch wirkt. Hier sollten wir als Fachpersonal wirklich genau hinsehen, und diese Produkte zur Beruhigung der betroffenen Personen aussondern.
Eine Note Abzug für den Inhaltsstoff Carboxymethylcellulose ist allerdings erklärungsbedürftig, da dieser Zusatzstoff eigentlich bislang per se nicht als bedenklich gilt. Vielleicht weil er unverdaut wieder ausgeschieden wird und bei übermäßigem Verzehr abführend wirken kann? Bei einer Einnahme von einer einzigen Tablette pro Tag ist dieser Wert allerdings sicherlich noch lange nicht erreicht.
Mein Fazit: Bei den Ergebnissen von Ökotest und Stiftung Warentest schaue ich immer gerne zweimal hin, denn nicht immer sind die Bewertungskriterien für mich nachvollziehbar. Es findet sich dabei aber auch immer etwas, das ich in meine Beratung einbaue, denn beispielsweise das immer noch Vorhandensein von Titandioxid in Produkten für Schwangere und Stillende war mir so nicht bewusst. Ein Unding – und deutlich problematischer als der Zusatz von weiteren Vitaminen und Mineralstoffen, der je nach individueller Ernährung durchaus sinnvoll ist.
Bildquelle: Ave Calvar, Unsplash