Patienten mit Lipödem haben mit vielen Vorurteilen zu kämpfen – und mit der Krankenkasse! Was weiß man bisher über die Krankheit und was übernehmen die Kassen?
Schwere, schmerzende Beine, Wassereinlagerungen und Kompressionsstrümpfe: Das ist Alltag für viele Patienten mit Lipödem. Die Erkrankung betrifft fast ausschließlich Frauen. Die genaue Prävalenz ist zwar nicht bekannt, man geht allerdings davon aus, dass etwa 10 % der weiblichen Weltbevölkerung betroffen sind. Erkrankte leiden oft unter starken Schmerzen und wünschen sich Besserung – aber was wissen wir eigentlich über das Krankheitsbild und welche Therapiemöglichkeiten gibt es?
Das Lipödem ist eine Fett-Verteilungsstörung, bei der es zu unkontrollierter Fettvermehrung an Armen, Beinen, dem Gesäß und der Hüfte kommen kann. Dabei vermehren sich die Adipozyten im Fettgewebe der Subkutis, die je nach Ausprägung als Knubbel ertastbar sind. Die Ausprägung sowie welche Körperteile betroffen sind, ist von Patientin zu Patientin unterschiedlich. Meist ist allerdings ein unproportionales Verhältnis der Körperteile zueinander zu beobachten. Neben der Fettvermehrung kommt es auch zu Wassereinlagerungen zwischen den Fettschichten, die zu Spannungs- und Schweregefühlen führen, da sie auf umliegendes Gewebe drücken. Patientinnen haben auch eine erhöhte Hämatom-Neigung und Dysästhesien (bei Druck und Berührung). Hohe Temperaturen und langes Stehen können diese Symptomatik verschlimmern.
Die Ursachen des Lipödems sind noch ungeklärt, man geht zurzeit jedoch von einem hormonellen Auslöser aus, da die Krankheit häufig während der Pubertät, der Wechseljahre oder bei Schwangerschaften beginnen. Da bei vielen Patientinnen auch in der Familienhistorie häufig Frauen zu „dicken Beinen“ neigen, ist auch von einer genetischen Komponente auszugehen.
Ganz grob wird das Lipödem in drei bis vier Stadien eingeteilt:
Symptome wie Schmerz, Wassereinlagerungen, Druckempfindlichkeit und Spannungsgefühle können in allen Stadien auftreten– die Einteilung korreliert nicht mit der Schwere dieser Symptome.
Das Lipödem wird in der Regel von einem Phlebologen oder Lymphologen diagnostiziert. Dabei sind Palpation, Anamnese und Inspektion unumgänglich. Die Differenzialdiagnose führt über das Ausschließen von Lymphödem oder Adipositas. Die Merkmale der Unproportionalität der Körperteile zueinander sind wichtig, ebenso wie die symmetrische Ausprägung der Fettverteilungsstörung. Venen-Funktions-Tests, Ultraschall und andere bildgebende Verfahren können in der Differenzialdiagnose hilfreich sein. Eine Diagnose des Lipödems gleicht allerdings zurzeit – insbesondere in frühen Stadien – noch einem Detektivspiel.
Beim Lipödem handelt es sich um eine chronische, zurzeit noch nicht heilbare Krankheit. Daher ist eine ursächliche Behandlung nicht möglich. Welche Therapie zur Symptomverbesserung eingesetzt wird, hängt vor allem stark vom Stadium der Erkrankung ab.
Konservative Therapiemethoden werden in allen Stadien angewandt und von Krankenkassen übernommen. Manuelle Lymphdrainage, Kompressionswäsche und Bewegung können bei Beschwerden helfen, da sie den Lymphfluss fördern. Diese Methoden versprechen allerdings keine langzeitige Verbesserung und wirken nicht auf die Vermehrung der Adipozyten.
Und da kommt die Liposuktion ins Spiel: Laut aktueller Studienlage ist sie die einzige Therapiemöglichkeit, die die Progression des Lipödems zumindest verlangsamen kann. Kommt ein schonendes Verfahren, wie die Tumescence oder Wasserstrahl-assistierte Liposuktion (WAL) zum Einsatz, können Symptome wie Schmerzen, Wassereinlagerungen und Empfindlichkeit auch für einen längeren Zeitraum reduziert werden. Eine Liposuktion ist allerdings teuer. Wird sie nicht von der Krankenkasse übernommen, was beim Großteil der Betroffenen der Fall ist, muss ordentlich geblecht werden: Mehr als 5.000 Euro kann eine einzige OP kosten, häufig sind mehrere nötig. Viele junge Frauen nehmen daher Kredite auf, um die hohen Kosten stemmen zu können.
Seit 2020 übernehmen Krankenkassen die Kosten der Liposuktion bei Patienten im Stadium III – jedoch nur bis zu einem BMI von 35. Das Problematische daran ist, dass Betroffene in diesem Stadium häufig bereits sehr stark vermehrtes Fettgewebe aufweisen, teilweise in Form von Fettschürzen. Das Abnehmen in diesem Stadium ist schwer, auch weil das überhängende Fettgewebe und Schmerzen die Bewegungsfreiheit einschränken und häufig Komorbiditäten wie Depression, Schilddrüsenunterfunktion oder Migräne auftreten, die der regelmäßigen Bewegung zusätzlich im Weg stehen. Darum fordert unter anderem die Partei Die Linke auch eine Übernahme der Kosten der Liposuktion bereits für die Stadien I und II, in denen Symptome noch nicht so stark ausgeprägt sind.
Doch auch die Kostenübernahme im Stadium III wird sich voraussichtlich nächstes Jahr ändern. Denn: Die Liposuktion ist zunächst nur bis 2024 eine Kassenleistung, danach möchte der Gemeinsame Bundesausschuss über die Zukunft der Lipödemtherapie neu entscheiden und neue Langzeitstudien mit in die Entscheidungsfindung einbeziehen.
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